Pressemitteilung

Antibiotikaresistenzen: Studie zeigt hohen Handlungsdruck

10.11.2023 AOK Baden-Württemberg 5 Min. Lesedauer

AOK, IWW und Umweltbundesamt erforschen ökologische Nachhaltigkeit in der Antibiotikaversorgung

Abfluss einer Produktionsanlage
Der Abfluss einer Produktionsanlage mündet in einem trüben, schaumigen Gewässer.
Gruppenbild
Podiumsgäste der Pressekonferenz (von links nach rechts): Johannes Bauernfeind (AOK Baden-Württemberg), Dr. Malgorzata Debiak (Umweltbundesamt), Dr. Tim aus der Beek (IWW)

Berlin. Zunehmende Antibiotikaresistenzen gefährden die Gesundheitsversorgung und führen weltweit zu einer hohen Zahl an vorzeitigen Todesfällen. Aus diesem Grund startete die AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… -Gemeinschaft im Jahr 2020 unter der Federführung der AOK Baden-Württemberg gemeinsam mit dem IWW Rheinisch-Westfälischen Institut für Wasserforschung und mit Unterstützung des Umweltbundesamtes eine Pilotstudie zur ökologischen Nachhaltigkeit in der Antibiotikaversorgung. Die weltweit erste Studie mit detaillierten Einblicken in die globale Antibiotikaproduktion wird nun am Freitag (10.11.2023) in einer Pressekonferenz vorgestellt. „Unsere Erfahrungen zeigen einen dringenden Handlungsbedarf, der nicht länger in politischen Diskussionen ausgeklammert werden darf“, fasst Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, die Ergebnisse zusammen. „Die Arzneimittelversorgung kann nur dauerhaft stabilisiert werden, wenn sie in allen drei Dimensionen – ökonomisch, sozial und ökologisch – nachhaltig gestaltet wird.“

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Mitschnitt Pressekonferenz

Aufzeichnung der Pressekonferenz vom 10.11.2023

Als bundesweite Verhandlungsführerin für die Arzneimittelrabattverträge der AOK-Gemeinschaft implementierte die AOK Baden-Württemberg vor drei Jahren erstmals ein optionales Nachhaltigkeitskriterium in die Ausschreibung für Antibiotika, um Anreize für eine umweltgerechte Produktion zu schaffen. So können pharmazeutische Unternehmen bei der Vergabe einen Bonus auf ihr Angebot erhalten, wenn sie sich freiwillig verpflichten, wirkungsbasierte Maximalkonzentrationen im Produktionsabwasser einzuhalten.

„Unsere Erfahrungen zeigen einen dringenden Handlungsbedarf, der nicht länger in politischen Diskussionen ausgeklammert werden darf. Die Arzneimittelversorgung kann nur dauerhaft stabilisiert werden, wenn sie in allen drei Dimensionen – ökonomisch, sozial und ökologisch – nachhaltig gestaltet wird.“

Porträt von Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender AOK Baden-Württemberg

Johannes Bauernfeind

Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg

„Belastete Produktionsabwässer sind ein wichtiger Grund für die Entstehung von Antibiotikaresistenzen, neben dem Risiko durch den massiven Einsatz von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin“, stellt Dr. Malgorzata Debiak, Leiterin des Fachgebiets Arzneimittel Nach der Definition des Arzneimittelgesetzes (AMG) sind Arzneimittel insbesondere Stoffe und… am Umweltbundesamt, klar. Das Umweltbundesamt begleitet die Studie wissenschaftlich und hat die AOK bei der vertraglich vereinbarten Festlegung der Maximalkonzentrationen beraten. „Die Ausbreitung von multiresistenten Mikroorganismen in der Umwelt hat Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Wenn sich multiresistente Keime im und über belastete Produktionsabwässer ausbreiten können, ist die Wirksamkeit von Antibiotika stark gefährdet“, so Dr. Debiak. Das hätte massive gesundheitliche, gesellschaftliche und finanzielle Auswirkungen. „Wir müssen weltweit die Produktionsbedingungen im Blick haben, denn antibiotikaresistente Keime können sich in kurzer Zeit global ausbreiten und lassen sich nicht von Landesgrenzen aufhalten.“

Massive Schwellenwertüberschreitungen im Produktionsabwasser

Die Einhaltung wird durch die Entnahme und Analyse von Proben bei den Wirkstoffherstellern vor Ort durch Expertinnen und Experten des IWW vorgenommen. Im Auftrag der AOK-Gemeinschaft wurden bis heute an zehn Standorten in Indien und Europa Messungen durchgeführt und Wasserproben auf die im Abwasser enthaltenen Antibiotika-Konzentrationen geprüft. Zudem wurden Gewässerproben der durch die Produktionsstätten beeinflussten Umwelt auf Antibiotika untersucht.

„An 40 Prozent der untersuchten Produktionsstätten konnten wir zum Teil massive Überschreitungen der vertraglich zugesicherten maximalen Wirkstoffkonzentrationen im Produktionsabwasser oder in der angrenzenden Umwelt feststellen“, beschreibt Dr. Tim aus der Beek, Bereichsleiter Wasserressourcen-Management am IWW, die Messergebnisse. Die höchste Überschreitung innerhalb der Produktionsanlagen konnte beim Antibiotikum Ciprofloxacin festgestellt werden. „Bei Ciprofloxacin haben wir eine Abwasserkonzentration, die den vertraglich vereinbarten Schwellenwert um 11.000 Prozent überschreitet. Auch andere Schwellenwertüberschreitungen lagen in Größenordnungen von mehreren tausend Prozent."

Besonders gravierend sei das Problem in der durch Produktionsanlagen beeinflussten Umwelt aufgetreten. „Wir fanden besorgniserregende Konzentrationen in der Umwelt, die schädliche Effekte im Ökosystem und vermehrte Resistenzbildungen erwarten lassen“, so Dr. aus der Beek. Die höchste Überschreitung wurde einem Gewässer in Indien entnommen. „Die gemessene Gewässerkonzentration des Antibiotikums Azithromycin übersteigt den ökotoxikologisch relevanten Schwellenwert um mindestens 1.600.000 Prozent. Dieses Ergebnis ist sehr besorgniserregend“, merkt der Wasserexperte an. Das Problem trete allerdings nicht nur in Indien auf, stellt Dr. aus der Beek klar: „Von den beprobten Gewässern entstammt die Umweltprobe mit den meisten gemessenen Antibiotikafunden einem europäischen Bach.“

Die Pilotstudie zeige gleichzeitig aber auch positive Effekte. „Durch unseren intensiven Dialog vor Ort und den direkten Zugang zu den Produktionsanlagen konnten wir bei den Wirkstoffherstellern das Wissen über die umweltkritischen sowie gesundheitsgefährdenden Auswirkungen der Produktion nachweislich erweitern“, betont Dr. aus der Beek. „Die Sensibilisierung bewirkt bereits lokale Verbesserungen im Umgang mit Antibiotika und den Produktionsabwässern. Wir konnten mit der Vergrößerung der Abwasseraufbereitung und der Optimierung der Lagerung bei einzelnen Produktionsstätten sogar nachhaltige Veränderungen durch die pharmazeutischen Unternehmen anstoßen“, hebt auch Bauernfeind hervor.

Politischer Handlungsbedarf

Insgesamt zeige die Pilotstudie laut Johannes Bauernfeind einen dringenden Handlungsbedarf: „Die Ergebnisse bestätigen eine enorme Belastung der Produktionsabwässer und umliegender Gewässer mit antibiotischen Wirkstoffen. Das Problem reicht dabei weit über die Möglichkeiten der Gestaltung von Arzneimittelrabattverträgen hinaus und erfordert politische Maßnahmen auf europäischer Ebene.“ Die politischen Handlungsempfehlungen haben die AOK Baden-Württemberg, das IWW und das Umweltbundesamt in einem Policy Paper zusammengefasst. Nach Ansicht der Projektpartner benötigt es Änderungen im EU-Arzneimittelrecht, um das Problem der antimikrobiellen Resistenzen bei der Wurzel zu packen. „Notwendig sind verbindliche Umweltkriterien für die Zulassung Die Berechtigung, zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Leistungen zu erbringen, setzt… und laufende Produktion ausgewählter Arzneimittel, insbesondere Antibiotika, sowie einheitliche Kontrollsysteme zu deren Einhaltung“, fordert Bauernfeind.

Eine nachhaltige Arzneimittelversorgung für eine gesunde Gesellschaft - Jetzt handeln und die gesetzlichen Rahmenbedingungen sicherstellen

Policy Paper zur Arzneimittelversorgung auf der Grundlage einer Pilotstudie der AOK Baden-Württemberg, des IWW Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wasserforschung sowie des Umweltbundesamts

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Kurzportraits der Referenten

Johannes Bauernfeind
Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg

Nach dem Studium in Heidelberg und Mannheim und dem Abschluss zum Diplom-Volkswirt begann Johannes Bauernfeind seine Karriere 1995 bei der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft in Stuttgart.

1996 wechselte er zur AOK Baden-Württemberg. Hier war er zunächst im damaligen Referat „Krankenhäuser“ der Hauptverwaltung tätig, dessen Leitung er im Herbst 2000 übernahm. Von 2005 bis 2008 führte Johannes Bauernfeind den Fachbereich „Akut-Versorgung“, bevor er ab 2009 als Leiter den Fachbereich „Versorgungs-Controlling und Analytik“ aufbaute. Vor seinem Wechsel in den Vorstand, war Johannes Bauernfeind seit 2014 Geschäftsführer der AOK-Bezirksdirektion Neckar-Fils und kennt damit sowohl die strategischen als auch die operativen Notwendigkeiten und Herausforderungen des Unternehmens. Seit Januar 2020 führt Johannes Bauernfeind die AOK Baden-Württemberg als Vorstandsvorsitzender.

Dr. Tim aus der Beek
Bereichsleiter Wasserressourcen-Management, IWW Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasserforschung

Tim aus der Beek hat Hydrologie in Freiburg im Breisgau und in Vancouver, Kanada studiert und seinen Doktortitel zum Thema Wasserressourcen-Management von der Universität Heidelberg erhalten.

Seit 2012 ist Tim aus der Beek am IWW Rheinisch-Westfälischen Institut für Wasserforschung in Mülheim an der Ruhr als Wissenschaftler und Berater angestellt und leitet seit 2019 den Bereich „Wasserressourcen-Management“. Seine aktuellen Forschungsfragen behandeln unter anderem Eintrag und Verhalten von Arzneimitteln, Industriechemikalien und anderen Schadstoffen in der aquatischen Umwelt sowie Minderungsmaßnahmen. Er hat mehr als 40 Fachpublikationen veröffentlicht und war Mitglied des nationalen Wasserdialogs.

Dr. Malgorzata Debiak
Leiterin Fachgebiet IV 2.2 Arzneimittel, Umweltbundesamt

Nach dem Biologiestudium an der Jagiellonen-Universität in Krakau promovierte Malgorzata Debiak am Institut für Toxikologie der Universität Mainz. Nach ihrer Promotionsprüfung im Jahre 2006 am Fachbereich Biologie der Universität Mainz, absolvierte sie ihren Postdoc-Aufenthalt am Lehrstuhl für Molekulare Toxikologie der Universität Konstanz. 

Von 2012 bis 2020 arbeitet sie als Toxikologin für die Risikobewertung von Bioziden und Umweltchemikalien am Bundesinstitut für Risikobewertung und am Umweltbundesamt. 2020 übernahm Dr. Malgorzata Debiak die Leitung des Sachgebiets „Umweltbezogene Bevölkerungsstudien“ am Umweltbundesamt, wo sie an der Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit beteiligt war, bevor sie 2021 Leiterin des Fachgebiets IV 2.2 Arzneimitteln wurde. 

Hinweise für die Redaktionen:

Die AOK-Gemeinschaft ist Vorreiter der europaweiten Ausschreibung der Arzneimittelrabattverträge für Generika sind Nachahmerprodukte, die nach Ablauf des Patentschutzes für ein Originalpräparat auf den Markt… . Generika sind sogenannte Nachahmerprodukte, die nach Auslaufen des Patentschutzes für das Originalpräparat auch von anderen Pharmaunternehmen hergestellt werden dürfen. Die Apotheken sind gesetzlich verpflichtet, bei austauschbaren Arzneimitteln bevorzugt entsprechende Vertragsprodukte der jeweiligen Krankenkasse abzugeben. Von Anfang an spielte bei der Vergabe der AOK-Rabattverträge Seit Inkrafttreten des Beitragssatzsicherungsgesetzes 2003 und erweitert durch das… nicht nur der Preis eine Rolle, sondern auch die Liefer- und Versorgungssicherheit. Zusätzlich werden bei Vergabeverfahren der AOKs neben einer hohen Versorgungssicherheit auch Arbeits- und Umweltschutzstandards im Bereich der Arzneimittelproduktion berücksichtig.

15 passende Downloads

  • Pressemeldung vom 10.11.2023

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  • Policy Paper Arzneimittelversorgung

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  • Kurzportraits der Referenten

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  • Dr. Tim aus der Beek

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  • Dr. Malgorzata Debiak

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  • Loch an der Mauer einer Wirkstoffproduktionsanlage

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  • Abfluss einer Produktionsanlage

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  • Regenwasserablauf einer Produktionsanlage

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  • Versiegter Regenwasserablauf einer Produktionsanlage

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  • Menschen fischen in verschmutzten Gewässern

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  • Prüfer nimmt Produktionswasserprobe

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  • Entnahme einer Umweltwasserprobe

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  • IWW-Prüferin entnimmt Wasserprobe

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