Prävention von Orientierungsproblemen nach einer Operation
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Ältere Menschen sind besonders oft betroffen
Ein Delir ist ein plötzlich beginnender Verwirrtheitszustand, früher auch „Durchgangssyndrom“ genannt. Dieser akute Verwirrtheitszustand tritt oftmals bei älteren Patientinnen und Patienten auf, wenn diese aus einer Narkose erwachen. Ein Delir entwickelt sich häufig bei Menschen mit Demenz und es kann eine chronische Demenz überlagern. Es ist aber nicht das gleiche medizinische Syndrom.
Ein Delir ist im Gegensatz zur Demenz nicht von Dauer und hält meist nur wenige Stunden bis Tage an, in seltenen Fällen auch Monate. Es ist eine akute Funktionsstörung des Gehirns, die inzwischen als psychiatrischer Notfall anerkannt ist. Die Aufmerksamkeit und das Denken sind dabei beeinträchtigt und es kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen nach sich ziehen.
Je länger das Delir anhält, desto höher ist das Risiko, dass die Betroffenen langfristige Folgen, wie beispielsweise Gedächtnisstörungen, zurückbehalten. Viele Betroffene können sich nicht mehr selbstständig versorgen und werden sogar dauerhaft pflegebedürftig.
Auf lange Sicht erhöht ein Delir auch die Wahrscheinlichkeit, an einer Demenz zu erkranken. Ebenso erhöht es die Erkrankungs- und Sterbewahrscheinlichkeit – etwa durch Stürze, eine mangelhafte Kooperation bei Behandlungen oder durch längere Verweildauern im Krankenhaus.
Das Problem: Das postoperative Delir wird in Krankenhäusern viel zu selten erkannt.
Risikofaktoren kennen und rechtzeitig handeln
Das Delir ist kein seltenes Krankheitsbild, denn Menschen werden heute älter und unterziehen sich intensiveren Behandlungen, auch im Krankenhaus.
Für das Delir gibt es neben dem höheren Lebensalter oder einer bereits bestehenden Demenz noch zahlreiche weitere Risikofaktoren. Dazu zählen andere Erkrankungen des zentralen Nervensystems wie Morbus Parkinson oder Schlaganfall, ebenso Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes.
Aber auch Schmerzen, ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus oder ein schlechtes Hör- und Sehvermögen begünstigen ein Delir. Menschen, die an einem Mangel an Vitaminen, Mineralstoffen, Flüssigkeit oder Sauerstoff leiden, sind ebenfalls gefährdet. Zugleich erhöht die Einnahme bestimmter Medikamente sowie mehrerer verschiedener Arzneimittel, aber auch der Konsum von Alkohol oder anderer Drogen das Risiko.
Um ein Delir zu verhindern, ist es auch wichtig, diejenigen Risikofaktoren zu reduzieren, die während eines Krankenhausaufenthaltes dazu beitragen können, dass sich die Erkrankung entwickelt. Dazu gehören beispielsweise der mehrfache Wechsel der Station sowie der betreuenden Personen, ein hoher Lärmpegel, Infektionen, die Gabe bestimmter Medikamente sowie schlecht eingestellte Schmerzen.
Ein starkes Signal für die Versorgung
Die AOK Niedersachsen hatte mit dem Elisabeth-Krankenhaus Thuine 2020 bis 2023 den bundesweit ersten Qualitätsvertrag zum Thema Delirprävention umgesetzt. Hierfür wurde ein neuer Versorgungsansatz entwickelt, um das Auftreten des Delirs besonders bei älteren Menschen während eines Klinikaufenthalts zu vermeiden.
Fast 300 Patientinnen und Patienten haben das Angebot zur Teilnahme an dem Versorgungskonzept bis zum Ende des Qualitätsvertrages genutzt.
Die positiven Erfahrungen des Projektes machen nun Schule: Inzwischen hat die AOK Niedersachsen mit fünf weiteren niedersächsischen Kliniken Qualitätsverträge geschlossen. Diese profitieren auf Basis der Erfahrungen von einem erfolgreichen Behandlungskonzept.
Bei den Kliniken handelt es sich um:
- das Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig,
- das St. Bernward Krankenhaus in Hildesheim,
- das Bonifatius Hospital in Lingen,
- das Pius-Hospital in Oldenburg sowie
- das Johanniter-Krankenhaus in Gronau.
Das Ziel ist die Verbesserung der Versorgung von älteren Menschen, die ein erhöhtes Delirrisiko haben. Die Kooperation zwischen der AOK Niedersachsen und den fünf Kliniken dient der Erprobung, inwieweit sich mit Anreizen höherwertige Qualitätsanforderungen erreichen lassen.
Das Maßnahmenpaket, das in den nächsten Jahren zum Einsatz kommt, soll das Risiko für ein postoperatives Delir verhindern oder zumindest verringern:
- eine kurze Testung der Gedächtnisleistung vor und nach der Operation,
- ein Medikamentenmanagement, um Wechselwirkungen auszuschließen,
- gezielte Re-Orientierungsmaßnahmen, zum Beispiel mithilfe von Kalenderuhren im Krankenzimmer,
- eine frühe Mobilisation durch Physiotherapie,
- zusätzliche delirspezifische Leistungen im pflegerischen und ärztlichen Bereich, Beratung der Patienten und der An- und Zugehörigen durch spezielle Delirbeauftragte,
- Fortbildungen für Weiterbehandelnde.
Welche Maßnahmen können Patientinnen und Patienten sowie Angehörige ergreifen, um ein Delir zu verhindern?
- Patientinnen bzw. Patienten sollten in Absprache mit dem medizinischen Personal im Krankenhaus auf eine ausreichende Flüssigkeits- und Kalorienzufuhr achten.
- Wenn Sie ein Hörgerät oder eine Brille nutzen, sollten diese richtig eingestellt sein und gut sitzen.
- Geben Sie im Krankenhaus im Vorfeld wichtige Gewohnheiten an, ebenso wie Hilfsmittel, die Ihnen Sicherheit geben bzw. die Sie beruhigen. Nach Absprache können solche Gegenstände mit zur stationären Aufnahme genommen werden.
- Sorgen Sie für ausreichend Beschäftigungsmaterial – wie z. B. Bücher, Kreuzworträtsel oder Hörbücher.
- In Absprache mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten sollten Sie sich tagsüber so viel wie möglich bewegen.
- Besonders hilfreich sind auch regelmäßige Besuche von An- und Zugehörigen und Telefonate.
- Um die Patientin bzw. den Patienten zu unterstützen, können auch die An- und Zugehörigen zum Trinken und zur Bewegung animieren.
- Wenn An- und Zugehörige bei der operierten Person kognitive Veränderungen bemerken, sollten sie umgehend das Pflegepersonal im Krankenhaus informieren.
Wer kann an dem Projekt teilnehmen?
Teilnehmen können Versicherte der AOK Niedersachsen mit einem Mindestalter von 65 Jahren, bei denen ein Eingriff in einem der genannten Krankenhäuser (St. Bernward Krankenhaus, Hildesheim, Herzogin Elisabeth Hospital, Braunschweig, Bonifatius Hospital, Lingen, Pius-Hospital, Oldenburg und Johanniter-Krankenhaus in Gronau) bevorsteht.
Zu den Details der jeweiligen Teilnahmemodalitäten erhalten Sie nähere Informationen vom Krankenhaus bei der Aufnahme oder auch vorher.
Ihre Ansprechpersonen für das Projekt in den Kliniken:
St. Bernward Krankenhaus, Hildesheim
Markus Wächter
Telefon: 05121/90-1453
E-Mail: m.waechter@bernward-khs.de
Herzogin Elisabeth Hospital, Braunschweig
Aleksandra Pasek
Telefon: 05316994028
E-Mail: a.pasek@heh-bs.de
Bonifatius Hospital Lingen
Heino Brink
Telefon: 05919/101217
E-Mail: heino.brink@hospital-lingen.de
Pius-Hospital Oldenburg
Heike Kuhlen
Telefon: 0441 229-1222
E-Mail: heike.kuhlen@pius-hospital.de
Johanniter-Krankenhaus Gronau
Martin Ahrens
Telefon: 05182/583 7110
Ein starkes Signal
Evaluation
Bis Juni 2026 erhalten gefährdete Patientinnen und Patienten nun die verbesserte Behandlung. Im Anschluss wird das Vorhaben wissenschaftlich ausgewertet. Dabei ist ein „Vorher-Nachher“-Vergleich der besonderen Behandlung im Rahmen der vorliegenden Verträge vorgesehen.
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