Mobbing in Betrieben weiter stark verbreitet
Schikanieren, beleidigen, bloßstellen und ausgrenzen: Mobbing im Betrieb hat viele Gesichter. Trotz zunehmender Sensibilisierung der Gesellschaft steht es in deutschen Unternehmen weiter auf der Tagesordnung und macht Betroffene krank. Doch Firmen können dem Phänomen entgegenwirken.

Mobbing bedeutet, dass eine Person systematisch und über einen längeren Zeitraum regelrecht schikaniert, gedemütigt und seelisch verletzt wird. Die Betroffenen fühlen sich den Attacken meist wehr- und hilflos ausgesetzt. Mobbing kann von Teammitgliedern, aber auch Führungskräften oder anderen Personen im Arbeitsalltag ausgehen, zum Beispiel Kunden, Patienten oder Fahrgästen.
Mobbing-Ausmaß kaum verändert
Einer aktuellen Studie der Universität Leipzig im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zufolge sind 6,5 Prozent der abhängig Beschäftigten von Mobbing betroffen. 4,4 Prozent von ihnen erleben Mobbing durch Kollegen, 3,5 Prozent durch Vorgesetzte. Bei einem weiteren Anteil von 5,3 Prozent gehen die schikanierenden Handlungen von anderen Personen im Arbeitsumfeld aus. Der Erhebung liegt eine repräsentative Befragung von mehr als 5.000 Erwerbstätigen zugrunde.
Margrit Löbner, Professorin für Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig, verweist als Autorin darauf, dass Mobbing in der aktuellen Studie anders erfasst wurde als etwa beim Mobbing-Report der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin im Jahr 2002. Die Prävalenzwerte ließen sich daher nicht unmittelbar vergleichen. Anhand der Studienergebnisse lasse sich jedoch sagen, dass die Verbreitung von Mobbing „auf relativ stabilem Niveau geblieben ist“ – und dass, obwohl das Thema in der Öffentlichkeit und in der Betrieblichen Gesundheitsförderung eine viel höhere Aufmerksamkeit erfährt als in früheren Jahren.
Jeder Mobbing-Fall ist unterschiedlich
„Jeder Mobbing-Fall ist sehr individuell“, erläutert Löbner. Am häufigsten berichteten Mobbing-Opfer von absichtlichem Unterbrechen bei mündlichen Ausführungen oder Beiträgen (47,3 Prozent mindestens einmal pro Woche oder täglich/fast täglich) und von ausbleibenden Reaktionen bei Ansprachen (39,6 Prozent mindestens einmal pro Woche oder täglich/fast täglich). Nicht selten werden die Mobbing-Opfer für Probleme anderer oder des Betriebs verantwortlich gemacht (32,8 Prozent) oder es werden ihnen wichtige Einfluss- und Tätigkeitsbereiche weggenommen (16,1 Prozent). Gut zwölf Prozent der Betroffenen berichteten davon, dass sie in sozialen Medien, Mails oder Chats zu Unrecht kritisiert, schikaniert oder bloßgestellt werden.
„Mobbing am Arbeitsplatz bedeutet für die Betroffenen häufig eine erhebliche psychische Belastung.“
Professorin für Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig
Bestimmte Gruppen sind besonders betroffen
Die Leipziger Wissenschaftler fanden heraus, dass von Mobbing im Job vor allem jüngere Beschäftigte oder Auszubildende sowie Menschen mit Migrationshintergrund und Mitarbeitende aus niedrigeren Einkommensklassen betroffen sind. So waren 8,1 Prozent der Menschen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status Leidtragende, aber nur 3,6 Prozent der Menschen mit hohem Status.
Auswirkungen auf die Gesundheit
Wenn Beschäftigte permanent einem solchen Verhalten durch andere ausgesetzt sind, bleibt das in der Regel nicht ohne gesundheitliche Folgen. „Mobbing am Arbeitsplatz bedeutet für die Betroffenen häufig eine erhebliche psychische Belastung“, erläutert Löbner. „Im Vergleich zu nicht betroffenen Personen weisen sie vermehrt depressive und angstspezifische Symptome auf und berichten über ein höheres Stresserleben. Zudem schätzen sie ihren allgemeinen Gesundheitszustand schlechter ein.“
In der Leipziger Studie zeigte sich, dass die Anzahl der Krankentage mit 22,6 Tagen im vorangegangenen Jahr bei Betroffenen doppelt so hoch lag wie bei Nicht-Betroffenen. Dabei werden in der Fachwelt eine Vielzahl von Folgeerkrankungen mit Mobbing in Zusammenhang gebracht, zum Beispiel Anpassungsstörungen, Depressionen, Angsterkrankungen, Insomnie, das psychovegetative Syndrom, Posttraumatische Belastungsstörungen, auch Alkohol- und Suchtprobleme.
Die Ausfallzeiten wegen psychischer Erkrankungen sind ohnehin hoch, wie der Fehlzeiten-Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) im Herbst 2024 einmal mehr deutlich machte. Seit 2014 haben die AU-Tage in diesem Bereich um knapp 47 Prozent zugenommen. Im Durchschnitt handelt es sich mit 28,5 Tagen je Arbeitsunfähigkeitsfall im Jahr 2024 um besonders lange Krankschreibungen. Der Fehlzeiten-Report 2024 machte zugleich deutlich, dass Beschäftigte, die eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Unternehmen haben, zufriedener mit ihrer Arbeit sind und seltener am Arbeitsplatz fehlen.
Mobbing-Betroffene sind unzufrieden mit Job
Mobbing-Betroffene dagegen sind eher wenig zufrieden mit ihrem Job und betrachten ihn als weniger sinnvoll, wie die Leipziger Forscher herausfanden. Über die individuellen gesundheitlichen Auswirkungen hinaus belastet die Mobbing-Erfahrung häufig auch das private soziale Gefüge der Betroffenen stark. Nicht selten haben die Ausgrenzung und Schikanierung eines Mitarbeitenden negative Auswirkungen auf das gesamte Team. Die Sorge, selbst zum Opfer zu werden, kann Kolleginnen oder Kollegen abhalten, einzugreifen – vor allem dann, wenn Mobbing vom Chef ausgeht.
Begünstigt wird Mobbing den Experten zufolge durch defizitäre Führungsqualitäten des Vorgesetzten. Aber auch ein schlechtes Arbeitsklima, starker Zeit- und Leistungsdruck, Unklarheiten in Organisationsprozessen, wenig Autonomie der Mitarbeitenden und ein starkes Konkurrenzerleben fördern Mobbing. Arbeitsbereiche, in denen eine hohe Fluktuation und häufige Wechsel von Führungskräften auftreten, sind besonders gefährdet.
Firmen können Maßnahmen gegen Mobbing initiieren
Betriebe tun laut Löbner gut daran, die Mitarbeitenden für das Thema Mobbing zu sensibilisieren und Führungskräfte, Betriebs- und Personalräte durch Weiterbildungen und Trainings zu schulen. Außerdem rät sie zu einer Betriebsvereinbarung, „die klare Richtlinien für den Umgang mit Konflikten und Verdachtsfällen festlegt und so präventiv die Awareness im Betrieb stärkt und kollegiales Verhalten fördert“. Hilfreich seien darüber hinaus anonyme Anlaufstellen. Gerade Personal- und Betriebsräte könnten Ansprechpartner für gemobbte Kolleginnen und Kollegen sein und Gespräche mit der Betriebsleitung initiieren. Ein früher offener Austausch könne der erste Schritt sein, um Mobbing abzuwenden.
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