Artikel Pflege

Schutz für Seele und Herz

18.12.2023 Hilke Nissen 6 Min. Lesedauer

Die Arbeit in der Pflege strapaziert die Psyche. Das hat mitunter Folgen für die Herzgesundheit. Kliniken und Heime können das Krankheitsrisiko mithilfe einer Befragung aus dem Hause der AOK ermitteln – um rechtzeitig gegenzusteuern.

Foto einer erschöpften Pflegerin mit Maske, die sich in blauer Arbeitskleidung draußen an eine Wand lehnt
Völlig platt: Der Pflegeberuf verlangt den Beschäftigten viel ab.

Schwere körperliche Arbeit und ungünstige Arbeitsbedingungen wie Springerdienste und Schichtarbeit belasten das Herz-Kreislauf-System. Die Folgen spüren auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege. 2022 waren die Arbeitsunfähigkeits-Fälle aufgrund von Bluthochdruck dort um zwölf Prozent höher als in allen anderen Berufen.
 
Der tägliche Umgang mit Krankheit und Sterben beeinträchtigt zudem die psychische Gesundheit der Pflegekräfte. Psychische Erkrankungen, etwa im Zusammenhang mit Burnout traten in Pflegeberufen 2021 fast doppelt so häufig auf wie in anderen Berufsgruppen – Tendenz steigend. Das zeigt eine Auswertung der Arbeitsunfähigkeitsdaten von 682.000 AOK-versicherten Beschäftigten in Pflegeberufen.

Psychische Faktoren können den Blutdruck gefährlich ansteigen lassen und damit Herz-Kreislauf-Erkrankungen mitverursachen, warnt die Deutsche Herzstiftung. Deshalb ist es wichtig, die Psyche der Pflegepersonen dauerhaft in den Blick zu nehmen.

Gefährdungsbeurteilung gesetzlich vorgeschrieben

Der Gesetzgeber schreibt eine Gefährdungsbeurteilung vor, die auch psychische Risiken berücksichtigt. Auf dieser Basis können Arbeitgeber rechtzeitig mit Präventionsangeboten gegensteuern. Das ist besonders wichtig in der angespannten Personalsituation in der Pflege. Denn weniger Ausfallzeiten und eine gesündere Arbeitsorganisation kommen dem Pflegepersonal und den zu Pflegenden zugute und erhöht die Qualität der Pflege.

Doch besonders kleine Unternehmen sind oft zeitlich und personell mit den komplexen Erhebungen einer Gefährdungsbeurteilung überfordert. Die AOK bietet seit kurzem eine praxisnahe validierte Befragung zu psychischen Belastungen in der Pflege an. Sie richtet sich an die Beschäftigten und ermöglicht eine psychische Gefährdungsbeurteilung. Das Erhebungsinstrument wurde in wissenschaftlicher Begleitung mit dem IGES Institut entwickelt und berücksichtigt die Unterschiede zwischen den Pflegebereichen wie Krankenhaus, stationäre und ambulante Pflege.

Vorteile der neuen Befragung für die Einrichtungen

  • einfach und praxisnah
  • dauert für den Befragten nur circa 25 Minuten
  • es können alle Berufsgruppen oder die Pflegepersonen spezifisch befragt werden
  • deckt alle Aspekte einer psychischen Gefährdungsbeurteilung ab
  • die alltagsnahe Sprache spricht alle Berufsgruppen in der Einrichtung an
  • Aktualität: Themen zu Digitalisierung, Burnout oder alternsgerechtes Arbeiten werden abgefragt
  • modularer Aufbau: Eine knappe oder ausführliche Befragung mit mehreren Themenmodulen ist je nach Bedarf möglich

Praxisnahe Mitarbeitenden-Befragung für die Pflegebranche

Die neue Befragung ist nach einem Baukastenprinzip aufgebaut – für jede Pflegebranche gibt es einen Basisfragebogen, der um weitere Module ergänzt werden kann. „Ausgangspunkt für die Entwicklung des Fragebogens waren die Belastungen, die aus den Vorgaben der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) bei einer fachgerechten Gefährdungsbeurteilung hervorgehen. Wir haben Fragen zu weiteren Belastungen ergänzt und für die Pflege justiert“, erklärt Kai-Michael Kleinlercher, Projektleiter im Bereich Arbeitswelt und Prävention des IGES Instituts.
 
Die Basisbefragung dauert nur etwa 25 Minuten und kann für alle Mitarbeitenden einer Einrichtung, unabhängig von Tätigkeitsbereichen eingesetzt werden. Er enthält aber auch Fragen, die auf die Herausforderungen in der Pflege Bezug nehmen. „Besonders kleine Unternehmen profitieren von der einfachen Umsetzung im Betrieb“, sagt Werner Winter, Experte für Betriebliches Gesundheitsmanagement in der Pflege beim AOK-Bundesverband. 16 Zusatzbefragungen bieten vertiefte Einblicke in weitere Aspekte wie Burnout, Suchtgefährdung oder Arbeitszufriedenheit. Sie können nach Bedarf ergänzt werden. Aus den Antworten lassen sich passende Maßnahmen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung ableiten. Einzelne Module, eingesetzt als „Blitzbefragung“, liefern kurzfristig ein Stimmungsbild.

Was ist eine Gefährdungsbeurteilung?

Seit 1996 verpflichtet das Arbeitsschutzgesetz alle Arbeitgeber zu einer Gefährdungsbeurteilung. Sie ist ein Verfahren zur systematischen Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen und Belastungen der Beschäftigten, die aus den Arbeitsbedingungen entstehen. In der Gefährdungsbeurteilung werden Risiken ermittelt und Schutzmaßnahmen festgelegt, deren Umsetzung und Wirksamkeit kontrolliert werden. Dieses Verfahren ist ein kontinuierlicher Prozess zur Verbesserung der Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz.

Die psychische Gefährdungsbeurteilung ist Teil einer allgemeinen Gefährdungsbeurteilung. Je nach Art, Intensität und Dauer kann psychische Belastung bei der Arbeit gesundheitsbeeinträchtigende Folgen haben. Beispiele für psychische Belastungen am Arbeitsplatz sind laut Leitfaden der Gemeinsamen Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA): kleine Tätigkeitsspielräume, destruktives Führungsverhalten, überlange Arbeitszeiten oder Zeit- und Leistungsdruck.

Quelle: Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie: Arbeitsschutz in der Praxis. Berücksichtigung psychischer Belastung in der Gefährdungsbeurteilung

AOK-Fachkräfte bringen Erfahrungen ein

Das neue Befragungstool zu psychischen Belastungen steht Kliniken und Heimen ab sofort zur Verfügung. „Geschulte BGF-Beratende begleiten den gesamten Prozess in den Einrichtungen“, erläutert AOK-Experte Winter. „Um eine hohe Beteiligungsquote zu erreichen, ist von Beginn an eine transparente Kommunikation den Beschäftigten gegenüber wichtig. Je mehr Beschäftigte sich beteiligen, desto aussagekräftiger sind die Befragungsergebnisse“, ergänzt Kleinlercher. Schon bei der Vorbereitung der Befragung und dann bei der Interpretation der Daten bringen AOK-Fachkräfte ihre umfangreichen Erfahrungen ein. So können aus den Ergebnissen Gefährdungen herausgearbeitet und passende Maßnahmen verabredet werden. „Ich sehe hier große Chancen für eine nachhaltige Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege, für gesündere Arbeitsplätze in Krankenhäusern, Altenheimen und ambulanten Diensten“, so Winter.

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