Rundruf Versorgung

Wie zu mehr Nachwuchs für Hausärzte?

19.02.2024 Tina Stähler 5 Min. Lesedauer

Viele Hausärzte suchen altersbedingt einen Nachfolger – vergeblich. Wie lässt sich Abhilfe schaffen, um die hausärztliche Versorgung künftig sicherzustellen?

Foto: Ein älterer Mann läuft neben einem jüngeren Mann, beide Mediziner mit einem weißen Kittel.

Masterplan Medizinstudium 2020 umsetzen

Foto: Porträt von Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes.
Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes

Die Stabilität unseres Gesundheitssystems ist im Wesentlichen abhängig von einer funktionierenden hausärztlichen Versorgung. Um diese auch künftig sicherzustellen, müssen sich dringend mehr Studierende für eine Laufbahn in der Hausarztpraxis entscheiden. Dafür reicht es längst nicht mehr, nur an einzelnen Zahnrädchen zu drehen. Der Masterplan Medizinstudium 2020 muss endlich umgesetzt werden, sodass die Allgemeinmedizin mehr ins Blickfeld der Studierenden kommt.

Das zweite Stellwerk kann nur die finanzielle wie strukturelle Reform der hausärztlichen Versorgung sein. Solange wegen des enormen Kostendrucks kaum Investitionen in Praxis und Personal fließen können und die Praxen von Patientenströmen überrannt werden, weil das System, das viel zu selten hausarztzentriert ist, nicht gegensteuert, muss sich keiner wundern, dass es nicht genügend Nachwuchs für die Praxen gibt. Diese Aufwertung sind Politik und Selbstverwaltung der aktuellen wie der künftigen Hausärztegeneration mehr als schuldig.

Mischung aus vielen Instrumenten

Foto: Porträt von Judith Gerlach, Bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention
Judith Gerlach, Bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention

Es gibt kein Patentrezept – die Antwort dürfte in einer Mischung aus vielen Instrumenten liegen. Wir fördern die Versorgungsstrukturen in Bayern schon erfolgreich mit der Landarztprämie, die Niederlassungen von Hausärzten im ländlichen Raum mit bis zu 60.000 Euro unterstützt. Seit 2020 werden mit der Landarztquote zudem bis zu 5,8 Prozent aller an bayerischen Fakultäten pro Jahr zur Verfügung stehenden Medizinstudienplätze vorab für Bewerber vergeben, die sich verpflichten, nach der Ausbildung zehn Jahre im ländlichen Raum zu arbeiten.

Generell wollen wir mehr jungen Menschen ein Medizinstudium ermöglichen. Es erscheint deshalb sinnvoll zu prüfen, den Numerus Clausus auszusetzen und wie bei der Landarztquote mehr auf Motivation und Vorerfahrung zu schauen. Wir unterstützen auch Kommunen bei der Gründung von kommunalen medizinischen Versorgungszentren oder Fahrdiensten. Viel Potenzial sehe ich zudem bei der Telemedizin als ergänzenden Baustein, um die Versorgung zu stärken.

Reform des Medizinstudiums

Foto: Porträt von Prof. Dr. Markus Bleckwenn, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Universität Leipzig
Prof. Dr. Markus Bleckwenn, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Universität Leipzig

In erster Linie muss der Arbeitsplatz „Hausarztpraxis“ wieder attraktiver gestaltet werden. Eine 60-Stunden-Woche passt nicht mehr in die moderne Arbeitswelt. Um dem Wunsch nach kürzeren und flexiblen Arbeitszeiten nachkommen zu können, müssen die Arbeitsabläufe in der hausärztlichen Praxis angepasst werden. Zukünftig müssen wir mit einem kleineren Behandlerteam mehr Patientinnen und Patienten behandeln. Dies erfordert neue Behandlungsrichtlinien, Integration von neuen Technologien und ein multiprofessionelles gut qualifiziertes Team zur sektorenübergreifenden Versorgung. Ob mehr Studienplätze, Prämien für Studierende oder Modell-Zentren – letztendlich sind solche Ansätze gut und zielführend.

Zudem benötigen wir eine Reform des Medizinstudiums. In der geplanten neuen Approbationsordnung hätten die Studierenden mindestens fünf Wochen Zeit, die ambulante Grundversorgung in den hausärztlichen Lehrpraxen kennenzulernen. Dies könnte zu mehr Verständnis und Wertschätzung für die Arbeit dort führen. 

Enormer Wandel in hausärztlicher Versorgung

Foto: Porträt von Petra Höft-Budde, Abteilungsleiterin Ambulante Versorgung im AOK-Bundesverband.
Petra Höft-Budde, Abteilungsleiterin Ambulante Versorgung im AOK-Bundesverband

Dass sich zu wenige angehende Ärztinnen und Ärzte für die Allgemeinmedizin entscheiden, hat viele Gründe und kann daher auch nicht nur mit einer Maßnahme behoben werden. Neben den sicherlich sinnvollen und bereits vielfach diskutierten Ansätzen wie beispielsweise eine inhaltliche und organisatorische Anpassung von Aus- und Weiterbildung wäre es wichtig, auch das Narrativ der hausärztlichen Versorgung zu ändern. In vielen Köpfen hat sich das Bild des 80 Stunden arbeitenden Einzelkämpfers, der auch nachts jederzeit für seine Patienten zur Verfügung stehen muss, festgesetzt.

Die hausärztliche Versorgung unterliegt jedoch einem enormen Wandel. Immer mehr Ärzte arbeiten im Team, angestellt, an verschiedenen Orten und lassen sich zum Beispiel von gut ausgebildeten nichtärztlichen Praxisassistentinnen und -assistenten (NäPA) unterstützen. Mit neuen Versorgungsansätzen wie beispielsweise breit aufgestellten Primärversorgungszentren kann die Allgemeinmedizin an Attraktivität zurückgewinnen. 

Eine junge Frau im Arztkittel packt in ihrem modernen Wohnzimmer Unterlagen in ihren Rucksack.
Die junge Generation an Medizinern setzt auf moderne Arbeitsbedingungen und möchte oftmals keine eigene Praxis mehr leiten, sondern lieber angestellt arbeiten. Kim Björn Becker, gesundheitspolitischer Redakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, zeigt in seinem Kommentar auf, dass es bei der Gewinnung von Arztnachwuchs nicht allein aufs Geld…
19.02.2024Kim Björn Becker3 Min

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