Artikel Prävention

Teillegalisierung von Cannabis: Was sich mit dem umstrittenen Gesetz ändert

22.03.2024 Thorsten Severin 5 Min. Lesedauer

Der Bundesrat hat nach dem Ja des Bundestags grünes Licht für die Teillegalisierung von Cannabis gegeben – nach jahrelanger kontroverser Debatte. Den Kritikern ist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Endspurt mit Zusagen entgegengekommen und konnte so die Anrufung des Vermittlungsausschusses abwenden. Was ändert sich mit dem neuen Gesetz, was ist sein Ziel und welche Kritik gibt es? Dazu Fragen und Antworten.

Foto: Hanfpflanzen
Anbau und Besitz von Cannabis für den Eigenkonsum sind für Volljährige künftig in einem bestimmten Rahmen erlaubt.

Was ist das Ziel des Gesetzes?

4,5 Millionen Menschen gaben bei einer Befragung im Jahr 2021 an, in den vorangegangenen zwölf Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert zu haben. Am häufigsten kommt die Droge in der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen zum Einsatz. Mit der nun beschlossenen kontrollierten Abgabe von Cannabis soll der florierende Schwarzmarkt zurückgedrängt werden. Es werde verhindert, dass weiter gesundheitsschädliche Substanzen mit Beimengungen und toxischen Konzentrationen verkauft würden, sagte Minister Lauterbach. Gemeint ist: Wer selbst Hanf anbauen darf, kauft keine gefährlichen Mischungen mehr beim Dealer. Cannabis soll so aus der Tabuzone geholt werden. Nur so könne es gelingen, glaubwürdig über Gefahren und Risiken des Cannabiskonsums aufzuklären, so Lauterbach. Unterstützung bekommt er vom Sucht- und Drogenbeauftragten Burkhard Blienert (SPD): „Gegen das Kiffen helfen Verbote nicht weiter, und die derzeitige Kriminalisierung der Menschen hat nichts mit Gesundheitsschutz zu tun.“

Wie sieht die geplante Teilfreigabe von Cannabis aus?

Anbau und Besitz von Cannabis für den Eigenkonsum sollen für Volljährige künftig erlaubt sein. Legal sind dann 25 Gramm im öffentlichen und 50 Gramm im privaten Raum. Der Eigenanbau muss vor dem Zugriff von Kindern, Jugendlichen und dritten Personen geschützt sein. Ab dem 1. Juli 2024 werden zudem sogenannte Anbauvereinigungen gestattet, deren Mitglieder Cannabis nicht-gewerblich anpflanzen. Die Vereine dürfen die Droge ausschließlich an Mitglieder weitergeben, wobei die Mitgliedschaft und das Alter streng geprüft werden müssen. Die Menge ist begrenzt auf 25 Gramm pro Tag und 50 Gramm pro Monat. Junge Erwachsene zwischen 18 und 21 Jahren erhalten maximal 30 Gramm pro Monat mit maximal zehn Prozent THC-Gehalt. Für Cannabis und die Anbauvereinigungen gelten ein Werbe- und Sponsoringverbot.

Vorgesehen ist im Gesetz, dass rechtskräftige und bisher nicht vollständig vollstreckte Strafen für Delikte, die vom 1. April 2024 an nicht mehr strafbar sind, erlassen werden. Lauterbach hält diese Amnestie aus Gerechtigkeitsgründen für dringend geboten.

Welche Regelungen gibt es zum Schutz von Kindern und Jugendlichen?

Für Personen unter 18 Jahren bleibt die Droge tabu. Auch ist der Konsum von Cannabis in unmittelbarer Gegenwart von Minderjährigen verboten. Ebenso ist er in Sichtweite von 100 Metern vor Schulen, Kinderspielplätzen, Kinder- und Jugendeinrichtungen und öffentlich zugänglichen Sportstätten untersagt. Das Verbot gilt zudem in Fußgängerzonen in der Zeit von sieben bis 20 Uhr sowie in den Anbauvereinen und in 100-Meter-Sichtweite dieser Vereinigungen. Interventions- und Präventionsprogramme sollen ausgebaut werden. Die Auswirkungen des Gesetzes auf den Kinder- und Jugendschutz werden evaluiert – erstmals nach 18 Monaten. Die Mittel zur Cannabisprävention sollen 2024 um sechs Millionen Euro angehoben werden. Lauterbach sagte kurz vor den Beratungen der Länderkammer zu, dass diese Summe in den Folgejahren fortgeschrieben werde. Zudem würden weitere 1,5 Millionen Euro für „Lebenskompetenzprogramme“ zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus fördert der Bund bis 2027 mit 20 Millionen Euro die Errichtung des innovativen Zentrums für Präventionsarbeit „Welt der Versuchungen“. Außerdem sichert der Bund die Entwicklung eines Mustercurriculums zur Schulung von Präventionsbeauftragten der Anbauvereinigungen zu.

Welche Strafen drohen bei Verstößen?

Für die vorsätzliche gewerbliche Abgabe oder die Überlassung von Cannabis und anderen Betäubungsmitteln an Kinder und Jugendliche gelten höhere Strafen. Der Mindestrahmen liegt jetzt bei zwei Jahren Freiheitsstrafe statt vorher einem Jahr. Ebenfalls mindestens zwei Jahre Gefängnis drohen für den bandenmäßigen Anbau, die bandenmäßige Herstellung, Einfuhr oder Ausfuhr von Cannabis.

Wie soll organisierte Kriminalität eingedämmt werden?

Der gemeinschaftliche Eigenanbau in einer Anbauvereinigung muss von den Behörden erlaubt werden. Bei einschlägigen Vorstrafen wie Geldwäsche oder Betrug wird keine Freigabe erteilt. Die Behörden können vor Ort die Einhaltung der Vorgaben des Gesundheits- und Jugendschutzes kontrollieren, Proben nehmen und einer Vereinigung Auflagen erteilen. Bei Verstößen kann die Erlaubnis entzogen werden. Per Protokollerklärung sichert Lauterbach den Ländern zu, dass die Kontrollen nicht wie geplant jährlich erfolgen müssen, sondern nur in „regelmäßigen“ Abständen. Die Cannabis-Clubs dürfen im Übrigen nicht gewinnbringend tätig sein. Verboten bleiben ebenfalls Im- und Export, Versand, Lieferung und Onlinehandel. Lauterbach will es den Anbauvereinen laut Protokollnotiz zudem untersagen, zusammen größere Anbauflächen am selben Ort zu bewirtschaften.

Welche Regelungen zum Medizinalcannabis sind vorgesehen?

Das Vergabeverfahren für den Anbau von Medizinalhanf wird abgeschafft und durch ein reines Erlaubnisverfahren ersetzt. Hürden für den marktgerechten Anbau in Deutschland sollen so verringert und Chancengleichheit für die deutschen Anbauer im internationalen Wettbewerb hergestellt werden. Medizinalcannabis soll in pharmazeutischer Qualität durch inländischen Anbau und Importe weiterhin verfügbar sein. Dazu ist laut Gesundheitsministerium ein eigenes Medizinalcannabis-Gesetz geplant.

Was sind die Hauptkritikpunkte am Cannabis-Gesetz?

Aus Sicht der Union als größte Oppositionsfraktion im Bundestag ist völlig unklar, wie mit dem Gesetz der Jugendschutz sichergestellt werden soll. Die Neuregelung sei eine „Steilvorlage für Dealer“ und ein „Konjunkturprogramm für die organisierte Kriminalität“. Auch andere Kritiker betonten, Schwarzhändler würden weiter aktiv bleiben. Die Ärzteschaft ebenso wie Fachverbände aus dem Gesundheitswesen, der Pädagogik, der Justiz und dem Sicherheitsbereich warnten vor der Freigabe. Es werde eine Droge verharmlost, die abhängig mache und zu schweren Entwicklungsschäden führen könne – gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Justiz fürchtet zudem durch die rückwirkende Amnestie von Delikten, die künftig erlaubt sind, eine massive Überlastung.

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