Interview Pflege

„Der Bund muss die Pflege mitfinanzieren“

18.04.2024 Thorsten Severin 4 Min. Lesedauer

Eine neue Pflegereform wirft ihre Schatten voraus. Knut Lambertin, Vorsitzender des Verwaltungsrats der AOK Nordost (Versichertenseite), schildert, worauf es dabei ankommt.

Foto: Holzbuchstaben-Würfel liegen verteilt nebeneinander, darüber steht das Wort "Reform" aus Holzwürfeln gelegt.
Foto: Porträt von Knut Lambertin ist Vorsitzender des Verwaltungsrats der AOK Nordost (Versichertenseite)
Knut Lambertin ist Vorsitzender des Verwaltungsrats der AOK Nordost (Versichertenseite).

Herr Lambertin, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die Kompetenzen der Pflegekräfte per Gesetz erweitern, sodass sie unter anderem Hilfs- und Arzneimittel verschreiben können. Ist das aus Ihrer Sicht ein richtiger Weg?

Knut Lambertin: Es ist nachvollziehbar, wenn Pflegekräfte gemäß ihrer Qualifikation beispielsweise die Wundversorgung vornehmen, Salben oder Katheter verordnen dürfen. Europaweit arbeiten schon Fachkräfte mit Hochschulabschluss in der Pflege, doch erst wenige bei uns. Gerade für unsere Flächenländer im Nordosten wäre es wichtig, wenn Pflegekräfte in professionellen Teams die Ärztinnen und Ärzte entlasten könnten.

Bundesweit fehlen Schätzungen zufolge rund 17.000 Pflegefachkräfte. Die Wiederbesetzung einer Stelle dauert im Schnitt 210 Tage. Hilft ein Gesetz gegen den Pflegenotstand?

Lambertin: Das glaube ich kaum, denn die akademische Ausbildung dauert mehrere Jahre. Laut einer Studie der Arbeitnehmerkammer Bremen, der Arbeitskammer im Saarland und des Instituts Arbeit und Technik könnten mindestens 300.000 Vollzeit-Pflegekräfte gewonnen werden, wenn sich die Arbeitsbedingungen im Pflegesektor verbessern. 80 Prozent davon wären Job-Rückkehrer. Bedingungen dafür sind eine ausreichende Personalausstattung, verlässliche Arbeitszeiten und eine leistungsgerechte Bezahlung für diese enorm anspruchsvolle Aufgabe.

Foto: Eine Frau in Pflegetracht schaut nachdenklich in die Leere.
Mehr Pflegepersonal lässt sich nur durch bessere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen finden, sagt ver.di-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler. Um das Ziel zu erreichen, sieht sie auch die Politik in der Pflicht.
18.04.2024Sylvia Bühler4 Min

Seit Anfang des Jahres zahlt der Bund keinen Zuschuss mehr zur Pflegeversicherung. In der Vergangenheit wurde das noch als notwendig erachtet. Sind die Pflegebeiträge denn kostendeckend?

Lambertin: Die soziale Pflegeversicherung muss die Kosten für mehr Fachkräfte abdecken und das tut sie derzeit nicht. Es ist unabdingbar, dass sich der Bund erneut mit einem verlässlichen und dynamisierten Zuschuss aus Steuermitteln an den Pflegekosten beteiligt. Keinesfalls darf er sich aus seiner zugesagten Rolle als Mitfinanzierer der sozialen Pflegeversicherung stehlen. Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

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