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EU-Ticker März 2024

27.03.2024 AOK-Bundesverband 5 Min. Lesedauer

EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides muss deutliche Einbußen bei ihrem Hauptetat hinnehmen. Außerdem: Die EU-Kommission will die Krebsprävention stärken.

Drei Europa-Fahnen am Mast wehen im Wind vor blauem Himmel, eine davon im Anschnitt
Foto: Europa-Fahnen im Wind

EU-Gesundheitsetat schrumpft um eine Milliarde Euro

EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides muss deutliche Einbußen bei ihrem Hauptetat hinnehmen. Im Ausschuss des Europaparlamentes für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) bestätigte sie am 11. März, dass eine Kürzung des EU4Health-Programms um eine Milliarde Euro vorgesehen sei – bei einem Gesamtbudget von rund 5,3 Milliarden Euro ein Minus von mehr als 20 Prozent. Die Mittelstreichung geht zurück auf einen Beschluss der Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel am 1. Februar. Danach müssen zur Finanzierung von Hilfen für die Ukraine rund 10,6 Milliarden aus anderen EU-Programmen abgezogen werden.

Deshalb müssten „einige schwierige politische Entscheidungen“ getroffen werden, sagte Kyriakides. Wo genau gespart werden müsse, ließ die Kommissarin allerdings offen. Sie wolle „den Initiativen Vorrang einräumen, die sich mit unmittelbaren gesundheitlichen Problemen befassen“. Das Arbeitsprogramm EU4Health im laufenden Jahr bleibe jedoch noch unverändert, erläuterte Kyriakides. Die Europaparlamentarier äußerten die Befürchtung, dass das geschrumpfte Budget anstehende Gesundheitsprojekte beeinträchtigen könne, darunter die endgültige Umsetzung der Medizinprodukteverordnung, die Bewertung von neuen Arzneimittel Nach der Definition des Arzneimittelgesetzes (AMG) sind Arzneimittel insbesondere Stoffe und… , den Aufbau eines europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) oder die Reform des EU-Arzneimittelrechts.

Das EU4Health-Programm für die Jahre 2021 bis 2027 war von der EU-Kommission Mitte 2020 unter dem Eindruck der Covid-19-Pandemie auf den Weg gebracht worden. Ursprünglich hatte die Kommission dafür 9,4 Milliarden Euro veranschlagt, vom Rat aber bei den Haushaltsberatungen nur knapp die Hälfte dieser Summe bewilligt bekommen. Bei der Finanzierung von Projekten wie dem Europäischen Plan zur Krebsbekämpfung oder Maßnahmen zur Vermeidung psychischer Erkrankungen kann Kyriakides aber auch auf andere EU-Töpfe zugreifen, darunter vor allem „Horizon Europe“ und „Digital Europe“.

EU strebt höhere HPV- und Hepatitis-Impfraten an

Die EU-Kommission hat den Mitgliedstaaten einen Vorschlag für Empfehlungen des Rates zur Verbesserung der Krebsprävention übermittelt. Der nicht bindende Maßnahmenkatalog wird voraussichtlich am 21. Juni vom Rat für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz (EPSCO) beraten und formal angenommen. Dabei geht es um die konkrete Umsetzung des Europäischen Plans zur Krebsbekämpfung in den 27 EU-Ländern.

Der Vorschlag der Kommission betrifft vor allem die Vorbeugung und Verringerung des Krebsrisikos durch humane Papillomaviren (HPV) und Hepatitis-B-Viren (HBV). Bis 2030 soll eine HPV-Impfrate von 90 Prozent bei Mädchen und jungen Frauen erreicht werden. Auch deutlich mehr Jungen sollen geimpft werden. Zudem will die Kommission in allen EU-Staaten den Zugang zu HBV-Impfungen Aufgrund des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes sind Leistungen für bestimmte Schutzimpfungen seit dem… sicherstellen, um das Risiko von Leberkrebs zu verringern.

Nach Zahlen der Kommission erkranken im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) jährlich etwa 28.600 Frauen an Gebärmutterhalskrebs, 13.700 sterben daran.

Die HPV-Impfrate bei Mädchen liege in vielen EU-Ländern derzeit „deutlich unter 50 Prozent“. Für Jungen und junge Erwachsenen gebe es nur begrenzt Daten. Vorreiter mit einer Quote von über 90 Prozent sind nach jüngsten Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa (OECD) Island, Portugal und Norwegen. „In Deutschland liegen die HPV-Impfquoten für eine vollständige Impfserie bei 15-jährigen Mädchen derzeit bei 54 Prozent und bei Jungen bei 27 Prozent“, erläuterte die Europavertretung der deutschen Sozialversicherungen (DSV).

Die EU-Kommission schlägt unter anderem vor, kostenlose Impfungen anzubieten und dafür zu sorgen, dass die Impfung für die Zielgruppen leicht zugänglich ist. Zudem müssten alle Länder die Immunisierung gegen vermeidbare Erkrankungen in ihre nationalen Krebspläne aufnehmen. Wichtig seien mehr Aufklärungsarbeit sowie das Vorgehen gegen Falsch- und Desinformationen. Darüber hinaus empfiehlt die Kommission eine bessere Überwachung und Berichterstattung in Bezug auf die Durchimpfung. Auch für die HPV-Impfung von Jungen müsse ein konkretes Ziel festgelegt werden.

Die DSV-Europavertretung begrüßte die Initiative der Kommission. In Deutschland würden alle von der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlenen Impfungen von den Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… unterstützt und finanziert. Im Falle der HPV-Impfung gehe das auch über diese Empfehlungen hinaus. Zudem unterstützten die Sozialversicherungsträger insbesondere in Schulen und in der Arbeitswelt Projekte zur Information über Impfungen und Schutzmöglichkeiten.

Von-der-Leyen-Kommission zieht Bilanz

Zum Ende der Legislaturperiode hat die EU-Kommission eine Bilanz ihrer Tätigkeiten seit Amtsantritt am 1. Dezember 2019 vorgelegt. Geprägt war die Amtszeit der Von-der-Leyen-Kommission demnach zunächst von der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie und ihrer Folgen. Zu den Herausforderungen zählt die Bilanz zudem „den Umgang mit extremen Wetterereignissen im Zuge des Klimawandels, die Reaktion auf Russlands brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Bewältigung der schlimmsten Energiekrise seit Jahrzehnten“. Auf der Weltbühne habe „diese Kommission dazu beigetragen, dass die EU stärker und mutiger geworden ist und sich den aktuellen geopolitischen Herausforderungen stellt“.

Beim Rückblick auf die Pandemie-Bewältigung führt die Kommission unter anderem an, dass es gelungen sei, im Auftrag der Mitgliedstaaten rund 4,6 Milliarden Impfdosen zu sichern, „um unsere Bevölkerung zu schützen, aber auch, um die Impfstoffe mit Partnerländern zu teilen“. Mehr als 80 Prozent der Erwachsenen in der EU hätten mindestens die erste Impfung erhalten. Zudem sei es durch die schnelle Entwicklung des digitalen Covid-Zertifikates gelungen, die Freizügigkeit innerhalb der EU wiederherzustellen. Das Modell sei danach von 78 Ländern übernommen worden und erleichtere inzwischen weltweit Mobilität und Schutz vor Pandemien.

Die von der Kommission vorangetriebene Erweiterung ihrer Kompetenzen im Gesundheitsbereich, der gemäß den EU-Verträgen weiter im nationalen Zuständigkeitsbereich liegt, thematisiert der Tätigkeitsbericht nur am Rand. Der von Präsidentin Ursula von der Leyen und ihrer Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides (Zypern) forcierte Aufbau einer Gesundheitsunion findet lediglich eine knappe Erwähnung: „Mit Blick auf die Zukunft haben wir mit dem Aufbau einer Europäischen Gesundheitsunion begonnen, um gemeinsam für den Fall von Gesundheitskrisen vorzusorgen und reagieren zu können.“ So sorge die EU-Kommission dafür, „dass medizinisches Material verfügbar und erschwinglich ist und dass die Mitgliedstaaten für eine verbesserte Prävention Prävention bezeichnet gesundheitspolitische Strategien und Maßnahmen, die darauf abzielen,… , bessere Behandlung und Nachsorge bei allen Arten von Krankheiten zusammenarbeiten, insbesondere bei Krebs – dank des europäischen Plans zur Krebsbekämpfung“.

Einigung über Richtlinien zur Luftqualität

Die Verhandlungsdelegationen von Europaparlament, Rat und EU-Kommission haben Ende Februar die überarbeitete Luftqualitätsrichtlinie gebilligt. Die Einigung muss jetzt noch formal vom Parlament und vom Rat angenommen werden. Danach können die neuen Vorschriften in Kraft treten, die enger als bisher an die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angelehnt sind. Die EU-Vorgaben müssen innerhalb von zwei Jahren umgesetzt werden und betreffen zunächst den Zeitraum bis 2030. „Der jährliche Grenzwert des am häufigsten auftretenden Schadstoffs – Feinstaub (PM2,5) – wird um mehr als die Hälfte herabgesetzt“, erläuterte die Kommission. Darüber hinaus halte die Union am „Null-Schadstoff-Ziel“ bis 2050 fest. Dazu sollen die Luftqualitätsnormen regelmäßig überprüft und „im Einklang mit den jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen“ bewertet werden.

Laut Richtlinie entscheiden die nationalen und lokalen Behörden selbst über die einzelnen Maßnahmen, mit denen sie die neuen Luftqualitätsstandards erfüllen können. Zugleich müssen die EU-Vorgaben in den Bereichen Umwelt, Energie, Verkehr, Landwirtschaft sowie Forschung und Innovation die neuen Standards berücksichtigen und zum Erreichen beitragen. Die Neuregelung sieht nach Angaben der Kommission überdies vor, „dass Menschen, die aufgrund der Luftverschmutzung gesundheitliche Schäden erlitten haben, im Falle eines Verstoßes gegen die Luftqualitätsvorschriften der EU Anspruch auf Entschädigung haben“.

Mikroplastik im Wasser soll besser überwacht werden

Die EU-Kommission hat am 11. März neue Standards zum Messen von Mikroplastik sowie neue Vorgaben für das Verwenden von aufbereitetem Abwasser in der Landwirtschaft erlassen. Die neue, einheitliche Messmethodik solle die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, Informationen über die Existenz von Mikroplastik in ihrer Wasserversorgungskette zu sammeln, sagte EU-Umweltkommissar Virginius Sinkevičius. Dies werde den Vergleich und die Interpretation von Überwachungsergebnissen erleichtern. Derzeit gebe es innerhalb der EU eine Vielzahl unterschiedlicher Messmethoden. Die Regelungen zur Wiederverwendung von Wasser legen laut Kommission fest, „wie die nationalen Behörden Pläne zur Bewältigung von Risiken im Zusammenhang mit der Verwendung von Abwasser zur Bewässerung erstellen sollten“.