Kinder und Medikamente: Auf die Dosierung kommt es an

Ist das Kind krank und braucht Medikamente? Dann sollten Eltern nicht einfach eigene Tabletten halbiert oder geviertelt verabreichen oder Tropfen eben mal geringer dosieren. „Der Stoffwechsel und das Immunsystem arbeiten bei Kindern anders als bei Erwachsenen. Die Gefahr einer Fehldosierung ist daher sehr groß, wenn Arzneimittel für Erwachsene ohne Angabe eines speziellen Einnahmehinweises für Kinder verordnet werden“, sagt Tobias Lindner, Apotheker im AOK-Bundesverband. Eltern sollten deshalb immer in der Arztpraxis oder in der Apotheke fragen, bevor sie ihren Kindern Arzneimittel geben.

Foto: Eine Frau reicht einem kleinen Mädchen einen Löffel mit Medizin.

EU-Verordnung für Kinderarzneimittel

Um die Sicherheit der Medikamente für Kinder zu verbessern, gibt es bereits seit 2007 eine EU-Verordnung für Kinderarzneimittel.  Danach muss die Eignung eines neuen Medikaments auch für Kinder und Jugendliche durch Studien nachgewiesen werden. Spezielle Arzneimittel für Kinder gibt es beispielsweise im Bereich der Erkältungsmittel, zur Prophylaxe gegen Karies und gegen Rachitis. Diese Arzneimittel sind zum Teil extra gekennzeichnet, etwa durch einen großen Aufdruck: „Für Säuglinge“ oder „Für Schulkinder“.

Die meisten Medikamente sind für Erwachsene konzipiert

Doch ein grundsätzliches Problem bleibt, so Lindner: „Die meisten Arzneimittel sind für Erwachsene konzipiert und nicht speziell für Kinder geprüft und zugelassen. Diese werden also oft mit Medikamenten behandelt, die gar nicht ausreichend für sie getestet sind.“ Bei der Verordnung von Medikamenten bleibt dem Arzt oder der Ärztin daher oft nur der Griff zur Medizin für Erwachsene. Das gilt vor allem im Bereich der Schmerzmittel und bei der Behandlung von Krebserkrankungen. Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte passen die Dosierung von bereits auf dem Markt befindlichen Medikamenten meist auf der Grundlage von Erfahrungswerten an. Zudem erkennen Ärzte und Ärztinnen oder Apotheker und Apothekerinnen an der Konzentration des Wirkstoffs, ob er für Kleinkinder oder Heranwachsende geeignet ist.

Radio O-Ton von Tobias Lindner, Apotheker im AOK-Bundesverband

Dosierung, Zeitpunkt, Dauer sind wichtig

Doch nicht immer halten sich die Eltern an die verordnete Menge: Eine gemeinsame Studie der Uniklinik Erlangen und des Robert Koch-Instituts hat ergeben, dass in 10 bis 15 Prozent der Fälle Eltern ein Medikament in einer zu niedrigen Dosierung gaben – vermutlich in der Annahme, ihr Kind damit weniger zu schädigen. Hier besteht jedoch die Gefahr, dass durch die geringere Dosis die Wirkung des Medikaments ausbleibt.

Neben der richtigen Dosierung kommt es auch auf Häufigkeit, Zeitpunkt und Dauer der Einnahme an. Manche Medikamente müssen vor den Mahlzeiten genommen werden, um ihre Wirkung optimal zu entfalten, andere während oder nach dem Essen – am besten mit viel Wasser. Darüber gibt der Beipackzettel Auskunft. Bei Dosierungsangaben mit Löffeln ist darauf zu achten, ob Tee- oder Esslöffel gemeint sind. Das Standardmaß für Teelöffel ist normalerweise 5 Milliliter, für Esslöffel 15 Milliliter.  Bei Antibiotika ist es sehr wichtig, den vorgeschriebenen Zeitraum der Einnahme genau einzuhalten und nicht vorher abzubrechen, weil es dem Kind wieder besser geht. Denn werden Antibiotika zu häufig und zu niedrig dosiert gegeben, können sich Resistenzen bilden.

Vorsicht geboten ist auch bei ätherischen Stoffen wie Menthol, Pfefferminz- oder Eukalyptusöl in Salben oder Balsam: Sie können bei Babys oder älteren Kindern mit Asthma gefährliche Atemnot auslösen.

Tipps für die richtige Verabreichung

Einem Kind Medikamente zu verabreichen, ist nicht immer einfach. Vor allem kleine Kinder sind oft wenig einsichtig, machen den Mund nicht auf oder spucken die Arznei wieder aus. Da kann es helfen, das Medikament in Saft oder Tee zu geben oder unter ein Stück zerdrückte Banane zu mischen. „Damit Kindern die Medikamente besser verabreicht werden können, gibt es diese meist auch als Saft, Tropfen, Pulver oder Zäpfchen. Müssen es Tabletten oder Kapseln sein, sollten Eltern darauf achten, ob diese zerkleinert werden dürfen. Auch das Vermischen mit Lebensmitteln kann problematisch sein. Wer dazu Fragen hat, kann sich in der Apotheke beraten lassen“, empfiehlt Lindner.

Ohren- und Nasentropfen oder Zäpfchen sollten in der Hand erst kurz vorgewärmt werden, dann empfinden Kinder sie als weniger unangenehm. Oft kann man die Kleinen auch gut ablenken: Zäpfchen lassen sich besser verabreichen, wenn das Kind ein spannendes Spielzeug in der Hand hat oder die Lieblingspuppe die gleiche Behandlung bekommt. Auch eine kleine Belohnung kann helfen. Hat das Kind aus Versehen eine zu hohe Dosis bekommen, sollten Eltern in der Arztpraxis oder Apotheke fragen, was zu tun ist.  „Wurde eine Dosis vergessen oder hat das Kind das Medikament teilweise wieder ausgespuckt, sollten Eltern beim nächsten Mal auf keinen Fall die doppelte Menge geben“, so Apotheker Lindner weiter. „Verabreichen Sie das Medikament stattdessen einfach weiter nach Plan und sprechen Sie gegebenenfalls mit dem Arzt oder der Ärztin darüber.“

Medikamente nur nach ärztlicher Absprache geben

Generell ist es so, dass Kinder häufiger krank werden als Erwachsene, weil sich die Organe und das Immunsystem von Kindern noch entwickeln müssen. Ob immer Medikamente nötig sind, sollten Eltern im Einzelfall ärztlich klären lassen. Gerade Husten, Schnupfen, leichtes Fieber oder milder Durchfall können oft mit einfachen Hausmitteln behandelt werden. Meist klingen viele Krankheiten auch nach einer Weile von selbst ab. Medikamente sollten bei Kleinkindern jedenfalls immer nur auf ärztlichen Rat gegeben werden.