Pflegebegutachtung: Bewertung durch den Medizinischen Dienst

Inhalte im Überblick
Das ist eine Pflegebegutachtung
Wenn Sie einen Antrag auf Pflegeleistungen gestellt haben, beauftragt die AOK-Pflegekasse den Medizinischen Dienst (MD) mit einer Begutachtung. Diese soll klären, inwieweit Pflegebedürftigkeit vorliegt. Die Begutachtung wird nach einem einheitlichen Verfahren durchgeführt, das bundesweit gilt und sicherstellt, dass alle Antragstellenden gleichbehandelt werden. Das vom MD erstellte Gutachten ist entscheidend dafür, ob und in welcher Höhe Pflegeleistungen aus der Pflegeversicherung gewährt werden. Festgehalten im Gutachten wird:
- Welche Leistungen der Pflegeversicherung beantragt werden, zum Beispiel Pflegegeld, Sachleistungen oder vollstationäre Pflege.
- Wie selbstständig die pflegebedürftige Person ihren Alltag gestalten kann und wobei Hilfe benötigt wird.
- Welcher Bedarf an Hilfsmitteln wie zum Beispiel Gehhilfen, Rollatoren oder Toilettenstühlen besteht.
- Welche Maßnahmen zur Vorbeugung und Rehabilitation geeignet sein könnten, um die Pflegebedürftigkeit abzuwenden oder zu verbessern.
So bereiten Sie sich auf die Pflegebegutachtung vor
Auf die Pflegebegutachtung des MD können Sie sich im Vorfeld vorbereiten. Überlegen Sie, welche Schwierigkeiten im Alltag bestehen und wobei Hilfe notwendig ist. Notieren Sie sich diese Punkte. Zudem sollte eine Vertrauensperson oder die Person, die hauptsächlich pflegt, bei der Begutachtung mit anwesend sein. Im Fall einer gesetzlichen Betreuung informieren Sie den Betreuer oder die Betreuerin. Zusätzlich sollten Sie folgende Unterlagen bereithalten:
- Medikamente oder den Medikationsplan sowie genutzte Hilfsmittel, die täglich benötigt werden
- Arzt- und Krankenhausberichte der letzten zwölf Monate
- Die Pflegedokumentation, wenn bereits ein Pflegedienst zu Ihnen kommt
Ablauf einer Pflegebegutachtung
Die Begutachtung findet im Zuhause der pflegebedürftigen Person statt, um ein möglichst realistisches Bild der Pflegesituation zu erhalten. Der MD teilt Ihnen vorher rechtzeitig einen Termin dafür mit. Im Gespräch erfragt der Gutachter oder die Gutachterin, mit welchen Einschränkungen und pflegerischen Herausforderungen die pflegebedürftige Person zurechtkommen muss und was genau im Alltag Schwierigkeiten bereitet. Dabei werden sowohl grundlegende Tätigkeiten wie das Aufstehen aus dem Bett, Körperpflege oder Ankleiden angesprochen, als auch Fähigkeiten wie Orientierung und Organisation des Alltags, beispielsweise bei Freizeitaktivitäten oder Arztbesuchen. Hilfreich ist, wenn eine Person anwesend ist, die mit der Situation vertraut ist oder bereits pflegerisch unterstützt. Zusätzlich wird bei der Begutachtung auch ermittelt, welche Hilfsmittel oder andere Maßnahmen helfen können, um eine möglichst selbstständige Gestaltung des Alltags zu erreichen. Insgesamt kann die Begutachtung bis zu einer Stunde dauern.
Module der Pflegebegutachtung: Mit diesen Kriterien wird die Pflegebedürftigkeit geprüft
Die Einstufung in einen Pflegegrad richtet sich danach, wie selbstständig ein Mensch noch ist. Um das herauszufinden, stellt der MD im Rahmen der Pflegebegutachtung gezielte Fragen, um die Selbstständigkeit in verschiedenen Lebensbereichen zu überprüfen. Dies wird mithilfe der folgenden sechs Module ermittelt:
- Mobilität
Wie selbstständig ist die Person, kann sie allein im Bett die Position wechseln, sicher sitzen, sich innerhalb der Wohnung fortbewegen, Treppen steigen? - Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
Wie gut kann die Person sich im Alltag orientieren und daran teilnehmen, sich räumlich und zeitlich zurechtfinden, selbst Gespräche führen und Bedürfnisse mitteilen? - Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
Ist die Person nachts unruhig, ängstlich oder depressiv, wehrt sie sich gegen pflegerische Maßnahmen? - Selbstversorgung
Kann die Person sich noch allein waschen, ankleiden, essen und trinken, die Toilette benutzen? - Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
Kann die Person ärztlich angeordnete Maßnahmen selbstständig ausführen, Medikamente einnehmen, den Blutzuckerspiegel messen und bewerten oder Arztbesuche wahrnehmen? - Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakt
Ist die Person in der Lage, ihren Tagesablauf selbst zu gestalten, sich zu beschäftigen oder mit anderen Menschen in Kontakt zu treten?
Der Gutachter oder die Gutachterin muss einschätzen, wie selbstständig oder unselbstständig die pflegebedürftige Person in den verschiedenen Lebensbereichen ist, welche Fähigkeiten noch vorhanden sind und wie oft pflegerelevante Probleme auftreten. Abhängig vom Grad der Selbstständigkeit werden in jedem Modul zwischen 0 und 3, in manchen Fällen auch 6 Punkte vergeben. Dabei gilt: Je höher die Selbstständigkeit, desto weniger Punkte werden vergeben.
Ergebnis der Pflegebegutachtung: Punkte und Pflegegrade
Die Punkte der einzelnen Module werden zusammengezählt und nach einer festgelegten Methode gewichtet. Der Bereich Selbstversorgung wird zum Beispiel stärker gewichtet als der Bereich Mobilität. Am Ende ergibt sich eine Gesamtpunktzahl, aus der der Pflegegrad abgeleitet wird. Bis 12,5 Punkte wird kein Pflegegrad vergeben. Für Punkte darüber hinaus ergeben sich folgende Pflegegrade:
| Gesamtpunktzahl | Pflegebedarf | Pflegegrad |
|---|---|---|
| 12,5 bis unter 27 | geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten | Pflegegrad 1 |
| 27 bis unter 47,5 | erhebliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten | Pflegegrad 2 |
| 47,5 bis unter 70 | schwere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten | Pflegegrad 3 |
| 70 bis unter 90 | schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten | Pflegegrad 4 |
| 90 bis 100 | schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung | Pflegegrad 5 |
Sonderregelungen bei Pflegegraden
In bestimmten Fällen gelten bei der Einstufung in einen Pflegegrad besondere Regelungen, um den individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Diese betreffen insbesondere Menschen mit schwersten körperlichen Einschränkungen sowie Kinder, für die besondere Bewertungsmaßstäbe angewendet werden.
Keine Bewegungsfähigkeit der Arme und Beine
Pflegebegutachtung bei Kindern und Kleinkindern
Beschwerde über Begutachtung
Haben die pflegebedürftige Personen oder deren Angehörigen einen Grund zur Beschwerde über die Tätigkeit des Medizinischen Dienstes, können sie ihr Anliegen an die Ombudsperson des zuständigen Medizinischen Dienstes richten. Die Ombudsperson kümmert sich unabhängig um die Anliegen der Versicherten.
Wiederholungsbegutachtung nach Einstufung in den Pflegegrad
Eine Pflegebegutachtung wird durchgeführt, wenn Sie den Erstantrag gestellt haben. Erhöht sich mit der Zeit der Pflegebedarf, können Sie einen Antrag auf Höherstufung des Pflegegrads stellen. Die AOK-Pflegekasse beauftragt den MD dann mit einer erneuten Pflegebegutachtung. Bei einem Höherstufungsantrag kann die Pflegebegutachtung auch telefonisch stattfinden. Der MD informiert Sie darüber, wenn Sie den Terminvorschlag erhalten. Sie können dann entscheiden, ob die Begutachtung persönlich oder am Telefon durchgeführt wird. Bei einem Erstantrag, bei einem Widerspruch sowie bei der Begutachtung von Kindern ist die telefonische Pflegebegutachtung nicht möglich. Ebenso nicht, wenn eine unmittelbar vorangegangene Begutachtung das Ergebnis ergab, dass keine Pflegebedürftigkeit vorliegt.
So geht es nach der Begutachtung weiter
Der MD fasst die Ergebnisse und Empfehlungen zum Pflegegrad in einem Gutachten zusammen und sendet es an die AOK-Pflegekasse. Falls der MD ein Hilfsmittel empfiehlt, wird dies ebenfalls der Pflegekasse mitgeteilt – ein zusätzlicher Antrag ist hierfür nicht erforderlich. Anschließend erhalten Sie von der AOK-Pflegekasse den Bescheid über den Pflegegrad und das Gutachten.
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