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Alzheimer: Gesunder Lebensstil kann Risiko einer Erkrankung senken

19.09.2025 Claudia Schmid 3 Min. Lesedauer

Mit zunehmender Lebenserwartung steigt auch das Risiko, an Alzheimer oder einer anderen Form von Demenz zu erkranken – für eine alternde Gesellschaft eine große Herausforderung. Am 21. September, dem Welt-Alzheimertag, stehen das Krankheitsbild und die Situation der Betroffenen im Mittelpunkt. Welche Behandlungsmethoden es gibt und ob man einer Demenz vorbeugen kann, erläutert Dr. Astrid Maroß, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie beim AOK-Bundesverband.

Alter Mann schaut in die Ferne, seine Frau hat die Hand auf seiner Schulter. Der alte Mann hält diese Hand.
Die Alzheimer-Krankheit ist weitaus mehr als eine Gedächtnisstörung und bedroht die gesamte Identität und Funktionsfähigkeit eines Menschen.
Foto: Portrait von Dr. Astrid Maroß, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie beim AOK-Bundesverband
Dr. Astrid Maroß ist Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie beim AOK-Bundesverband.

Was ist eigentlich Demenz, Frau Dr. Maroß?

Dr. Astrid Maroß: Demenz bedeutet den zunehmenden Verlust geistiger Fähigkeiten, wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Orientierung, Sprache, Lern- und Reaktionsfähigkeit. Bei der Demenz vom Alzheimer-Typ sterben im Gehirn der Betroffenen mehr und mehr Nervenzellen ab und schädliche Proteine lagern sich im Gehirn ab. Die Ursache dafür ist bislang nicht bekannt, auch wenn schon viele beitragende Faktoren beschrieben wurden. So ist die Alzheimer-Krankheit weitaus mehr als eine Gedächtnisstörung und bedroht die gesamte Identität und Funktionsfähigkeit eines Menschen. Das ist auch deshalb so herausfordernd, weil eine Demenz vom Alzheimer-Typ bisher nicht heilbar ist.

Wie wird Demenz diagnostiziert?

Maroß: Die Diagnose „Alzheimer-Demenz“ ist umfangreich und wird dann gestellt, wenn die typischen Symptome – wie Vergesslichkeit, Verhaltensänderungen und Orientierungsprobleme – auftreten und sich keine anderen Ursachen dafür finden lassen, also beispielsweise keine Depression, kein Schlaganfall, keine Schilddrüsenfehlfunktion oder anderes vorliegt. Zunächst gibt es ein ärztliches Anamnesegespräch, es folgen neuropsychologische Tests in Praxen oder Kliniken sowie bildgebende Untersuchungen des Gehirns, also Computer- oder Kernspintomografie, manchmal auch weitere Untersuchungen. Ob es sich um Einschränkungen handelt, die in eine Demenz übergehen könnten, oder um normale Erscheinungen des Alters, ist im Frühstadium nicht einfach zu erkennen.

„Inzwischen weiß man, dass man mit einem gesunden Lebensstil das Risiko, an Demenz zu erkranken, signifikant senken kann.“

Dr. Astrid Maroß

Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie beim AOK-Bundesverband

Wie wird Alzheimer behandelt?

Maroß: Die Behandlung von Menschen mit einer Alzheimer-Demenz zielt darauf ab, den Verlauf der Erkrankung zu verlangsamen, die Lebensqualität zu fördern und ein eigenständiges Leben für eine möglichst lange Zeit zu ermöglichen. Als bewährte Medikamente für leichte bis mittelschwere Demenzen stehen die Acetylcholinesterase-Hemmer zur Verfügung, die ein Enzym hemmen, was den Botenstoff Acetylcholin abbaut. Dieser Mechanismus soll den Informationsaustausch zwischen Nervenzellen anregen. Für mittelschwer bis schwer Alzheimer-Erkrankte kommt Memantin infrage, das die Wirkung des Botenstoffs Glutamat beeinflusst. Zusätzlich kann laut Behandlungsleitlinien das pflanzliche Präparat Ginkgo biloba erwogen werden, das in hoher Dosierung kognitive Fähigkeiten und Alltagsfunktionen stärken kann.

In Deutschland leben etwa 1,4 bis 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenz. Es erkranken mehr Frauen als Männer. Frauen haben eine höhere Lebenserwartung und die meisten Demenzerkrankungen treten im hohen Alter auf. Bei den Menschen zwischen 65 und 69 Jahren sind nur etwas mehr als ein Prozent betroffen, im Alter von 85 Jahren und darüber leiden schon bis zu 50 Prozent an Demenz.
Bei etwa 70 Prozent der Demenzerkrankungen handelt es sich um die Alzheimer-Krankheit.

Gibt es auch nichtmedikamentöse Maßnahmen? 

Maroß: Jenseits von Medikamenten gibt es einen ganzen Fächer von weiteren Ansätzen: So können kognitive Stimulationen wie soziale Aktivitäten oder Wahrnehmungsübungen das Gedächtnis fördern und für mehr psychische Ausgeglichenheit sorgen. Gedächtnis- und Orientierungstraining, körperliche Aktivität wie Gehübungen oder Gymnastik können ebenfalls positive Effekte haben. Körperliches Training, und zwar Krafttraining und/oder Ausdauertraining, wird für leicht Betroffene ausdrücklich empfohlen, um die kognitive Leistungsfähigkeit zu verbessern. Zentral ist dabei, dass die Übungen und Therapien die Demenzerkrankten nicht überfordern, sondern ihnen Erfolgserlebnisse verschaffen. Die unterschiedlichen Schweregrade einer Demenz spielen natürlich eine Rolle. Dabei sollte der lebensgeschichtliche Hintergrund möglichst berücksichtigt werden. Zusätzliche psychische und körperliche Leiden müssen gut behandelt werden, denn sie bestimmen die Lebensqualität entscheidend mit. Wertvolle Tipps zum Umgang mit Demenzbetroffenen erhalten Angehörige im Onlineprogramm „Familiencoach Pflege“ der AOK.

Foto: Die Hände eines älteren Menschen liegen überkreuzt auf einem aufgeschlagenen Fotoalbum.
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Kann dem Risiko, an Demenz zu erkranken, vorgebeugt werden?

Maroß: Inzwischen weiß man, dass man mit einem gesunden Lebensstil das Risiko, an Demenz zu erkranken, signifikant senken kann. Dazu gehören Bewegung, wenig Alkoholkonsum, gute Bildung und geistige Aktivitäten, aber auch ein reger Austausch mit anderen Menschen. Zudem sollte man Seh- und Hörstörungen so gut wie möglich beheben, weil beide einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf eine Demenzerkrankung und die Alltagsbewältigung haben können. Als weitere Risikofaktoren gelten auch Bluthochdruck, Rauchen, Übergewicht, zu hohe Cholesterinwerte und Diabetes. Diese kann man gut angehen, um sie zu verbessern und Risiken zu senken. Jeder Mensch und sein Umfeld haben mehr Einflussmöglichkeiten als früher gedacht, das ist eine gute Botschaft!

Vor kurzem ist mit Lecanemab ein Arzneimittel mit einem neuen Wirkmechanismus gegen die Alzheimer-Krankheit zugelassen worden. Was heißt das für die Betroffenen?

Maroß: Geeignet ist das Medikament nur für bestimmte Patientinnen und Patienten. Nämlich für diejenigen mit Vor- und Frühstadien der Alzheimer-Demenz, die außerdem spezielle Kriterien in ausführlichen Voruntersuchungen erfüllen. Zudem hat das Medikament auch ernstzunehmende Risiken, sodass die Relation des Nutzens zum Risiko im Vergleich zu bisherigen medikamentösen und nichtmedikamentösen Behandlungsoptionen teilweise noch diskutiert wird. Somit behalten bisherige Behandlungsmöglichkeiten ihren Stellenwert. Derzeit durchläuft das neue Arzneimittel eine sogenannte Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss. Das Ergebnis steht noch aus.

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