Interview Versorgung

„Wir wollen das AMNOG-System fit halten“

27.06.2025 Thomas Rottschäfer 6 Min. Lesedauer

Die Preise für neue Medikamente bringen das Gesundheitssystem an seine finanziellen Grenzen. „Wir müssen uns bei der Vergütung konsequenter am tatsächlichen Zusatznutzen für die Patienten orientieren“, sagt der Vorsitzende der Gesundheitsweisen, Prof. Michael Hallek.

Auf einem Tisch liegen 100-Euro-Scheine. Auf ihnen ist eine Pillenbox umgefallen und ausgeschüttet. Die Pillen liegen verteilt auf den Geldscheinen.
Der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege hat vielfältige Lösungsvorschläge für die Arzneimittelbepreisung.
Prof. Michael Hallek, Vorsitzender des Sachverständigenrates Gesundheit und Pflege
Prof. Michael Hallek, Vorsitzender des Sachverständigenrates Gesundheit und Pflege und Direktor des Zentrums für Integrierte Onkologie an der Uniklinik Köln.

Herr Prof. Hallek, im neuen Jahresgutachten 2025 des Sachverständigenrates Gesundheit und Pflege (SVR) warnen Sie und Ihre sechs Kolleginnen und Kollegen vor einer Überforderung des Gesundheitssystems, wenn es bei der bisherigen Systematik der Nutzenbewertung und Preisbildung für neue Medikamente bleibt. Wo liegt das Problem?

Prof. Dr. Michael Hallek: In Deutschland können wir unseren Patienten die meisten Innovationen schon kurz nach der Zulassung verordnen – schneller als in den anderen europäischen Ländern und auch in der Onkologie so gut wie ohne Einschränkungen. Wenn wir wollen, dass das so bleibt, müssen wir uns Gedanken über die Erstattungsfähigkeit machen. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) liegen mit mehr als 53 Milliarden Euro auf Platz zwei hinter den Kosten der Krankenhausversorgung und vor denen der ambulanten ärztlichen Versorgung. Zugleich geben wir für immer weniger Patienten immer mehr Geld aus. Mit ein bis zwei Prozent der Verordnungen macht etwa die Onkologie 20 Prozent der Arzneimittelumsätze aus. Auch im Bereich neuer gentherapeutischer Verfahren können wenige Versicherte hohe Zahlungen verursachen.

Union und SPD haben den Anspruch, einen schnellen Zugang zu innovativen Arzneimitteln und Therapien zu garantieren und gleichzeitig die Finanzierung sicherzustellen, in ihrem Koalitionsvertrag verankert. Was sind aus Sicht des SVR die wichtigsten Instrumente, um dieses Spannungsfeld aufzulösen?

Hallek: Es geht zum einen um Maßnahmen, die unmittelbar wirken. Sehr schnell umzusetzen und sofort wirksam, aber eher eine grobe „Therapie“ mit Nebenwirkungen, wäre ein globales Arzneimittelbudget: Man definiert einen bestimmten Betrag, den wir pro Jahr höchstens ausgeben wollen. Das Budget wird fortlaufend beobachtet. Geht es zu Neige, gäbe es deutliche Preisabschläge des ursprünglich vereinbarten Preises. Das heißt, es wird weiter erstattet, aber nur bis zu einem bestimmten Gesamtvolumen. Frankreich handelt ein solches Globalbudget aus, und auch in anderen Ländern funktioniert das.

Budgets klingen nach Leistungseinschränkung und dürften deshalb bei der Politik wenig beliebt sein.

Hallek: Wie gesagt: Das Globalbudget wäre ein scharfes, aber grobes Schwert und vielleicht nicht die intelligenteste Lösung. Ein zweites Instrument, das auch sehr schnell wirken könnte, wäre eine genauere Beobachtung der Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP) mit sehr hohem Preis – insbesondere CAR-T-Zelltherapien oder Gentherapien mit Kosten von mehreren hunderttausend Euro oder sogar im Millionenbereich. Auf diesem Gebiet kann man über neues Wissen sehr schnell – schon nach ein oder zwei Jahren –feststellen, ob die Therapie tatsächlich so wirkt wie in den Zulassungsstudien angegeben. Ist das nicht der Fall, sollte der Preis schnell nachverhandelt werden. Um einen kritischen Blick auf diese hochpreisigen Medikamente geht es in unserem Gutachten zuvörderst.

„Wir empfehlen, eine wiederkehrende Bewertung in das AMNOG-Verfahren einzubauen.“

Prof. Dr. Michael Hallek

Direktor des Zentrums für Integrierte Onkologie an der Uniklinik Köln

Bisher können Pharmaunternehmen den Preis für ihr Produkt beim Markteintritt frei festlegen. Er gilt für sechs Monate. Sie plädieren für einen „initialen Preis“. Was hat es damit auf sich?

Hallek: Der vom Hersteller bestimmte Startpreis kann eine „psychologische Ankerwirkung“ ausüben. Er ist zwar kein Kriterium der späteren Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband, dürfte diese aber durchaus beeinflussen. Wir schlagen deshalb vor, zunächst mit einem Preis einzusteigen, Wir schlagen deshalb vor, zunächst mit einem Preis einzusteigen, der dem der zweckmäßigen vergleichbaren Arzneimitteltherapie entspricht. Das hätte auch den Vorteil, dass man den Herstellern ein bisschen mehr Druck macht, frühzeitig aussagekräftige Daten zum Zusatznutzen vorzulegen. Bei den Verhandlungen müsste man später nicht wieder mühsam von einem sehr hohen Preis runterkommen, der sich schon weit vom Preis der zweckmäßigen Vergleichstherapie entfernt hat.

Im Gutachten ist von einem „extern festgelegten Interimspreis“ die Rede. Wer sollte das machen?

Hallek: Diese Frage muss die Politik beantworten, jedenfalls nicht die an den Preisverhandlungen Beteiligten. Als Grundlage für den neutral festgelegten Interimspreis könnte ein Gutachten über die in dem Indikationsbereich vorhandenen zweckmäßigen Vergleichstherapien dienen – erstellt etwa durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Der Interimspreis würde bezahlt, bis das Erstattungsverfahren abgeschlossen ist. Die Differenz würde dann rückwirkend zum Datum des Markteintritts ausgeglichen. Wir wollen den durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) gesteuerten AMNOG-Prozess gerne erhalten und verbessern, aber nicht komplett verändern. Auch die Industrie sagt ja, dass das Verfahren sich für einen schnellen Eintritt in den Markt bewährt hat.

Als weitere Maßnahme empfehlen Sie die „wiederkehrende Bewertung“ von Medikamenten. Was ist darunter zu verstehen?

Hallek: Das ist für mich vielleicht sogar die wichtigste Empfehlung – auch wenn sie nicht kurzfristig wirkt. Es geht darum, neue Arzneimittel in einer längerfristigen Re-Evaluation zu belassen – ähnlich wie beim Blick auf die sehr teuren ATMP. Auch bei anderen hochpreisigen Medikamenten kann es ja bereits nach zwei bis fünf Jahren neue Erkenntnisse geben, dass der eigentliche Wert der Therapeutika nicht so groß ist wie angenommen. Oder dass die Verordnung für bestimmte Patientengruppen, etwa Ältere über 80 Jahre nicht sinnvoll ist. Wir empfehlen deshalb, eine wiederkehrende Bewertung in das AMNOG-Verfahren einzubauen und neben den Medikamenten auch die zweckmäßigen Vergleichstherapien regelmäßig zu evaluieren. Neue Erkenntnisse, das können auch neue Fortschritte sein, sollten dann in neue Preisverhandlungen münden. Vorstellbar ist, dass auch die Solidargemeinschaft oder der GBA Studien anregen oder in Auftrag geben, um festzustellen, ob ein Medikament in einer bestimmten Anwendung noch wirksam ist. Wir sind der Ansicht, dass eine dauerhafte Re-Evaluation bei hochpreisigen Medikamenten in einem bestimmten Rhythmus mit bestimmten Trigger-Punkten wichtig ist, um das System fit zu halten und wirklich anhand des tatsächlichen Zusatznutzens für die Patienten zu vergüten.

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Im Gutachten thematisieren Sie auch den AMNOG-Sonderstatus für Medikamente zur Behandlung seltener Erkrankungen. Warum stellen Sie „das Privileg des fiktiven Zusatznutzens“ der Orphan Drugs in Frage?

Hallek: Indem Orphan Drugs generell ein Zusatznutzen unterstellt wird, wollte man Anreize zur Entwicklung von Medikamenten für seltene Indikationen setzen. IQWiG-Auswertungen und auch andere Analysen zeigen aber, dass bei vielen dieser sehr teuren Medikamente im Nachhinein kein Zusatznutzen gezeigt werden konnte. Außerdem gab es bei etwa 60 Prozent der Orphan Drugs zum Zeitpunkt der Einführung bereits randomisierte Studien. Es ist also nicht unmöglich, auch in diesem Bereich mit guten Studien zu arbeiten. Wir plädieren deshalb dafür, Orphan Drugs wie alle anderen Medikamente zu behandeln. Nachgewiesenen Zusatznutzen in diesem Segment könnte man durch Zuschläge von meinetwegen 30, 40 Prozent belohnen, um die wichtige Forschung in diesem Bereich zu incentivieren.

Sie sehen ein „asymmetrisches Machtverhältnis“ beim Preispoker zwischen Krankenkassen und Herstellern und wollen dem GKV-Spitzenverband mehr Verhandlungsmacht geben. Wie?

Hallek: Ein Pharmaunternehmen kann jederzeit sein Medikament vom Markt nehmen oder damit drohen. Wir halten es für angebracht, auch dem GKV-Spitzenverband zu gestatten, von Preisverhandlungen zurückzutreten.

Würde das nicht dazu führen, dass in Deutschland nicht mehr alle Innovationen zur Verfügung stehen? Kritiker werfen Ihnen vor, die ärztliche Therapiefreiheit einschränken zu wollen.

Hallek: Es ist natürlich nicht im Interesse der Patienten, dass der GKV-Spitzenverband echte Innovationen absägt und reihenweise aus den Verhandlungen aussteigt. Alles, was wichtig ist, müssen wir auch weiterhin zur Verfügung stellen. Wenn es um einen wirklichen Durchbruch geht und ein großer Zusatznutzen belegt ist, dann muss man auch eine adäquate Vergütung sicherstellen.

Derzeit endet aber etwa die Hälfte der Nutzenbewertungsverfahren mit dem Ergebnis „Zusatznutzen nicht belegt“. Trotzdem werden diese Medikamente gut bezahlt. Die Abschläge liegen bei circa 30 Prozent. Wir befürchten, dass diese Abschläge von einzelnen Herstellern von vornherein eingepreist werden, um am Ende den gewünschten Preis zu erzielen.

„Wir müssten wieder so viele Medikamente entwickeln, dass mehr Steuereinnahmen in Deutschland verwertet werden.“

Prof. Dr. Michael Hallek

Leiter des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer

Also eine Ausstiegsklausel mit Hürden?

Hallek: Es geht uns um Medikamente ohne großen Zusatznutzen, bei denen es sich beispielsweise um das dritte, vierte oder fünfte Medikament in der gleichen Wirkstoffklasse handelt, für die ein Hersteller einen relativ hohen Preis erzielen möchte. Dann sollte die Solidargemeinschaft dem Unternehmen sagen können: „Wir haben bereits ein wirksames Medikament. Das zweite Medikament in der gleichen Klasse ist nicht so bedeutsam. Ohne Preiszugeständnisse steigen wir aus den Verhandlungen aus.“ Es gibt häufig ähnliche oder Wirkstoff-ähnliche Substanzen mit vielleicht kleinen Modifikationen bei den Nebenwirkungen. In solchen Fällen ist mehr Verhandlungsmacht der Krankenkassen gerechtfertigt.

Im Gutachten fordern Sie eine Trennung von Standortpolitik und Preisregulierung. Was läuft hierzulande falsch?

Hallek: Es ist weder die Aufgabe der GKV noch der privaten Krankenversicherung, Industriepolitik zu betreiben. Großbritannien, Dänemark oder Schweden zum Beispiel haben eine starke pharmazeutische Forschung und zum Teil Weltunternehmen, die im Land eine sehr hohe Wertschöpfung auslösen. Die Gesamt-Umsätze der Pharmaindustrie liegen dort aber deutlich unter denen in Deutschland. Wir haben zwar relativ viele ausländische Unternehmen, die bei uns produzieren und inzwischen auch wieder vermehrt Co-Entwicklung machen. Das finden wir sehr gut. Aber anders als früher haben die meisten international agierenden, großen Pharmakonzerne ihren Sitz nicht in Deutschland. Ein großer Teil der Wertschöpfung findet deshalb außerhalb von Deutschland statt. Das alles hat wenig damit zu tun, ob die Unternehmen hier viel oder weniger umsetzen.

Woran liegt es dann?

Hallek: Wir sind einer der größten Pharma-Märkte, dennoch ist die Industrie in den letzten Jahrzehnten abgewandert. Wir haben die Unternehmen auf diesem Gebiet durch zu viele regulatorische Auflagen, durch politische Fehlentscheidungen und durch eine Verschlechterung unserer Standortfaktoren verloren. Früher waren wir der Medikamentenhersteller Nummer eins in der Welt. Jetzt werden viele Entwicklungen hauptsächlich von ausländischen Konzernen betrieben, die zwar in Deutschland einen Teil ihrer Medikamente produzieren, aber sie hier nicht mehr entwickeln.

Es wird argumentiert, dass wir möglichst viele Medikamente verordnen, damit man auch hierzulande mehr forscht. Dabei ist es genau umgekehrt: Wir müssten einfach wieder so viele Medikamente entwickeln, dass aus der Wertschöpfung und den Exporten deutlich mehr Steuereinnahmen in Deutschland verwertet werden. Dadurch könnten wir auch die deutliche Importabhängigkeit für essentielle Bereiche verringern, zum Beispiel in der Onkologie.

Grafik: Zwei Personen halten eine Zahlenreihe in Milliardenhöhe, in der sich die Ziffern schnell verändern. Darüber sind verschiedene Symbole abgebildet: Eine Gruppe älterer Menschen an Gehwagen und Gehstöcken, ein Tresor, aus dem Geldscheine quillt und eine Waage, die zwischen Geld und medizinischen Leistungen abwägt.
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Wie müsste Standortförderung aussehen?

Hallek: Die großen pharmazeutischen Firmen investieren und agieren global. Sie gehen dorthin, wo die Rahmenbedingungen für die Forschung, für das Beschaffen von Risikokapital, für Datenbewirtschaftung und auch für die Produktion am besten sind. Die Produktionsbedingungen sind bei uns noch gut. Aber die Verwertungsquote von initialer Idee bis hin zum Produkt – der Transfer – ist in Deutschland nicht gut, die Rahmenbedingungen sind sehr verbesserungsfähig. Jüngste Beispiele im Bereich der Biotechnologie – wie Biontech – machen Hoffnung, dass sich langsam etwas verbessert. Aber der Umsatz-Umfang spielt für die Attraktivität des Forschungsstandortes und neue Pharma-Arbeitsplätze eigentlich kaum eine Rolle. Die Märkte für diese Produkte sind global. Der deutsche Anteil am Weltmarkt für Arzneimittel beträgt etwa vier bis fünf Prozent. Wir sollten unsere Bedeutung also nicht überschätzen.

Von den Pharma-Verbänden kommt der Vorwurf, die SVR-Empfehlungen seien einseitig an den Interessen der Kostenträger orientiert.

Hallek: Wir wollen der Pharmaindustrie in Deutschland die Forschung und das Leben nicht erschweren. Im Gegenteil. Aber es gilt, einen sinnvollen Ausgleich zu finden zwischen den berechtigten Rendite-Erwartungen von Investoren und Eigentümern in der Pharmaindustrie und den Interessen der Solidargemeinschaft, die dafür zahlt. Das betone ich ausdrücklich, weil ich als Onkologe selbst viel mit neuen Medikamenten forsche. Es geht um einen ehrlichen Dialog: Wie trennen wir den Weizen echter Innovationen von der Spreu der Scheininnovationen? Inzwischen habe ich auch mit mehreren Vertretern pharmazeutischer Unternehmen gesprochen. Die erkennen, dass wir den Pharma-Standort Deutschland nicht beschädigen wollen. Wir appellieren an die Pharmaindustrie: Forscht und entwickelt mehr in Deutschland und Europa. Echte Innovationen müssen auch künftig sehr gut belohnt werden. Insofern enthält unser Gutachten auch gute Botschaften für die Hersteller. Eine davon: Der GBA sollte für mehr Verlässlichkeit und Planungssicherheit sorgen, indem er den Unternehmen schon ein paar Monate vor Beginn des AMNOG-Verfahrens seine Informationen zur zweckmäßigen Vergleichstherapie verbindlich zur Verfügung stellt.

Wie schätzen sie die Umsetzungschancen ihrer Vorschläge ein?

Hallek: SVR-Gutachten wirken in der Regel längerfristig. Aber sie werden von allen wesentlichen Beteiligten sehr aufmerksam gelesen und finden Berücksichtigung. Nehmen Sie zum Beispiel die Ratsempfehlungen zur Digitalisierung im Gesundheitswesen und zur Verschlankung von Zulassungsverfahren aus dem Resilienz-Gutachten 2023. Da findet sich einiges im Medizinforschungsgesetz und im Gesundheitsdatennutzungsgesetz wieder. Das gilt auch für die Vorschläge zur Krankenhausreform aus dem Fachkräfte-Gutachten 2024 und aus früheren Jahres- und Sondergutachten. Zum aktuellen Gutachten gibt es bereits Gespräche in Berlin. Das wir im Arzneimittelbereich eine gewisse Kostenkontrolle brauchen, wird in allen Parteien erkannt. Sonst steigen unsere Gesundheitskosten und damit Versicherungsbeiträge zu stark an. Dies gefährdet unsere wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit. Wichtig ist: Unser Gutachten ist als Instrumentenkasten gedacht. Nicht alles muss umgesetzt werden und schon gar nicht alles sofort. Aber die Politik muss agieren, sonst müssen zum Jahresende die Krankenkassenbeiträge erneut erhöht werden.

Lassen Sie uns also Vernunft walten, um auch im Arzneimittelbereich schnell die richtige Balance zwischen den Interessen der Pharmaindustrie und denen der Versichertengemeinschaft zu finden. Damit das System, von dem wir alle profitieren, nicht an den Kosten zerbricht. Das ist das Leitmotiv unseres Gutachtens.

Zur Person

Der Krebsforscher Prof. Michael Hallek ist Direktor des Zentrums für Integrierte Onkologie an der Uniklinik Köln. Seit Februar 2023 ist er Vorsitzender des Sachverständigenrates Gesundheit und Pflege. Der 65-Jährige leitet zudem den Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer.

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