Mögliche Rückkehrwelle von Syrern besorgt Ärzteverbände
Ärzte- und Pflegeverbände fürchten nachteilige Folgen für die gesundheitliche Versorgungslage, sollten syrische Fachkräfte nach dem Sturz des Assad-Regimes massenweise in ihre Heimat zurückkehren. Die Vorsitzende des Klinikärzteverbandes Marburger Bund, Susanne Johna, verwies darauf, dass syrische Mediziner mit fast 6.000 Berufstätigen die größte Gruppe der Ärzte mit ausländischer Qualifikation in Deutschland stellten. 87 Prozent waren 2023 in Krankenhäusern tätig. „Würden sie fehlen, wäre das eine relevante Belastung für die ohnehin angespannte ärztliche Versorgungslage in Deutschland“, sagte Johna zu G+G.
Rund eine Million der von Krieg, Verfolgung und Vertreibung betroffenen Syrer hat in Deutschland eine Bleibe gefunden. Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) liegt der Anteil syrischer Arbeitskräfte an der Gesamtbeschäftigung aktuell bei etwa 0,6 Prozent, unter Berücksichtigung der Eingebürgerten bei rund 0,8 Prozent. 62 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus diesem Land arbeiten in systemrelevanten Berufen, wie etwa dem Gesundheitswesen oder im Transport- und Logistikbereich. Die Konzentration syrischer Geflüchteter in Mangel- und systemrelevanten Berufen habe „arbeitsmarktpolitische Bedeutung“, mahnte IAB-Forscher Herbert Brücker.
Insgesamt sind 287.000 syrische Staatsangehörige in Deutschland beschäftigt. Dem IAB zufolge arbeiten von den Männern elf Prozent im Gesundheitswesen, von den Frauen 18 Prozent. In Krankenhäusern waren Ende 2023 knapp 5.000 Ärzte aus Syrien tätig. Gehe ein nennenswerter Teil davon weg, „bekommen wir Probleme“, sagte der Präsident des Verbandes leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte, Michael Weber, zu G+G. Deutschland falle jetzt auf die Füße, dass die vorgesehene Erhöhung der Zahl der Studienplätze aus Kostengründen nicht umgesetzt worden sei.
Vor wenigen Tagen hatte bereits der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, gemahnt, wenn syrische Ärzte Deutschland in größerer Zahl verließen, werde das „in der Personaldecke ohne Zweifel“ spürbar sein. Die Mediziner spielten vor allem in Kliniken kleinerer Städte eine wichtige Rolle. Ähnlich sieht es im Pflegesektor aus. Die Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Pflege (AGVP), Isabell Halletz, sagte „Bild“, die 3.800 Syrer in der Altenpflege seien eine „zentrale Säule“.
Allerdings ist bislang nicht kalkulierbar, wie viele von ihnen sich tatsächlich auf den Weg machen werden. „Ich kenne persönlich keinen Arzt, der sofort nach Syrien zurückkehren will“, sagte der Internist und Kardiologe Nibras Soubh von der Universitätsmedizin Würzburg dem „Tagesspiegel“. (sev)