Pfleger Khaled kommt an
Khaled Trabulsi ist als Teenager aus Syrien geflohen und absolviert nun in Deutschland eine Pflegeausbildung. Darüber hinaus engagiert er sich als Integrationslotse und beim Technischen Hilfswerk. Dafür hat ihn das Land Sachsen-Anhalt ausgezeichnet.
Am Klinikum Magdeburg-Olvenstedt hat der Mittzwanziger Khaled Trabulsi den passenden Ausbildungsplatz gefunden. „Khaled ist sehr engagiert. Ihm macht es Spaß, mit Menschen zu arbeiten“, sagt Praxisanleiter Tim Kiery. „Khaled ist top, einer der Besten, die wir je hatten“, sagen seine Kolleginnen und Kollegen. Trabulsi macht in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger. In seiner Freizeit hilft er als Integrationslotse anderen Geflüchteten, sich in Deutschland zurechtzufinden. Dafür wurde er 2023 mit dem Integrationspreis des Landes Sachsen-Anhalt geehrt.
Leistung wird anerkannt
Männer sind unter den 120 Azubis am Klinikum in der Minderheit, Geflüchtete die absolute Ausnahme. Vor zweieinhalb Jahren wagte Khaled dort den Neustart. Bei einer ersten Stelle in einem privaten Pflegeheim habe er sich als billige, allzeit einsetzbare Arbeitskraft gefühlt, berichtet er. Am Klinikum könne er etwas lernen, und seine Leistung werde anerkannt. In der dreijährigen Ausbildung durchläuft er die verschiedenen Stationen. Seine ruhige, freundliche Art wird geschätzt, vor allem sein Talent, mit Menschen umzugehen, seine Empathie. „Khaled hat keine Scheu vor Problemsituationen. Er fragt, wenn etwas nicht schlüssig ist“, sagen die Kollegen Sabrina Komm und Toni Wendler aus dem Pflegeteam der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Chancen, dass Khaled Trabulsi die Prüfung im Sommer schafft und eine Festanstellung bekommt, stehen gut. „Bei uns erhält jeder nach erfolgreichem Abschluss ein Angebot“, sagt Tim Kiery.
Für Khaled würde sich ein Traum erfüllen. Er möchte gern am Krankenhaus bleiben und weiter in der Kinderkrankenpflege arbeiten. Es sei vor allem der Kontakt zu den Menschen, der ihn reizt. Der Berufswunsch keimte, als er seine Mutter zu Arztterminen begleitete und die Arbeit der Pflegekräfte kennenlernte. Dass es in Deutschland viele Menschen gibt, die im Krankenhaus und Pflegeheim keinen Besuch bekommen und einsam sind, habe ihn schockiert. „In Syrien versorgen meist Angehörige die Patienten“, berichtet er. Sie kümmerten sich zum Beispiel ums Essen oder Waschen. Auch das Verhältnis der Berufsgruppen am Krankenhaus unterscheide sich von dem in seinem Heimatland. Eine ausgeprägte Hierarchie von Pflegekräften und Ärzten, wie er sie in Deutschland beobachtet, kannte er vorher nicht.
Vor dem Krieg geflohen
Als der Syrer mit palästinensischen Wurzeln im Jahr 2000 in Damaskus geboren wurde, war für seine Familie die Welt noch in Ordnung. Der Vater führte ein kleines Restaurant, die Mutter arbeitete als Schneiderin. Auch der ältere Bruder trug zum Unterhalt bei. Doch die Lage änderte sich und wurde mit dem Krieg für sie unerträglich. Wie viele andere verließ die Familie 2015 Syrien, um in Europa eine sichere Zuflucht und ein besseres Leben zu suchen. Der Vater blieb zu Hause und wollte später nachkommen. Daraus wurde nichts. Er ist inzwischen verstorben.
Mit Hoffnung und Vertrauen
Für den damaligen Teenager Khaled war die Flucht trotz traumatischer Erfahrungen mit großer Hoffnung verbunden. Über die Türkei, Griechenland, Serbien, Ungarn und Österreich erreichte er Deutschland. An die ersten Begegnungen mit der hiesigen Staatsmacht erinnert sich Khaled gut: „Zu Hause hatten wir Angst vor der Polizei. Die waren immer streng und schwer bewaffnet. Die Beamten, die wir an der Grenze trafen, waren ganz nett und freundlich.“ Das habe Vertrauen aufgebaut. Von München aus sollte es weiter in die zentrale Aufnahmeeinrichtung Sachsen-Anhalts nach Halberstadt gehen. Weil die voll belegt war, zog die Familie vorläufig in ein zur Flüchtlingsunterkunft umfunktioniertes Feriencamp bei Colbitz im Landkreis Börde. In der abgelegenen Unterkunft konnte die Familie zur Ruhe zu kommen: „Es gab keinen, der uns komisch anguckte.“
Die Idylle hatte aber auch eine andere Seite. „Colbitz ist sehr weit weg von allem“, sagt Khaled. Die Familie lebte dort gemeinsam mit rund 150 anderen Geflüchteten zwar behütet, aber weitgehend ohne Kontakt zu den Anwohnern im Ort. In der Schule, die der Achtklässler besuchte, mussten er und die anderen Flüchtlingskinder sich als Außenseiter behaupten. „Für die Deutschen war es ein Kulturschock, für uns war es ein Kulturschock“, beschreibt er das Aufeinandertreffen. Khaled merkte schnell: Ohne Sprachkenntnisse und eigenen Einsatz, wird es nicht funktionieren. Den Realschulabschluss schaffte er mit viel Fleiß. Auch die Verständigung klappte immer besser. Heute spricht er fließend Deutsch. Mitarbeiter eines Integrationsbündnisses und des Deutschen Roten Kreuzes, die ihm und den anderen Camp-Bewohnern halfen, wurden zu Freunden und Vorbildern. Schon mit 15 Jahren half Khaled anderen Geflüchteten, sich zurechtzufinden.
„Khaled ist sehr engagiert. Ihm macht es Spaß, mit Menschen zu arbeiten.“
Praxisanleiter am Klinikum Magdeburg
Hilfe für Neuankömmlinge
Heute hat er einen unbefristeten Aufenthaltstitel und lebt mit seiner Mutter in einer Wohnung in Wolmirstedt. In der Kleinstadt sei das Klima zwischen Alteingesessenen und Geflüchteten entspannter. Doch die Probleme für Neuankömmlinge blieben.
Denen widmet der 23-Jährige den größten Teil seiner Freizeit. Als Integrationslotse gibt er eigene Erfahrungen an geflüchtete Menschen weiter und hilft anderen. Das kann beispielsweise die Unterstützung bei der Wohnungssuche, beim Umzug, bei der Ausstattung der Wohnung oder bei der Kommunikation mit Vermietern sein. Auch alltägliche Herausforderungen wie die Hausordnung, die Mülltrennung oder das Nachbarschaftsrecht können Thema sein. Die Begleitung bei Behördengängen, Arztbesuchen und Unterstützung bei der Kommunikation mit Krankenkassen sind weitere Lotsenaufgaben.
Auszeichnung fürs Ehrenamt
Als im Mai 2023 zum 13. Mal der Integrationspreis des Landes Sachsen-Anhalt vergeben wurde, stand Khaled Trabulsi im Rampenlicht. Er gehört zu den Menschen, die sich im Bereich der Integrationsarbeit, der Begleitung von Flüchtlingen und bei der Entwicklung eines vielfältigen Zusammenlebens mit außergewöhnlichem Engagement hervorgetan haben. „Als Integrationslotse erleichtert er Geflüchteten das Ankommen in der noch unbekannten Gesellschaft. Er unterstützt bei den ersten Schritten und sorgt dafür, dass die von ihm begleiteten Menschen nicht ins Stolpern geraten. Mit seinem Engagement leistet er einen großen Beitrag dafür, dass soziale, kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe gelingt“, so Sachsen-Anhalts Integrationsbeauftragte, Staatssekretärin Susi Möbbeck, in ihrer Laudatio.
„Mit seinem Engagement leistet er einen großen Beitrag dafür, dass Teilhabe gelingt.“
Integrationsbeauftragte des Landes Sachsen-Anhalt
Zusätzlich zur Ausbildung in der Pflege und dem Engagement als Integrationslotse widmet sich Khaled Trabulsi einer weiteren Aufgabe. Als er auf einer Messe das Technische Hilfswerk (THW) kennenlernte, war er sofort Feuer und Flamme. Seit 2017 arbeitet er beim THW-Ortsverband Magdeburg ehrenamtlich mit. Er ist dort einer von zwei Geflüchteten. Voraussetzungen für das Engagement beim THW seien gute Deutschkenntnisse, Einsatzbereitschaft und Offenheit, sagt THW-Ortsbeauftragter Falk Lepie. Khaled bringt all dies mit. Und noch mehr: „Er hat das Herz am rechten Fleck“, so der Vorgesetzte beim Technischen Hilfswerk. Khaled hat sich nicht damit zufriedengegeben, als einfacher Helfer im THW mitzumachen. Nach der Grundausbildung qualifizierte er sich weiter zum Ausbilder und ist inzwischen überregional als Prüfer tätig. „Das ist schon etwas ganz Besonderes“, sagt Lepie.
Bleibt bei all den beruflichen und ehrenamtlichen Herausforderungen überhaupt Zeit für ein Privatleben? „Wenig“, sagt Khaled. „Zu Hause bin ich eigentlich nur zum Schlafen.“ Immerhin gibt es jemanden, der die verbleibende Freizeit mit ihm teilt. „Ich bin verlobt. Nach meinem Berufsabschluss wollen wir heiraten“, verrät er. Zusammen mit der Mutter wollen sie dann in eine größere Wohnung ziehen.
Nur eines fehlt ihm dann noch: die deutsche Staatsbürgerschaft. Bislang müssen Geflüchtete acht Jahre warten, bis sie den entsprechenden Antrag stellen dürfen. Für den Besuch eines Integrationskurses, der die Frist verkürzt hätte, hatte Khaled wegen seines vielfältigen Engagements keine Zeit. Ausgerechnet er, der vielen anderen Menschen geholfen hat, bürokratische Hürden zu überwinden, muss nun Geduld aufbringen.
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