EU-Streit um Pharmabeteiligung an Abwasserreinigung hält an
Der CDU-Europapolitiker Oliver Schenk hat sich dafür ausgesprochen, das Maß der geplanten finanziellen Beteiligung von Pharmaunternehmen an der Abwasserreinigung zu überdenken. Die Einführung einer vierten Reinigungsstufe für Arzneimittel- und Kosmetikarückstände stelle „eine enorme Belastung“ für die Industrie dar, sagte Schenk G+G. Dadurch gerate „insbesondere der generische Bereich durch den bereits bestehenden hohen Kostendruck unter zusätzlichen großen Anpassungsdruck“. Dagegen rechnet der SPD-Europaparlamentarier Tiemo Wölken bei einer Umsetzung des Verursacherprinzips mit keinen Problemen für die Medikamentenversorgung.
Die zum 1. Januar in Kraft getretene Aktualisierung der EU-Richtlinie zur kommunalen Abwasserreinigung sieht eine vierte Klärstufe in Städten mit mehr als 150.000 Einwohnern vor. Die 27 EU-Staaten müssen die Vorgaben bis Anfang 2028 in nationales Recht umsetzen. Pharmaunternehmen sollen gemessen an ihrem Medikamentenabsatz in der EU und entsprechend der Umweltgefahren an den Kosten beteiligt werden. Pharmaverbände kritisieren „einseitige Kostenbelastungen“ sowie „systematische Fehler“ in der Datengrundlage und bei der Folgenabschätzung. Einzelne Generikahersteller drohen mit Marktrücknahmen.
„Man muss diese Sorgen ernst nehmen“, sagte Schenk – wie Wölken Mitglied im Gesundheitsausschuss des Europaparlamentes. Die aktuelle Fassung der EU-Richtlinie könne insbesondere bei wichtigen Antibiotika und Krankenhausmedikamenten „unbeabsichtigte Folgen entfalten“. Seine Fraktion (EVP) habe sich deshalb für eine Revision ausgesprochen, die auch „die Auswirkungen auf Versorgungssicherheit und Preisentwicklung kritischer Medikamente“ berücksichtige. Für eine Überarbeitung der „erweiterten Herstellerverantwortung“ hatte sich in der vergangenen Woche auch die deutsche Gesundheitsministerkonferenz ausgesprochen.
Aktuell arbeite die EU-Kommission an einer neuen Studie zur Kostenabschätzung, sagte Wölken G+G. Er rechne damit, dass diese „deutlich unter den von der Pharmaindustrie projektierten Zahlen“ liege. „Damit dürften auch die Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Medikamenten deutlich weniger dramatisch ausfallen als die Verbände es derzeit darstellen“. Er unterstütze ausdrücklich die Forderung der deutschen Kommunalunternehmen, die EU-Richtlinie schnell und rechtssicher umzusetzen. Juristisch besitze die neue Analyse keine aufschiebende Wirkung.
Laut Bundesumweltamt wurden 2022 in Deutschland rund 10.000 Tonnen Medikamente verbraucht, die als „umweltrelevant“ eingestuft seien, darunter das Diabetespräparat Metformin (rund 2.000 Tonnen) sowie die Schmerzmittel Ibuprofen (rund 1.500 Tonnen) und Metamizol (rund 1.000 Tonnen). Ein Großteil der Wirkstoffe gelange „unverändert und weiterhin wirksam über die natürlichen Ausscheidungsprozesse mit dem Abwasser in die Kläranlagen“. (toro)
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