Mehr tun gegen Arbeitsdichte und Zeitdruck
Zeitdruck, Lärm, Konflikte und körperliche Anstrengungen: Eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hat einmal mehr gezeigt, wie sehr die Gesundheit von Beschäftigten mit den Arbeitsbedingungen zusammenhängt. Führende Gewerkschafter fordern nun Konsequenzen.
Die Gewerkschaften verlangen von den Arbeitgebern und der Politik im neuen Jahr beherzte Schritte für mehr Gesundheitsschutz in den Betrieben. Vor allem psychische Belastungen seien für die überwältigende Mehrheit der Beschäftigten „eine bittere und oft bleibende Realität“, sagte das geschäftsführende Vorstandsmitglied der IG Metall, Hans-Jürgen Urban, zu G+G.
Die Hälfte sei von körperlich schwerer Arbeit betroffen, fast drei Viertel berichteten von Lärm am Arbeitsplatz. „Beschäftigte bezahlen vor allem Arbeitshetze und Arbeitsdichte mit massiven gesundheitlichen Folgen für Körper und Psyche.“ Kranke Kolleginnen und Kollegen wiederum müssten aufwendig kuriert werden, was hohe Kosten für das Solidarsystem bedeute, so der Gewerkschafter. Doch Politiker nähmen diese „dramatischen Zustände“ offenkundig nicht ernst, wenn sie einen immer späteren Renteneintritt forderten und Unternehmen sich gleichzeitig mit mangelnder Prävention wegduckten.
Wohlbefinden und Gesundheit der Beschäftigten stärken
Auch DGB-Chefin Yasmin Fahimi pocht auf rasche Änderungen und verwies auf die Ergebnisse der Befragung im Rahmen des DGB-Index Gute Arbeit. „Die gesundheitlichen Risiken, die mit körperlichen und psychischen Arbeitsbelastungen verbunden sind, bekommen in den Betrieben und Verwaltungen zu wenig Aufmerksamkeit“, sagte sie G+G. Nur etwa jeder vierte Beschäftigte mit körperlich schwerer Arbeit berichte von wirksamer betrieblicher Prävention. Bei psychischen Belastungen – wie dem Arbeiten unter Zeitdruck – sei dies noch seltener der Fall. Die DGB-Vorsitzende betonte, im Arbeitsschutzgesetz sei der Präventionsgedanke fest verankert und gesundheitliche Gefährdungen durch die Arbeit seien unbedingt zu vermeiden. „Leider kommen viele Arbeitgeber ihrer Verantwortung nur unzureichend nach.“
Fahimi erwartet von den Arbeitgebern nach eigenen Worten zuallererst die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben, um Erkrankungen, Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung zu vermeiden. „Von einer wirksamen betrieblichen Prävention profitieren alle Beteiligten: Wohlbefinden und Gesundheit der Beschäftigten werden gestärkt und krankheitsbedingte Ausfallzeiten verringert. Prävention ist damit auch ein Instrument der Fachkräftesicherung“, unterstrich die Gewerkschafterin.
Interviews mit mehr als 6.000 Beschäftigten
Der im Dezember vorgestellte Index Gute Arbeit 2023 zeigt einmal mehr: Je stärker die Arbeitsbelastungen ausgeprägt sind, desto schlechter werden Gesundheit und zukünftige Arbeitsfähigkeit eingeschätzt. Von den Beschäftigten, die mehreren körperlichen und psychischen Belastungsfaktoren ausgesetzt sind, geben sogar nur 39 Prozent einen guten Gesundheitszustand an. Lediglich sieben Prozent der Hochbelasteten gehen davon aus, ihre Tätigkeit unter diesen Bedingungen bis zum Rentenalter durchhalten zu können.
Bei 86 Prozent der Befragten gibt es bei der Arbeit Zeitdruck – bei jeder oder jedem zweiten „sehr häufig“ oder „oft“ und bei weiteren 36 Prozent selten. Schwere körperliche Arbeit erleben 56 Prozent (davon 16 Prozent „sehr häufig“ und 15 Prozent „oft“), Umgebungsgeräusche und Lärm 73 Prozent und Konflikte mit Kollegen oder Kunden 65 Prozent, wobei hier die meisten nur von seltenen Fällen sprechen wollen. Mehrfachbelastungen sind an der Tagesordnung. So erleben 31 Prozent alle vier Belastungsarten, 33 Prozent geben drei Belastungsarten an.
In der auf Interviews mit mehr als 6.000 Beschäftigten beruhenden Befragung berichtet nur eine Minderheit von wirksamen Maßnahmen des Arbeitgebers zur Belastungsreduzierung: Bei körperlich schwerer Arbeit sind es 27 Prozent, beim Arbeiten unter Zeitdruck lediglich 14 Prozent. Auch für Beschäftigte, die Lärm oder Belastungen durch Konflikte mit Kunden, Klienten oder Patienten ausgesetzt sind, ist ein wirksamer Arbeits- und Gesundheitsschutz die Ausnahme.
Thema Prävention ernsthaft angehen
Als zentrales Instrument der betrieblichen Prävention gilt in Deutschland die Gefährdungsbeurteilung, die Arbeitgeber laut Gesetz durchführen müssen. Doch nur 38 Prozent der Befragten gaben an, dass eine Gefährdungsbeurteilung für ihren Arbeitsplatz in den letzten zwei Jahren stattgefunden habe. Und lediglich bei einer knappen Hälfte (47 Prozent) der erstellten Beurteilungen wurde arbeitsbedingter Stress berücksichtigt. Nur 18 Prozent der Befragten berichteten von einer vollständigen Gefährdungsbeurteilung für ihre Tätigkeit.
„Der betriebliche Arbeitsschutz muss stärker kontrolliert werden“, fordert Fahimi. Es bedürfe darüber hinaus gerade auch mit Blick auf die psychische Belastung einer Konkretisierung der präventiven Aufgaben. „Damit kann den betrieblichen Akteuren Orientierung und Sicherheit bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung gegeben werden.“ IG-Metall-Vorstand Urban betonte, Arbeitgeber müssten 2024 das Thema Prävention ernsthaft angehen. „Prävention beginnt schon bei einer ordentlichen Personalbemessung statt chronischer Unterbesetzung.“ Von der Politik erwarte seine Gewerkschaft „ein Ende von Sonntagsreden und klare Vorgaben, die für alle Betriebe einzuhalten sind“. Damit müssten auch Sanktionen für nachlässige Unternehmen einhergehen.
Nicht zuletzt könne eine „perspektivische Vier-Tage-Woche“ eine „gesundheitliche Antwort auf die heutige Arbeitswelt“ sein, ist Urban überzeugt. Studien zufolge fühlten sich Beschäftigte hiermit weniger gestresst und das Burnout-Risiko sinke. „Eine Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich ist mit die beste Prävention.“
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