Digitale Helfer bei Depressionen & Co.
Vor fünf Jahren sind die ersten digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) im Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelistet worden. Die Apps auf Rezept sollen Erkrankungen lindern und dabei unterstützen, mit Beschwerden umzugehen. Den Spitzenplatz belegen Apps für die Psyche.

Die meisten Programme für die Psyche werden bei Depressionen angewendet, gefolgt von Apps gegen Angst- und Panikstörungen. Aber auch zum Thema Essstörungen wie Bulimie, zu Schlafstörungen, Nikotinabhängigkeit, Alkoholproblemen oder der Borderline-Erkrankung finden sich digitale Helfer. Viele der 28 Anwendungen aus diesem Sektor haben sich laut Professorin Margrit Löbner vom Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) der Universität Leipzig bewährt. Für einige zeigten sich gar vergleichbare Effekte wie durch eine Psychotherapie. Außerdem seien sie immer und überall verfügbar, und die User bräuchten keine große Hemmschwelle zur Teilnahme zu überwinden.
Wartezeiten überbrücken
Die Programme können die Zeit bis zum Beginn einer Psychotherapie überbrücken. Darüber hinaus kann eine App für die Psyche eine Ergänzung zur Face-to-Face-Therapie darstellen oder auch zur Nachsorge nach Abschluss einer ambulanten oder einer stationären Behandlung dienen. Löbner warnt allerdings davor, Betroffenen eine App aufzudrängen. „Ein Patient muss sich eine solche Behandlung vorstellen können. Wenn jemand dem digitalen Programm skeptisch bis ablehnend gegenübersteht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er es nicht durchhält oder gar nicht erst beginnt“, sagt sie G+G. Auch könnten die Online-Anwendungen Therapien von Angesicht zu Angesicht oder eine medikamentöse Behandlung nicht ersetzen. „Die Apps sind einfach ein guter zusätzlicher Behandlungsbaustein“, so die Psychologin. Inhaltlich handele es sich meistens um einen Mix aus psychoedukativen Inhalten und interaktiven Übungen.
Bislang wurden in der BfArM-Liste 69 DiGA aufgeführt, wobei zehn bereits wieder gestrichen worden sind. Einem Bericht des GKV-Spitzenverbandes zufolge wurden von September 2020 bis Ende Dezember 2024 insgesamt 861.000 DiGA in Anspruch genommen. Die GKV hat dafür 234 Millionen Euro gezahlt. Allein im Zeitraum 2023 bis 2024 sind die Ausgaben in diesem Bereich um 71 Prozent gestiegen.
„Der Patient muss sich eine DiGA-Behandlung vorstellen können, sonst besteht die Gefahr, dass sie abgebrochen wird.“

Universität Leipzig
Oft kein Nutzennachweis
Die Anwendungen können auch vorläufig, ohne Nutzennachweis des Anbieters, in die BfArM-Liste aufgenommen werden, müssen von den Kassen aber voll bezahlt werden. Die Preise werden von den Herstellern im ersten Jahr nach Belieben festgelegt. Der höchste Herstellerpreis einer DiGA liegt laut GKV-Verband bei 2.077 Euro, trotz Erprobungsphase. Nur jeder zweiten DiGA, die vorläufig in den Leistungskatalog aufgenommen wurde, gelingt es dem Bericht zufolge, ihren versprochenen Nutzen zu erreichen.
Kassen fordern Änderungen
Nach Ansicht der stellvertretenden Vorsitzenden des GKV-Spitzenverbandes, Stefanie Stoff-Ahnis, schöpfen die DiGA „ihr ohne Zweifel vorhandenes Potenzial für eine bessere Versorgung bei Weitem nicht aus“. Zwar schafften immer mehr DiGA, die vorläufig aufgenommen wurden, nach einiger Zeit den Sprung in die dauerhafte Verschreibungsfähigkeit. „Aber der Anteil von Anwendungen, die zunächst ohne einen nachgewiesenen Nutzen auf die Smartphones und Tablets der Patientinnen und Patienten gelangen, ist mit über 80 Prozent unverändert hoch“, beklagt Stoff-Ahnis. Das mache die Versicherten zu „Versuchskaninchen“ und verunsichere die Ärzteschaft wie auch Patientinnen und Patienten.
Der GKV-Spitzenverband und Krankenkassen fordern daher ein gesetzliches Update bei den Zulassungsvoraussetzungen. So sollten nur noch Produkte bezahlt werden, deren Nutzen, Qualität und medizinische Notwendigkeit hinreichend nachgewiesen sind. Die Prüfung solle dem Gemeinsamen Bundesausschuss obliegen. Zudem müssten die zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Herstellern verhandelten Preise ab dem ersten Tag der Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis gelten. Gerade bei DiGA höherer Risikoklassen müsse es eine tiefere Nutzen- und Risikobewertung geben. Patientensicherheit und Patientenwohl sollten auch bei den DiGA das oberste Gebot sein.
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