Klimawandel im Krankenhaus
Der Gesundheitssektor trägt erheblich zum Treibhausgas-Ausstoß bei, verbraucht Fläche und verschmutzt Luft, Wasser und Boden. Was Krankenhäuser für mehr Nachhaltigkeit tun können, veranschaulichen Beispiele aus Hannover.

Während wir uns in Kliniken und Arztpraxen heilen lassen, belasten wir gleichzeitig die Umwelt, das Klima und damit unsere Gesundheit – ein Dilemma, dem mit mehr Nachhaltigkeit im Gesundheitssektor begegnet werden sollte. Sechs Prozent der Treibhausgas-Emissionen in Deutschland waren im Jahr 2019 auf den Gesundheitsbereich zurückzuführen, so aktuelle Berechnungen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.
Dorothea Baltruks vom Centre for Planetary Health Policy machte auf einer Tagung in Hannover deutlich, dass es nicht nur darum gehe, dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen, sondern auch darum, das Artensterben sowie die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden aufzuhalten. „Der größte Hebel, um unseren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern, sind Prävention und Gesundheitsförderung“, so Baltruks.
Nachhaltigkeit ins Gesetz
Baltruks wünscht sich zudem, „dass der Gesundheitsminister einen Fahrplan zu einem nachhaltigen ökologischen Gesundheitswesen, einen Klimapakt Gesundheit, auf den Weg bringt“. Sie fordert eine entsprechende Zielsetzung für den Gesundheitssektor. Nachhaltigkeit sei im Sozialgesetzbuch V zu verankern.
Bei Klimaschutzmaßnahmen in Krankenhäusern sieht sie Hindernisse, wie beispielsweise „unzureichende Investitionen der Länder, die Externalisierung von Umweltkosten und landesrechtliche Zweckbindung von Fördermitteln“. Um nicht nur auf die Politik zu warten, empfiehlt Baltruks: „Die Führungsebene der Krankenhäuser sollte das Klima- und Nachhaltigkeitsmanagement stützen und diese Funktion mit finanziellen Ressourcen ausstatten.“
Klimaschutz geht alle an
Die Sophienklinik in Hannover, ein Belegkrankenhaus mit 128 Betten, hat Klimaschutz und Nachhaltigkeit zur Chefsache gemacht. Im Rahmen des „KLIK green“-Projektes hat sich Jessica Stange 2021 zur Klimamanagerin qualifizieren lassen. Sie berichtete gemeinsam mit ihrer Kollegin Nicole Pisarek, dass die Klinik seit 2019 knapp 68 Tonnen CO2 eingespart habe. Funksensoren steuerten Heizung und Lüftung, Prozesse seien verschlankt und Papier gespart worden, die Elektromobilität mit einer Ladesäule unterstützt worden, der Neubau von 2017 habe Niedrigenergiehaus-Standard. Geplant seien darüber hinaus eine Photovoltaik-Anlage und LED-Beleuchtung in der ganzen Klinik. Die Mitarbeitenden würden motiviert, an Aktionen wie dem „Stadtradeln“ und „Mit dem Rad zur Arbeit“ teilzunehmen. Die Flächen rund um die Sophienklinik seien bienenfreundlich und standortgerecht bepflanzt worden. „Klimaschutz betrifft uns alle. Jeder kann einen Beitrag dazu leisten, die Zukunft klimafreundlich und umweltbewusst zu gestalten“, so das Fazit von Stange und Pisarek.
Auch die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) hat sich auf den Weg zu mehr Nachhaltigkeit gemacht. André Rademacher, Leiter der Stabsstelle Arbeitssicherheit und Nachhaltigkeit, berichtete über das Projekt „Green Circle“, eine „Plattform für die Entwicklung einer Kultur der Nachhaltigkeit“. Hier beschäftigen sich rund 20 Mitarbeitende aus allen Bereichen der MHH mit Nachhaltigkeit im Klinikalltag. Dabei folgen sie einer 2022 eingesetzten Umweltleitlinie der MHH, die auf dem „Hochschulspezifischen Nachhaltigkeitskodex“ des Forschungsministeriums beruhe. Rademacher hat errechnet, dass im Jahr 2022 fast 160.000 Tonnen CO2-Emissionen auf das Konto der MHH gingen, der größte Teil im Bereich „Scope 3“. Das sind Emissionen, die in den vorgelagerten Lieferketten entstehen. Davon verursachen Medizinprodukte und Arzneimittel rund 50 Prozent.
Prävention ausbauen
Am Beispiel der Krankenhäuser wird deutlich, dass es „am meisten bringt, die Dienstleistung Gesundheit zu vermeiden“, wie Dr. Moritz Völker, Vorsitzender Junge Ärztinnen und Ärzte im Hartmannbund, sagte. „Zu laufen ist immer grüner als das grünste Auto zu fahren.“ Nach Ansicht des Notfallmediziners vom Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke entscheide „die Transformation hin zu weniger, aber besser genutzten Kapazitäten über unsere Zukunft“. „Eine Medizin, die nach einem Abrechnungssystem funktioniert, kann nicht nachhaltig sein“, so Völker. Der Hartmannbund fordere „eine zeitgemäße Interpretation des Begriffs Wirtschaftlichkeit im Sozialgesetzbuch V“. Jeder habe die Möglichkeit, etwas für die Nachhaltigkeit im Gesundheitsbereich zu tun.
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