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Umbau der Hilfsmittelversorgung: GKV fordert „fairen Wettbewerb“

02.10.2023 Tina Stähler 5 Min. Lesedauer

Massive Preissteigerungen und ein zum Teil unnützer Austausch von Geräten – dies sind nur zwei Beispiele, in denen die Hilfsmittelversorgung aus GKV-Sicht überarbeitungsbedürftig ist. Die gesetzlichen Krankenkassen setzen sich in einem Eckpunkte-Papier für einen „fairen Wettbewerb“ und veränderte Ausschreibungsbedingungen ein.

Foto: Krücken, Rollstuhl und Laufhilfe stehen nebeneinander.
Jedes Jahr versorgen die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen ihre Versicherten mit mehr als 30 Millionen Hilfsmitteln.

Um über 500 Prozent sind die Preise für Geräte zur Transkutanen Elektrischen Nervenstimulation (TENS), die zur Behandlung von Schmerzen und zur Muskelstimulation eingesetzt werden, in den Jahren 2018 bis 2020 gestiegen. Gleichzeitig führt der regelmäßige Austausch von Blutdruckmessgeräten zu Irritationen bei Versicherten, die zum Teil eine Wartung der Geräte bevorzugen würden. Jedoch ist der Aufwand für die zweijährliche messtechnische Kontrolle höher als eine Neubeschaffung. Betroffen sind 400.000 Blutdruckmessgeräte. Diese zwei Beispiele aus dem Hilfsmittelbereich der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen lassen aufhorchen.

Wettbewerb unter Leistungserbringenden wiederbeleben

Exemplarisch unterstreichen sie die Forderung der gesetzlichen Krankenkassen, die Ende September eine Umstrukturierung der Hilfsmittelversorgung gefordert hatten. Dazu hatten der GKV-Spitzenverband, die AOK Bayern und die Techniker Krankenkasse sechs Eckpunkte für einen „fairen Wettbewerb“ vorgelegt. Für rechtssichere Ausschreibungen sollen Steuerungsinstrumente festgelegt und Festbeträge gestärkt werden.

Gleichzeitig sprechen sich die Kassenvertreter dafür aus, den Wettbewerb unter Leistungserbringenden wiederzubeleben. Um Verhandlungsgemeinschaften zum Nachteil der Versichertenversorgung zu verhindern, müsse das Kartellrecht konsequent angewendet werden. Unnötige Bürokratieprozesse, etwa bei Betreiberpflichten oder Präqualifizierung, müssen dem Konzept zufolge abgebaut werden. Die Mehrwertsteuer bei Hilfsmitteln soll auf sieben Prozent gesenkt werden. Leistungserbringende sollen künftig Gründe für Mehrkosten elektronisch an die Krankenkassen übermitteln müssen.

3,78 Prozent der GKV-Gesamtausgaben für Hilfsmittel

Die Vorstandsvorsitzende der AOK Bayern, Irmgard Stippler, machte deutlich, dass trotz der Preissteigerungen, beispielweise bei den TENS-Geräten, „keine Verbesserung der Versorgung der Versicherten festgestellt werden“ konnte. „Das zeigt, dass die Ausschreibungen ein wirkungsvolles Instrument für eine wirtschaftliche und qualitativ hochwertige Versorgung mit Hilfsmitteln sein können. Deshalb fordern wir, den Krankenkassen diese Möglichkeit wieder zur Verfügung zu stellen.“

Jedes Jahr versorgen die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen ihre Versicherten mit mehr als 30 Millionen Hilfsmitteln. Hierzu gehören etwa Gehhilfen, Rollstühle, Hörhilfen, Blutzuckermessgeräte, Blutdruckmessgeräte, Inkontinenzhilfen sowie digitale Pflegehilfsmittel. 2022 betrugen die Ausgaben für Hilfsmittel 10,36 Milliarden Euro und damit 3,78 Prozent der GKV-Gesamtausgaben (274,23 Milliarden Euro). Dies entspricht seit 2008 einer Steigerung um 81 Prozent. Pro Versicherten erhöhten sich die Ausgaben in diesem Zeitraum (2008 bis 2022) um 73 Prozent – von rund 81 Euro auf 141 Euro.

Anspruch auf Hilfsmittelversorgung im SGB V festgelegt

Gesetzlich Krankenversicherte haben gemäß dem fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) einen Anspruch auf Hilfsmittelversorgung gegenüber ihrer Krankenkasse. Die Krankenkassen realisieren diesen Versorgungsanspruch im Rahmen des Sachleistungsprinzips, indem sie Verträge mit den sogenannten „präqualifizierten Hilfsmittel-Leistungserbringern“ schließen. Hilfsmittel-Leistungserbringer, zum Beispiel Hörakustiker, Augenoptiker, Sanitätsfachhändler oder Apotheker, geben die Hilfsmittel an die Versicherten ab. Dabei müssen die Krankenkassen den Verträgen die Qualitäts- und Dienstleistungsanforderungen des Hilfsmittelverzeichnisses zugrunde legen.

Laut GKV-Spitzenverband besteht gemäß den Rechtsvorschriften für Versicherte grundsätzlich ein Anspruch auf Hilfsmittel, wenn diese im Einzelfall erforderlich sind, um entweder den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder aber eine Behinderung bei der „Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind“.

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