Den Helfern helfen

Wie können sich professionelle Helfer vor emotionaler Überforderung schützen und verhindern, krank zu werden durch Mitleid und die Erfahrung, nicht immer und in jedem Fall Leben retten zu können? Die Antwort : durch ein wissenschaftlich fundiertes systematisches Training Emotionaler Kompetenzen (TEK). Diese spezielle Form der Prävention fördert die AOK PLUS in einem auf drei Jahre angelegten Projekt für Rettungsassistenten des DRK Sachsen.

14.02.2022Autor/in: Hannelore StrobelRubrik: Versorgung und Innovation 0

Immer mehr Stress für Helfer

Das passiert nicht selten: Leute rasten aus, wenn sie auf einer schmalen Straße mit parkenden Autos links und rechts hinter einem Rettungsfahrzeug zum Stehen kommen. Dann werden die Rettungssanitäter beschimpft, sogar körperlich attackiert, es gab auch schon zerstochene Autoreifen am Einsatzfahrzeug, das „im Weg stand“. Oder Gaffer behindern die Helfer, fotografieren Unfallopfer und reagieren unflätig, wenn sie von den Ärzten oder deren Assistenten um Abstand und Diskretion gebeten werden.

Derartiges Verhalten habe zugenommen und sei leider ein Zeichen unserer Zeit, sagt Dr. Nicole Protzig, Vizechefin des DRK-Landesverbandes Sachsen bei der Eröffnung des ersten Präsenztages im TEK-Projekt, das die AOK PLUS in Kooperation mit der Westsächsischen Hochschule Zwickau für Praxisanleitende des DRK im Freistaat anbietet.

Gegenmaßnahme TEK

Hinter jedem guten Projekt steht ein gutes Konzept.

15 Rettungsdienste nehmen an diesem sehr besonderen Training teil, das im März 2021 gestartet ist und pandemiebedingt bislang ausschließlich in virtuellen Austauschformaten stattfinden konnte. Jetzt – ein Jahr später – fand es erstmals live in der Projektwerkstatt der Gesundheitskasse in Dresden statt. Praxisanleiterinnen und -anleiter haben sich Mitte Februar für einen Tag zum TEK-World-Cafe getroffen, also zum Arbeiten in Gruppen, zum Erfahrungsaustausch, zur Theoriedurchdringung in Diskussionen, angeleitet und unterstützt von Wissenschaftlerinnen des Lehrstuhls für Gesundheitsförderung und Prävention an der Westsächsischen Hochschule Zwickau.

Frau Professor Gabriele Buruck, die das TEK-Konzept für den Rettungsdienst adaptiert hat, betont die Praxistauglichkeit des Ansatzes, der dazu führen soll, dass die oder der Einzelne ihre bzw. seine Fähigkeiten zur Entspannung, zur bewertungsfreien Wahrnehmung, zur Akzeptanz, Toleranz, Selbstunterstützung, Analyse und Regulation verbessert. „Letztlich geht es um Stressbewältigung im Arbeitsalltag von Rettungssanitätern. Ursprünglich hatten sich Azubis gewünscht, dass sie mehr Feedback und Unterstützung bei der Umsetzung der in der Ausbildung erlernten Inhalte zum Training ihrer emotionalen Kompetenz bekommen. Deshalb setzen wir nun bei den Ausbildern an. Die müssen zu Multiplikatoren für das Thema werden und sind eine ganz wichtige Schnittstelle.“

Praxisanleiter im World-Café

Im World-Café wurden gemeinsam Erfahrungen ausgetauscht und Hilfsmöglichkeiten besprochen.

18 gestandene Frauen und Männer bringen ihre Alltagserfahrungen mit. Geschichten von Kolleginnen und Kollegen aus sächsischen Großstädten und aus ländlichen Regionen vom Vogtland bis Ostsachsen fließen dabei in den Austausch ein. Dass es für Berufsanfänger besonders schwer ist, mit Grenzerfahrungen umzugehen – sei es, weil manchmal Hilfe nicht mehr möglich ist oder wegen der eingangs beschriebenen „Umweltfaktoren“ – darin sind sich alle einig. Und klar ist: den Berufsnachwuchs und stabile Teams kann man nur halten, wenn man die Einzelnen befähigt, Resilienz zu entwickeln. Wenn ein junger Kollege, der sonst nach dem gerade absolvierten Einsatz voller Begeisterung davon erzählt, mal still und bedrückt in sein Zimmer gehe und die Tür hinter sich zumache, müsse man hintergehen und fragen, was los war, meint eine der Ausbilderinnen in der Diskussion. An Grenzen zu geraten sei kein Versagen. Aber den Umgang damit habe man eben nicht gleich mit 18 Jahren. Dafür brauche man Strategien und praktische Hilfen.

Wir helfen den Helfern

Die Räume der Projektwerkstatt der AOK PLUS stellten den passenden Rahmen, um das World-Café
persönlich durchführen zu können.

Diesen noch relativ neuen Aspekt betrieblicher Gesundheitsförderung betont denn auch AOK PLUS-Vorstand Stefan Knupfer: „Für die physische Fitness ganzer Belegschaften in Betrieben und Institutionen tun wir als Gesundheitskasse schon seit Jahren sehr viel. Das hier ist noch relativ neu: die Resilienz, also die psychische Widerstandskraft zu stärken. Dass in diesem Projekt Menschen diese spezielle Unterstützung von uns bekommen, die in ihrem beruflichen Alltag anderen – also uns – helfen, ist ein aktuell besonders wichtiges Zeichen.“

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