Viele Hürden erschweren Registerforschung mit Gesundheitsdaten
In der registerbasierten Forschung mit versorgungsnahen Gesundheitsdaten sehen Expertinnen und Experten etliche Vorteile: geringere Kosten, schnellere Ergebnisse und verbesserte Patientenversorgung. Doch noch beeinträchtigen Hindernisse wie zu hohe Komplexität und eine unzureichende Gesetzgebung hierzulande eine gute Umsetzung.

Schweden praktiziert bereits, was sich Forschende in Deutschland noch ersehnen: die einfache und vernetzte Nutzung von Daten aus Registern zu Gesundheit und anderen Bereichen für weitreichende neue Erkenntnisse. In dem skandinavischen Land werden beispielsweise mittels registerbasierter Überwachung die direkten und indirekten Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die gesamte Bevölkerung erforscht. Das Projekt „Swecov“ entstand im Anschluss an die Arbeit der Corona-Kommission, die im Februar 2022 endete. Das interdisziplinär angelegte Projekt mit einer Laufzeit bis 2028 geht den Fragen nach, wie sich Corona-Maßnahmen akut, aber auch langfristig auf die physische und psychische Gesundheit der Menschen sowie die Gesellschaft ausgewirkt haben, ebenso auf soziale und ökonomische Outcomes. „Entsprechend breit sind auch die Daten“, erklärt Dominik Dietler von der Lund-Universität in Schweden.
Vernetzung von Daten aus verschiedenen Quellen
Die „Fülle der Daten“ generiert sich laut Dietler aus den zwischen 1990 und 2023 in Schweden registrierten mehr als 15 Millionen Menschen. Ende des Jahres soll noch ein Update erfolgen mit den Personen, die 2024 dazugekommen sind. Das wären dann etwa 16 Millionen Menschen, die „in unserer Studienpopulation miteinbezogen sind. Und für all diese Leute haben wir verschiedene Informationen“, erläutert der Wissenschaftler auf der jüngsten Konferenz für registerbasierte Forschung in Berlin. „Jede Person, die in Schweden registriert ist, kriegt eine persönliche Identifikationsnummer“, berichtet Dietler.
Zur Person liegen Dietler zufolge Daten zur Gesundheit, speziell auch zu Covid-19 vor, aber auch ökonomische Informationen sowie zur Arbeitssituation, über die Lebensumstände, mit wem die Personen zusammenwohnen und verwandt sind. Zusätzlich gebe es Daten zu Firmen und dazu, wie die Umsätze sich entwickelt haben. Durch die Identifikationsnummer könnten all diese Daten aus verschiedenen Quellen miteinander vernetzt werden. So konnten Forschende zum Beispiel der Frage nachgehen, ob ein Zusammenhang zwischen einer Corona-Infektion und Diabetes Typ1 bei Jüngeren besteht.
Neue Plattform für Krebsregisterdaten in Deutschland
Einer Vernetzung relevanter Gesundheitsdaten widmet sich in Deutschland derzeit das Projekt „Plato 2“. Per gesetzlichem Auftrag aus dem Jahr 2021 gilt es, Krebsregisterdaten zusammenzuführen. Gemeinsam arbeiten das Zentrum für Krebsregisterdaten am Robert-Koch-Institut, die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren, die Deutsche Krebsgesellschaft, die Deutsche Krebshilfe, die Krebsregister und Vertretende von Patientenorganisationen neben weiteren an einem Konzept für eine Plattform.
„Auf dieser sollen „bundesweit anlassbezogen Daten zusammengeführt werden. Und zwar die Krebsregisterdaten aus den Ländern, die aber auch verknüpft werden können mit anderen Daten“, gibt Sylke Zeißig einen Einblick in die Ziele eines solchen Kompetenzverbundes in der Onkologie. Eine Hilfe sei dabei das neue Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG), „aber vieles können wir auch mit dem GDNG noch nicht beantworten“, bedauert Zeißig, Vorstandsvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren.
Auf Anwenderebene Komplexität im System reduzieren
Bei der Beschaffung von Daten, dem Zugang zu Datenquellen sowie der Verknüpfung von Daten seien viele Hürden zu bewältigen. So gebe es viele unterschiedliche Ansprechpartner und wenig Transparenz über das Angebot der verschiedenen Daten. Immerhin befänden sich zentrale Datenpools im Aufbau mit dem Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ), dem Forschungsdatenportal Gesundheit (FDPG) und dem Netzwerk Universitätsmedizin (NUM). Auch sei die Standardisierung von Daten noch defizitär, es fehle teils Interoperabilität und die Datenstrukturen seien heterogen.
Zudem bestünden unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen. Ein beauftragtes Gutachten zeige, „wie komplex und heterogen das ist“, sagt Vorstandsvorsitzende Zeißig. Forschende, die vor allem aufgrund ihrer Arbeit in einer Klinik nur begrenzt Zeit hätten, seien daneben schnell überfordert mit dem Datendschungel. Sie fordert deshalb: „Wir müssen auf Anwenderebene die Komplexität im System reduzieren.“
Einbettung in den Europäischen Gesundheitsdatenraum
Mit der Plattform soll laut Zeißig auch ein Metasystem geschaffen werden, um die Datenschätze in der Onkologie sowie Daten darüber hinaus in Plato 2 zu integrieren. Ein Kompetenzverbund in der Onkologie könnte die Forschung mit den Daten voranbringen, bei dem Vertreter aus den datenhaltenden Stellen, verschiedene Initiativen und Projekte, die einschlägigen Fachgesellschaften, aber auch die Vertretungen der Patientinnen und Patienten mit eingebunden sind. Forschende benötigten über eine Koordinierungsstelle ein Beratungsangebot mit Lotsenfunktion, zudem sei eine Vereinfachung des Antragsmanagements erforderlich. Das Portal sollte perspektivisch eine Rolle im sich im Aufbau befindenden Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) spielen.
BMG-gefördertes Projekt erarbeitet Empfehlungen
Wie Hindernisse abgebaut und welche Lösungsmöglichkeiten es gibt für die Probleme, mit denen die registerbasierte Forschung in Deutschland derzeit kämpft, dem geht aktuell das vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geförderte Verbundprojekt „Registerbasierte Interventionsstudien in Deutschland – Anforderungen, Möglichkeiten, Limitationen und Perspektiven“ (Regint) nach. Ziel ist es laut dem Deutschen Netzwerk Versorgungsforschung (DNVF), Empfehlungen für die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für die Durchführung von registerbasierten Interventionsstudien zu entwickeln, die auch in das Registergesetz einfließen.
Erste Erkenntnisse durch Erhebungen über Experten und Expertinnen aus dem Regint-Projekt sind unter anderem, dass es gesetzliche Rahmenbedingungen für „zentrale, einfache und einheitliche Prozesse für Datenschutz und Ethikvoten“ braucht, weiß Hannah Grillmaier vom DNFV. Ein erleichterter sogenannter Datenlinkage-Prozess mit Opt-Out-Regelung und Bürokratieabbau wünschten sich demnach die Forschenden ebenso wie eine „Standardisierung der Dokumentation der Register- und Studienabläufe“. Hinsichtlich der Kommunikation sollte das Bundesgesundheitsministerium „klar und aktiv Register für registerbasierte Forschung fördern“. Auch sollte die Positionierung in der Öffentlichkeit gestärkt werden, zählt Grillmaier weiter auf.
Schwarz-rote Bundesregierung plant Registergesetz
Die Bundesregierung hat sich Verbesserungen für die Forschung mit Gesundheitsdaten in dieser Legislatur zum Ziel gesetzt. In ihrem Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, zur besseren Datennutzung ein Registergesetz aufzusetzen und die Datennutzung beim Forschungsdatenzentrum Gesundheit zu verbessern. Dabei soll der Datenschutz hohe Priorität genießen: „Gleichzeitig ist der Schutz von sensiblen Gesundheitsdaten unabdingbar. Deshalb wirken wir auf eine konsequente Ahndung von Verstößen hin“, heißt es im Koalitionsvertrag.
Unter diesen Prämissen soll Deutschland zu einem Spitzenstandort für die Gesundheitsforschung und klinische Studien avancieren. Die Regierung verspricht, wie von den Praktikerinnen und Praktikern gefordert, Hürden abzubauen und Regelungen mit anderen EU-Staaten zu harmonisieren.
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