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FDZ will 2024 starten – Krebsregister sieht sich bereits gut aufgestellt

16.01.2024 Irja Most 7 Min. Lesedauer

Eine möglichst umfangreiche und präzise Forschung mit Gesundheitsdaten soll künftig das Forschungsdatenzentrum Gesundheit für eine bessere Versorgung hierzulande bieten. G+G hat beim zuständigen Bundesinstitut in Bonn sowie beim Krebsregister nachgefragt, wie der Umsetzungsstand ist.

Eine Ärztin arbeitet mit Daten auf einem holografischen Display.
Mit den Gesetzen zur Digitalisierung im Gesundheitswesen soll auch die Forschung mit Gesundheitsdaten Aufschwung erhalten.

Mit der Verabschiedung der Digitalgesetze im Bundestag vor gut vier Wochen ist auch die Weiterentwicklung des Forschungsdatenzentrums Gesundheit (FDZ) weitestgehend besiegelt. Das am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) angesiedelte FDZ befinde sich derzeit noch im Aufbau, gibt ein Sprecher des Bfarm auf G+G-Nachfrage Auskunft.

Fünf Innovationen stehen im Fokus

Viele Grundstrukturen seien zwar bereits geschaffen, diese müssten aber gründliche Tests durchlaufen, um potenzielle Probleme zu identifizieren und zu beheben. Der Fokus liege bei der Weiterentwicklung vor allem fünf Innovationen. Zum einen würden virtuelle Analyseräume errichtet, in denen Forschende weitgehend selbstständig arbeiten könnten. Die neue Analyseumgebung werde zudem skalierbar sein – das heißt fähig zur Größenveränderung bei Bedarf - und so laut Bfarm eine höhere Anzahl an Big-Data-Analysen verarbeiten können.

Daneben werde für eine schnellere Berechnung der Ergebnisse ein leistungsfähiges Rechenzentrum mit entsprechend performanter Hardware aufgebaut. Durch die neuen Nutzungsmöglichkeiten von Gesundheitsdaten sei außerdem die Beantwortung spezifischer Forschungsfragen möglich, da ein umfangreicherer und aktueller Datensatz zur Verfügung stehe. Ebenso soll das FDZ eine zügigere Auftragsbearbeitung durch ein elektronisches Antragsverfahren gewährleisten.

Optimierungsprozess geht nach Launch weiter

Jedes der Projekte befinde sich in einer unterschiedlichen Entwicklungsphase. „Jedoch gehen wir davon aus, dass diese Innovationen bis zur zweiten Hälfte des Jahres 2024 in einer ersten Version abgeschlossen sein werden. Wir haben vor, auch nach dem Launch weiterhin Verbesserungen an den Strukturen vorzunehmen, um ihre Effizienz und Leistungsfähigkeit zu steigern“, teilt der Bfarm-Sprecher weiter mit.

Denn im Zentrum der Arbeit des FDZ stehe die Gesundheit von Patientinnen und Patienten, betont FDZ-Leiter Steffen Heß. Forschung mit Gesundheitsdaten ermögliche Einblicke in Prävention, Diagnostik und langfristige Behandlung von Krankheiten „und wird die Versorgungsforschung in Deutschland vorantreiben." Das soll stets „im Einklang mit höchsten Datenschutzstandards" erfolgen, so Heß.

Gesundheitsdaten verbleiben am „sicheren Speicherort"

Als wichtige Veränderung für die Forschung gibt das Bundesgesundheitsministerium an, dass für die Antragsberechtigung nicht mehr ausschlaggebend sei, „wer beantragt, sondern wofür“. Entscheidend seien die im Gemeinwohl liegenden Nutzungszwecke. Das FDZ könne pseudonymisierte Daten mit den Krebsregisterdaten sowie Daten weiterer gesetzlich geregelter medizinischer Register verknüpfen, wenn dies für den antragsgemäßen Forschungszweck erforderlich ist und die Interessen der Versicherten hinreichend gewahrt würden.

Dafür würden die Daten selbst nicht direkt an Forschende übermittelt, sondern diese erhielten nach einem erfolgreichen Antrag Zugang zu dem virtuellen Analyseraum, in dem der relevante Datenausschnitt zeitlich begrenzt und nur für die jeweilige Forschungsfrage zur Verfügung stehe. So verließen die Daten nicht diesen „sicheren Speicherort“, unterstreicht das Bfarm. Erst nach Abschluss erfolgreicher Forschungsarbeit sei es möglich, Ergebnistabellen zu exportieren, die dann laut Bfarm „keine Reidentifikation von Einzelpersonen mehr zulassen“. Analysetools ermöglichten die Datenauswertung vor Ort und zum Einsatz kämen gängige Programmiersprachen sowie Umgebungen der wissenschaftlichen Forschung.

Auftakt mit Abrechnungsdaten der gesetzlich Krankenversicherten

Zum geplanten Start des FDZ in der zweiten Jahreshälfte sei es Teil des Konzepts, dass Forschende zunächst nur auf bestimmte Daten zurückgreifen können. Das FDZ erhalte jährlich vom GKV-Spitzenverband die pseudonymisierten Abrechnungsdaten aller gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland. Diese Daten würden dann spezifisch für Forschungsfragen zur Analyse bereitgestellt, jedoch nicht in ihrer Gesamtheit. Zukünftig sei geplant, weitere Datensätze zu integrieren, wie beispielsweise das Krebsregister gemäß den Vorgaben des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes (GDNG).

Das Krebsregister sieht sich für diese Aufgabe schon jetzt gut aufgestellt. Die Plattform § 65c, der bundesweite Zusammenschluss aller klinischen Krebsregister der Bundesländer, begrüßt die für sie nach eigenen Angaben sehr bedeutsamen Gesetze. Beim Digitalgesetz werde das Krebsregister mit dem Kompetenzzentrum für Interoperabilität im Gesundheitswesen bei den Festlegungen zur technischen, semantischen, syntaktischen und organisatorischen Interoperabilität des onkologischen Basisdatensatzes (oBDS) eng zusammenarbeiten. „Auf Arbeitsebene haben wir diesbezüglich auch schon mit der Gematik Kontakt aufgenommen“, sagt Tobias Hartz, Sprecher der Plattform § 65c. „Beim GDNG freuen wir uns, dass unsere Daten zukünftig einfacher mit allen Krankenkassendaten verknüpft werden können.“

„Best-of“-Datensatz aus jeweiligem Landeskrebsregister

Um die Daten so qualitätsgesichert wie möglich zusammenzuführen, soll bei der Übermittlung der Daten der Landeskrebsregister ein Datenbereinigungsverfahren zum Einsatz kommen. „Dies mag verwundern, da wir in den Landeskrebsregistern ja bereits qualitätsgesicherte Daten liegen haben. Uns geht es aber darum, dass wir bei der Zusammenführung eine Art ‚Clearing‘ vornehmen und zu jedem Tumorfall in der Regel nur einen ‚Best-of‘-Datensatz aus einem Landeskrebsregister übermitteln", erläutert Hartz.

Hintergrund: Bei Patientinnen und Patienten, die sich in mehreren Bundesländern behandeln lassen, fallen entsprechend in mehreren Landeskrebsregistern Daten zu dem Fall an. Damit an die Behandler und Behandlerinnen wertvolle Verlaufsinformationen zurückgespiegelt werden können, findet unter den Landeskrebsregistern ein registerübergreifender Datenaustausch (RÜD) statt. Der RÜD, den die Landeskrebsregister untereinander regelmäßig, mindestens zweimal im Jahr, durchführten, ist laut Hartz ein etablierter und sehr wertvoller Prozess. „Hier wird Interoperabilität schon gelebt und gleiches Verständnis der Daten gefördert“, betont der Sprecher der Plattform § 65c.

Idealfall der Daten-Zusammenführung

Bei den Krankenkassen hingegen seien die Daten bereits konsolidiert. Hier fielen Daten zu einer Person innerhalb eines Zeitraums nur bei einer Stelle an. Dies mache die Zusammenführung bei den Krankenkassen einfacher, wobei dies sicherlich auch kein einfacher Prozess sei, führt Hartz an. Die Landeskrebsregister erfassten dagegen behandlungsortbezoge Daten und so könnten innerhalb eines gleichen Zeitraums Daten zu einem Tumorfall in verschiedenen Bundesländern anfallen.

Der Idealfall sähe für Hartz daher folgendermaßen aus: „In einer perfekten Welt würden wir Landeskrebsregister mit dem RÜD bei allen Patienten, die in mehreren Bundesländern behandelt werden, gleiche Best-of-Datensätze des Tumorfalls als Best-of-Daten vorliegen haben. Wir hätten auch die Möglichkeit, das wohnortbezogene Landeskrebsregister zum Zeitpunkt der Diagnose als datenliefernde Stelle zu definieren, damit bei der Zusammenführung zu einem Fall ein Datensatz der Krankenkassen und ein Datensatz der Landeskrebsregister zusammengeführt wird. Das könnte schon dies Bereinigungsverfahren sein.“

Hoffen auf Meta-Daten zur Verfahrens-Optimierung

Die Datenlieferung an das Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) beim Robert Koch-Institut (RKI) funktioniere genauso, die dieses Jahr auch für die klinischen Daten etabliert worden sei. „Dank des einheitlichen Datenformats, was wir für die Datenlieferung an das ZfKD spezifiziert und umgesetzt haben, wird uns die Umsetzung des GDNG leichter fallen“, erwartet der Sprecher der gemeinsamen Plattform der Landeskrebsregister. Bei der Zusammenführung der Krankenkassendaten und Landeskrebsregisterdaten könnten sie auf die Krankenversichertennummer zurückgreifen als sogenannten Identifier, heißt als Kennung. Daher hofft Hartz: „Dass wir bei der Datenbereinigung einen Schritt weiter gehen und Meta-Daten austauschen können, die wir Landeskrebsregister wiederum nutzen können, um unser RÜD-Verfahren zu überprüfen und zu verbessern."

Die Landeskrebsregister würden bereits besprechen, wie dies möglichst aufwandsarm, aber effektiv gelöst werden könnte. Auf Arbeitsebene seien sie mit RKI, Bfarm und dem FDZ bereits im Austausch, wie die neuen Strukturen konkret umgesetzt werden können. Hartz sei „auf jeden Fall sehr optimistisch“, dass sie dank der Strukturen, die sie im Zuge des Krebsfrüherkennungs- und -registergesetzes (KFRG) in den vergangenen zehn Jahren aufgebaut haben, „schon eine sehr gute Ausgangsposition haben, um die Ziele des GDNG verfolgen und zeitnah umsetzen zu können“. Auch wenn es noch an der einen oder anderen Stelle Luft nach oben gäbe.

Foto: Eine Frau in Medizinerkleidung spricht mit einer Frau, die ein Tuch über dem Kopf trägt.
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10.01.2024Solveig Giesecke5 Min

Mitwirkende des Beitrags

Irja Most

Autorin