Artikel Versorgung

„Wie geht es Ihnen?" – Was eine einfache Frage bewirken kann

17.09.2025 Anja Schnake 3 Min. Lesedauer

Wie es Patientinnen und Patienten bei ihrer Behandlung ergeht, wird in Deutschland nur punktuell erhoben. Für mehr Mitwirkung in der Versorgung warb deshalb das Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) auf seinem ersten Symposium zur Bedeutung der Patientenperspektive in der Gesundheitsversorgung.

Ärztin sitzt seitlich im Bild mit einem Klemmbrett und einem Kugelschreiber. Im Hintergrund erkennt man unscharf eine Patientin.
Das persönliche Gespräch mit Patientinnen und Patienten könnte langfristig das Gesundheitssystem stärken, wenn man Daten daraus zielgerichtet einsetzen würde.

„Wir im IQTIG verstehen Patientenbefragungen als Instrument der Patientenzentrierung und der Partizipation“, sagt Institutschef Claus Dieter Heidecke in seiner Begrüßung. Ob überfordertes Personal, fehlende Aufklärung oder nutzlose Therapien – die Menschen in den Behandlungszimmern, OPs und Wartesälen des Gesundheitssystems verfügen über ein spezifisches Wissen. Chris Graham, CEO vom britischen Picker Institute, erhebt solche Erfahrungen seit 25 Jahren für den britischen National Health Service – in nationalen, strukturierten Befragungsprogrammen und seit 2013 zunehmend digital. Die Verknüpfung von Daten sei ein mächtiges Instrument der Qualitätssicherung, betonte Graham in seinem Vortrag: „Wir können zum Beispiel sehen, ob Demenzerkrankte ohne Koordinator häufiger als Notfall im Krankenhaus aufgenommen werden als Betroffene mit einer solchen Unterstützung.“ Schlechte Bewertungen wirken sich in Großbritannien allerdings nur statistisch aus, bisher haben die Anbieter kaum Konsequenzen erlebt. „Das dürfte einer der Gründe sein, weshalb wir kaum Verbesserungen in der Qualität sehen“, so Graham.

Deutschland bleibt skeptisch

Für die meisten im Saal ist das britische Modell nicht viel mehr als eine Zukunftsvision. „In Deutschland sind wir immer noch in Begründungsnot, wenn wir Patientenmeinungen einholen wollen“, sagte Silke Schicktanz, Professorin für Kultur und Ethik der Biomedizin in Göttingen, in ihrem Impulsvortrag. Zwar habe sich im Medizinstudium etabliert, dass bessere Kommunikation bessere Behandlung sei, doch „Experten haben eine Präferenz für Experten, während Betroffene als subjektiv gelten“, so Schicktanz. Die Medizinethikerin sieht Partizipation in der Medizin nicht nur bei Zielkonflikten oder divergierenden Interessen für das Mittel der Wahl, sondern auch, um die Akzeptanz von Therapien zu steigern oder als Instrument zur Inklusion benachteiligter Gruppen.

„Wir müssen die Kommunikation zwischen Leistungserbringern und Patienten so stärken, dass die Leitungserbringer davon profitieren.“

Johannes Bruns

Generalsekretär der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG)

Datennutzung ist vorerst unklar

Deutsche Einrichtungen befragen bisher nur in ausgewählten Versorgungsbereichen oder im Rahmen von Studien. Ziel ist in der Regel, die Qualität einer Leistung objektiv zu verbessern. Als Beispiel präsentierte das IQTiG seine Erfahrungen aus der faktenbezogenen Befragung von PCI-Patienten („Percutaneous coronary intervention“, dt: Perkutane Koronar-Intervention). „Leistungserbringer erhalten im Ergebnis einen Punktwert, sodass sie sehen, wie sie insgesamt und in einzelnen Dimensionen abschneiden“, berichtet Julius Rathgens, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fachbereich Befragung im IQTiG. Zur Nutzung der Ergebnisse gibt es in dem Institut noch mehr Fragen als Antworten. Veröffentlichung wäre eine Option, „aber so weit sind wir hier noch nicht", sagte Veronika Andorfer, die den Fachbereich leitet.

Sechs weitere Einrichtungen aus dem deutschen Gesundheitswesen präsentierten anschließend, wie sie das Instrument nutzen. So werden Zentren von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) im Rahmen ihrer Zertifizierung verpflichtet, Krebspatientinnen und -patienten zu befragen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund und der GKV-Spitzenverband versuchen, mit der Methode die Qualität bei Reha-Einrichtungen zu sichern. Die Berliner Universitätsklinik Charité erhebt seit 1995 die Zufriedenheit ihrer Patientinnen und Patienten für die interne Qualitätssicherung. Die Deutsche Gesellschaft für Patientensicherheit betreibt das Portal mehr-patientensicherheit.de, das Erfahrungsberichte aus dem Versorgungsalltag sammelt.

Illustration eines älteren Herren mit Krücke, der sich von einer Ärztin anhand eines großen digitalen Bildschirms beraten lässt
Ob operativer Eingriff oder eine andere notwendige Behandlung im Krankenhaus – welche Klinik welche Leistungen in welcher Qualität bietet, ist für Patienten und einweisende Praxen kaum zu durchschauen. Deshalb hat die Politik dieses Thema zu Recht auf ihre Agenda gesetzt.
17.11.2023Jürgen Malzahn, Sonja Milde, Marjana Mai10 Min

Befragungen können Ergebnisse verbessern

Ein weiteres Beispiel für flächendeckende Erhebungen ist Österreich, wie Martina Santner, stellvertretende Leiterin der Abteilung Qualitätsmessung und Patientenbefragung im nationalen Public-Health-Institut Gesundheit Österreich, berichtete. Seit 2010 helfen gesetzlich verankerte Befragungen, Versorgungsprobleme sichtbar zu machen und die Politik in Sachen Qualitätssicherung zu beraten – ein Setting, das sich Johannes Bruns, Generalsekretär der DKG, auch für Deutschland wünscht. Befragung führten oft zu besseren Ergebnissen als Medikamente, so der Krebsexperte in der anschließenden Podiumsdiskussion: „Wir hatten gehofft, dass das Teil der Regelversorgung werden würde. Wir müssen die Kommunikation zwischen Leistungserbringern und Patienten so stärken, dass die Leitungserbringer davon profitieren." Patientinnen und Patienten seien Experten für ihren Zustand, betonte auch Susanne Weinbrenner, Leiterin der Abteilung Sozialmedizin im DRV-Bund. Der Nutzen werde häufig bezweifelt, „wir sehen aber, dass die Selbsteinschätzung der Versicherten den wichtigsten Prädiktor für eine Erwerbsminderungsrente darstellt".

Für die Zukunft plädiert Bruns dafür, die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems systematisch zu messen, wie es die OECD vorgeschlagen hat: „Praktisch würde ich mir wünschen, die Frage ‚Wie geht es Ihnen?‘ in einem einfachen Korsett zu etablieren, mit einem einfachen Indikator, den man auf der gesamten ‚Patient Journey‘ jeden Tag erfassen kann."

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