Artikel Versorgung

Wie der GBA die Versorgung von Kindern verbessern will

19.12.2025 Anja Schnake 3 Min. Lesedauer

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) will Operationen bei Fehlbildungen und seltenen Erkrankungen des Darms mit Mindestmengen belegen – eine Maßnahme zur Qualitätssicherung, die polarisiert.

Baby im Krankenhaus: Auf einem weißen Laken ist der Arm und die Hand eines Babys zu sehen. Es hat ein blaues Papierarmband um und greift zwei zusammengebundene Schläuche.
Seltene Darmkrankheiten wie anorektale Malformationen (ARM) und Morbus Hirschsprung, sind angeboren und können bereits nach der Geburt operiert werden.

Kliniken, die angeborene Fehlbildungen des Enddarms, sogenannte anorektale Malformationen (ARM), korrigieren, sollen künftig bestimmte Fallzahlen bei dieser Behandlung vorweisen müssen. Entsprechende Beratungen hat der GBA im Oktober angestoßen. Auch für Operationen bei Morbus Hirschsprung, einer neuronalen Erkrankung des Dickdarms bei Kindern, sollen die Kliniken künftig ihre Erfahrung anhand von Fallzahlen belegen. Die Qualität der Versorgung soll sich damit insgesamt verbessern. Wolf-Dietrich Trenner, Patientenvertreter bei der Landesgeschäftsstelle LAG DeQS – Qualitätsbüro Berlin (QBB), begrüßt die Maßnahme: „Gerade bei den invasiven Leistungen im Krankenhaus sind Mindestmengen eine Frage der Sicherheit für Leib und Leben“, betont er im aktuellen Krankenhaus-Newsletter „Blickpunkt-Klinik“.

Viele Häuser operieren nicht mal einen Fall pro Jahr

Hintergrund der neuen Beratungen ist, dass die seltenen Erkrankungen bisher an vielen Kliniken operiert werden: Bei zirka 300 Kindern, die mit ARM geboren werden, übernahmen von 2020 bis 2022 insgesamt 109 Kliniken die Versorgung – darunter 28 mit weniger als einem Fall pro Jahr. Noch höher ist der Anteil der Gelegenheitsversorger bei Morbus Hirschsprung. Für beide Indikationen haben etwa die Niederlande eine Mindestmenge von 20 Fällen pro Jahr eingeführt. In Deutschland dagegen wird das Instrument bekämpft. Im Sommer 2025 haben drei Bundesländer – Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt – eine gemeinsame Verfassungsklage gegen die Mindestmenge für die Versorgung extrem kleiner Frühchen, die Transplantation allogener Stammzellen und die Personalvorgaben für psychiatrische Kliniken eingereicht. 

Foto eines Operateurs von hinten, der sich den Kopfschutz anzieht. Daneben sind grafische Elemente, unter anderem ein gelber Störer mit einer Deutschlandkarte.
Die gesetzliche Regelung zu den Mindestmengen verfolgt das Ziel, anspruchsvolle medizinische Eingriffe aus Qualitätsgründen nur in Kliniken durchführen zu lassen, deren Ärzteschaft ausreichend Erfahrung mit diesen Behandlungsfeldern hat.
22.11.2024Stefanie Roloff4 Min

Kompetenzgerangel statt Patientensicherheit

Für Trenner ist die Klage „verantwortungslos und ein schwerer Vertrauensbruch hinsichtlich des aufrichtigen Einsatzes der Landesregierungen für Gesundheit und Wohlergehen ihrer Bürgerinnen und Bürger“. Viel zu selten gehe es in der öffentlichen Diskussion um die Schäden, die bei einem Mangel an Erfahrung drohen. Der Kinderarzt und Bundestagsabgeordnete Johannes Wagner (Die Grünen) pflichtet ihm bei. Die Klage sende ein „schwieriges Signal“, sagt der Coburger Mediziner: „Kompetenzgerangel steht hier dem Wohl der kleinsten und verletzlichsten Patientinnen und Patienten gegenüber.“ Doch die Menschen müssten sich darauf verlassen können, dass in Bayern die gleiche Qualität angeboten werde wie in Niedersachsen.

Hürden für Mindestmengen

Höhere Fallzahlen sorgen durch das Bündeln von Leistungen für mehr Qualität. Bei der Festlegung und Umsetzung werden aber auch zahlreiche Rahmenbedingungen der Versorgung berücksichtigt. So kann der GBA Mindestmengen nur beschließen, bei denen die Qualität der Behandlung nachweislich von bestimmbaren Fallzahlen abhängt. Der Mengeneffekt muss belegt sein, längere Anfahrtswege dürfen keine neuen Risiken erzeugen. Bei der jährlichen Genehmigung berücksichtigen die Krankenkassen auch personelle, strukturelle oder sogar weitere Gründe der Kliniken, wenn sie eine geforderte Anzahl von Patienten nicht erreichen. Zudem gelten bei jeder Änderung einer Mindestmenge Übergangsfristen – wie auch für Kliniken, die eine Mindestmengenleistung erstmals oder nach Unterbrechung erneut anbieten wollen.

Dass die Krankenhausplanung der Länder durch den GBA eingeschränkt sei, kann Wagner nicht nachvollziehen: „Ich würde mir wünschen, dass die Länder ihre Energie darauf verwenden, gemeinsam mit dem Bund eine flächendeckende, qualitätsorientierte Versorgung sicherzustellen, statt eine solche Klage einzureichen.“
 

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