Selbsthilfe beklagt zu viele bürokratische Probleme
Seit 2013 ist in der sozialen Pflegeversicherung ein zusätzliches Förderbudget für Selbsthilfeangebote verankert, die sich gezielt an pflegende Angehörige richten. In der Praxis bestehen jedoch auch zehn Jahre später auf diesem Förderweg noch viele bürokratische Probleme. Diese kritische Bilanz hat Sabine Richard, Geschäftsführerin Versorgung des AOK-Bundesverbandes, auf der Selbsthilfe-Fachtagung des AOK-Bundesverbandes gezogen.
In Deutschland werden rund 84 Prozent der fast fünf Millionen pflegebedürftigen Menschen zuhause gepflegt. Bei drei Vierteln dieser ambulant Gepflegten (3,12 Millionen) sind es – mehr oder weniger ausschließlich – An- und Zugehörige, die ihre Pflege übernehmen. „Das Engagement dieser Menschen kann man nicht hoch genug einschätzen. Ohne pflegende Angehörige würde unsere Pflegeversorgung in Deutschland zusammenbrechen“, betonte Richard zum Auftakt der Tagung.
Im Rahmen der Förderung der gesundheitlichen Selbsthilfe, für die die Krankenkassen zuständig sind, unterstützt die AOK seit mehr 30 Jahren Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen. So sind Richard zufolge 2023 über 30 Millionen Euro aus dem AOK-System Selbsthilfegruppen, -kontaktstellen sowie Landes- und Bundesorganisationen der Selbsthilfe zur Verfügung gestellt worden.
Doch anders als bei der Selbsthilfeförderung aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) habe sich bei der Förderung aus der Pflegeversicherung noch kein effektives Vorgehen zur Mittelvergabe etablieren können, kritisierte Richard. Hintergrund: Anders als bei der gesundheitlichen Selbsthilfe müssen bei diesem Förderverfahren Pflegekassen und Bundesländer gemeinsam die Förderanträge in einem mehrstufigen Verfahren bearbeiten. „Ein Großteil der Mittel, die die Pflegekassen zur Verfügung stellen könnten, wird deshalb leider nicht abgerufen“, betonte Richard. Das habe sich der Gesetzgeber sicher anders vorgestellt. Sie forderte deshalb eine Reorganisation und stärkere Verzahnung der unterschiedlichen Förderwege, um bürokratische Hemmnisse abzubauen.
Anja Schödwell von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen (DAG SHG) verdeutlichte die Dimensionen des Problems. „Von insgesamt bis zu 12,41 Millionen Euro, die allein die Pflegekassen 2022 für die Förderung zur Verfügung hätten stellen können, konnten letztlich nur 4,49 Millionen Euro für die Selbsthilfeförderung ausgegeben werden.“ Das seien nur 36 Prozent. Dabei sei der Abruf der Fördermittel von Bundesland zu Bundesland extrem unterschiedlich. Während in Nordrhein-Westfalen, Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt die Förderquote bei mehr als 70 Prozent liege, gebe es acht Bundesländer, in denen weniger als 15 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel tatsächlich verteilt worden seien. (om)
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