Experten mahnen zu Entlastungen für die Pflegeversicherung
Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Josef Hecken, warnt davor, die im Arbeitspapier bei den Koalitionsverhandlungen vorgesehenen Entlastungen für die Pflegekassen in den weiteren Beratungen wieder unter den Tisch fallen zu lassen. Angesichts der anstehenden innen- und außenpolitischen Herausforderungen würden die vier Milliarden Euro aus Steuermitteln für die Rentenansprüche pflegender Angehöriger am Ende wohl nicht fließen, sagte er bei den Rosenthaler Gesprächen des Aufsichtsrats des AOK-Bundesverbandes am Donnerstagabend.
Hecken warnte wie AOK-Bundesverbandschefin Carola Reimann vor den Folgen einer solchen Entscheidung. Werde die im Papier der Facharbeitsgruppe enthaltene Summe wieder gestrichen, wünsche er all denjenigen, die in der geplanten Ministerarbeitsgruppe innerhalb eines halben Jahres eine Strukturreform erarbeiten sollten, die sowohl den Pflegebedürftigen, dem Wirtschaftsstandort als auch der schwarzen Null im Haushalt gerecht werde, viel Glück. „Irgendeiner muss irgendetwas bezahlen. Linke Tasche, rechte Tasche wird hier nicht funktionieren“, warnte der frühere saarländische Gesundheitsminister.
Reimann sagte, es sei richtig, wenn der Bund in die Verantwortung für die Rentenbeiträge von pflegenden Angehörigen gehe und zugleich die Corona-Kosten zurückerstatte. „Dann hätte man zumindest eine Atempause, um eine Reform aufzusetzen.“ Flössen die Mittel etwa für die Rentenbeiträge Angehöriger nicht, müssten in diesem Jahr erneut die Beiträge angehoben werden. Ende 2024 verbuchte die Pflegeversicherung ein Defizit von 1,54 Milliarden Euro. Die Bundesregierung hatte daher die Beiträge um 0,2 Prozentpunkte angehoben.
In den drei Jahren der Ampel-Regierung war eine grundlegende Struktur- und Finanzreform ausgeblieben. Daher richten sich die Hoffnungen auf die angepeilte schwarz-rote Koalition. Eine Spitzenrunde aus 19 Vertretern berät seit heute, was von den Vorschlägen der einzelnen Arbeitsgruppen tatsächlich umgesetzt wird.
Die soziale Pflegeversicherung (SPV) sei insgesamt eine Erfolgsgeschichte, sagte der Leiter des Instituts AGP Sozialforschung und des Zentrums für zivilgesellschaftliches Engagement, Professor Thomas Klie. Die Versorgungssicherheit sei allerdings in Gefahr, denn schon jetzt gebe es unterversorgte Regionen.
Die Aufsichtsratsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes und Arbeitgebervertreterin, Susanne Wagenmann, ging auf die hohen Eigenanteile von derzeit 2.400 Euro in der stationären Pflege ein. Sie forderte die Kommunen auf, ihren Investitionsverpflichtungen nachzukommen, damit diese nicht vollständig auf Bewohnerinnen und Bewohner der Heime abgewälzt würden. Einen Sockel-Spitze-Tausch zur Begrenzung der Eigenkosten bewertete sie dagegen kritisch. „Wir glauben, dass das falsche Akzente setzt und nicht finanzierbar ist.“ Auch Jurist Klie warnte davor, Heimkosten komplett aus der Pflegeversicherung zu schultern.
Der Aufsichtsratsvorsitzende für die Versichertenseite, Knut Lambertin, verwies auf 480.000 Jugendliche zwischen zehn und 19 Jahren, die ihre Angehörigen pflegten. Sie bräuchten nicht nur Unterstützungsleistungen, sondern müssten insgesamt von dieser Aufgabe befreit werden. (sev)
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