Medizinstudienplätze: Experte beklagt Kostenabwälzung
In Deutschland arbeiten immer mehr Ärzte mit ausländischem Pass. „Die Zunahme ausländischer Ärztinnen und Ärzte ist (..) ein Indiz dafür, dass wir selbst zu wenige ausbilden“, erklärte Bildungsforscher Gero Federkeil heute in der „Tageszeitung“ (taz). Laut Bundesärztekammer hat sich die Zahl der ausländischen Mediziner auf knapp 64.000 seit 2013 verdoppelt. Ihre Bedeutung für die Versorgung könnte in den kommenden Jahren weiter wachsen, da Deutschland trotz steigenden Bedarfs nicht genug Mediziner ausbildet. Momentan gibt es rund 11.000 Studienplätze für Medizin. Ärzteverbände wie der Marburger Bund fordern seit Jahren eine deutliche Erhöhung. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plant 5.000 zusätzliche Plätze, will die Kosten dafür aber zu zwei Dritteln den Beitragszahlern der gesetzlichen Kassen aufbürden.
Federkeil wies auf die hohe Zahl der deutschen Medizinstudenten im Ausland hin. Etwa 7.500 Deutsche studieren seinen Schätzungen zufolge Medizin im Ausland, die meisten von ihnen in Österreich und Ungarn. Viele Studierende im Ausland müssten teils sehr hohe Studiengebühren zahlen. „De facto wälzt die Politik die Kosten, die sie selbst nicht bereit ist in Studienplätze zu investieren, auf die Studierenden ab“, so der Soziologe. Zwar sei die Zahl der Studienplätze in Deutschland in den vergangenen Jahren gestiegen, doch insgesamt sei der Aufwuchs „überschaubar“, denn Medizinstudienplätze seien mit hohen Kosten verbunden.
Die Schaffung von 5.000 neuen Plätzen, wie sie Lauterbach im Zuge des „Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes“ plant, hält Federkeil nicht für die Lösung des Personalproblems. Längst nicht alle Absolventen würden anschließend in Deutschland in der Patientenversorgung arbeiten. Einige gingen ins Ausland, beispielsweise nach Norwegen oder Schweden, wo die Arbeitsbedingungen deutlich besser seien. Fehlende Studienplätze seien nicht der einzige Grund für die Ärztemangellage.
Der AOK-Bundesverband hatte kürzlich harsche Kritik daran geübt, die Kassen bis 2031 mit Kosten von bis zu 660 Millionen Euro pro Jahr für neue Studienplätze zu belasten. „So sollen die Beitragszahlenden künftig auch noch für die Finanzierung von Medizinstudienplätzen geradestehen“, bemängelte Verbandschefin Carola Reimann. Es sei ein „fatales Muster“, staatliche Aufgaben und Finanzverantwortlichkeiten systematisch weiter in Richtung der gesetzlichen Krankenversicherung zu verschieben. (at)