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Kabinett beschließt Cannabis-Versandverbot

08.10.2025 2:30 Min. Lesedauer

Das Bundeskabinett hat heute schärfere Regeln für die Abgabe von Medizinalcannabis beschlossen. Demnach darf Medizinalcannabis künftig nur nach einem persönlichen Kontakt zwischen Arzt und Patient verschrieben werden, teilte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit. Außerdem wird der Versand verboten. Das Ministerium begründete die Änderung des Medizinalcannabisgesetzes (MedCanG) mit einer „bedenklichen Fehlentwicklung beim Konsum von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken“. „Medizinalcannabis ist ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel und kein Produkt zu reinen Genusszwecken“, betonte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken.

„Für Patientinnen und Patienten, die aus medizinischen Gründen auf Medizinalcannabis angewiesen sind, ist die Versorgung weiterhin sichergestellt“, unterstrich Warken. Die CDU-Politikerin begründete die Verschärfung unter anderem mit einem massiven Zuwachs der Importe. Laut BMG nahmen die Einfuhren im ersten Halbjahr 2025 gegenüber der ersten Jahreshälfte 2024 von rund 19 auf rund 80 Tonnen und damit um mehr als 400 Prozent zu. Da die Verordnungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur im einstelligen Prozentbereich gestiegen seien, gehe diese Zunahme nicht auf einen erhöhten Bedarf bei schwerwiegend Erkrankten zurück.

Für die Verschreibung von Cannabis aus medizinischen Gründen müssen laut BMG der Gesundheitszustand, individuelle Erkrankungen und weitere Arzneimittel berücksichtigt werden. Dies setze in der Regel eine sorgfältige Anamnese und körperliche Untersuchung voraus. Zudem müsse fortlaufend über die Suchtgefahr sowie mögliche körperliche oder psychische Folgen des Konsums aufgeklärt werden. Für Folgeverschreibungen sei eine persönliche Konsultation pro vier Quartale nötig.

Zudem ist künftig der Versandweg für Medizinalcannabis ausgeschlossen. Grund hierfür seien die umfassenden Aufklärungs- und Beratungspflichten im Rahmen einer persönlichen Beratung in Apotheken. Dies betreffe aber nicht den Botendienst der Apotheken, so das BMG.

Die Bundesärztekammer (Bäk) unterstützt die geplanten Einschränkungen. „Noch konsequenter wäre es gewesen, Medizinal-Cannabis wieder in das Betäubungsmittelrecht einzubeziehen", sagte Bäk-Präsident Klaus Reinhardt. Das würde die ärztliche Verantwortung klarstellen.

Eine erste wissenschaftliche Zwischenbilanz über das im April 2024 in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz (KCanG) hatte kein eindeutiges Bild über Veränderungen im Umgang mit Cannabis ergeben. Der Bericht geht davon aus, dass in den zwölf Monaten nach dem Inkrafttreten des KCanG und des MedCanG etwa zwölf bis 14 Prozent des Gesamtbedarfs an Cannabis durch Medizinalcannabis gedeckt waren. Eine Abschlussdokumentation soll im April 2028 erfolgen. (ter)

3 Kommentare

Ich finde es problematisch, dass in der aktuellen Diskussion um medizinisches Cannabis immer wieder von einer „bedenklichen Fehlentwicklung“ gesprochen wird.

Die Realität ist deutlich komplexer – und die Ursachen liegen nicht bei den Patientinnen und Patienten.

Seit der Teil-Legalisierung von Cannabis fehlen bis heute funktionsfähige Anbauvereinigungen, Verkaufsstellen oder Apotheken, die Cannabis zu Genusszwecken anbieten dürfen.

Viele Menschen, die bisher keinen sicheren Zugang hatten, haben sich deshalb ganz bewusst für den legalen Weg über die Apotheke entschieden – und zwar in Form von Medizinalcannabis, häufig auf eigene Kosten.

Sie wollten keine gestreckte oder verunreinigte Ware vom Schwarzmarkt, sondern ein geprüftes, sicheres Produkt.

Wenn die Importe von medizinischem Cannabis im ersten Halbjahr 2025 von rund 19 auf etwa 79 Tonnen gestiegen sind, dann zeigt das vor allem eines:

Es gibt einen großen Bedarf an legalen, sauberen Produkten – nicht einen massenhaften Missbrauch.

Etwa 60 Tonnen davon wurden vermutlich von Selbstzahlern bezogen, also von Menschen, die bereit waren, ihre Medizin aus eigener Tasche zu bezahlen.

Diesen Schritt als „Fehlentwicklung“ zu bezeichnen, ist unfair gegenüber jenen, die sich an geltendes Recht halten und Verantwortung übernehmen.

Die Hürden, um Cannabis überhaupt von einer Krankenkasse bezahlt zu bekommen, sind zudem viel zu hoch.

Viele Ärztinnen und Ärzte schrecken wegen des bürokratischen Aufwands oder der Ablehnungsquote davor zurück, Cannabis zu verschreiben.

Das führt dazu, dass schwerkranke Menschen, die unter chronischen Schmerzen oder anderen Erkrankungen leiden, ihre Behandlung selbst finanzieren müssen, obwohl sie eigentlich Anspruch auf Unterstützung hätten.

Gerade deshalb ist es enttäuschend, wenn eine Krankenkasse öffentlich den Eindruck erweckt, Patientinnen und Patienten „gönne“ man diese Therapie nicht – selbst dann, wenn sie sie auf eigene Kosten beziehen.

Wer sich legal und medizinisch korrekt versorgt, sollte nicht unter Generalverdacht gestellt werden.

Ein Versandverbot oder zusätzliche Hürden in der Versorgung treffen die Falschen:

Menschen, die mobilitätseingeschränkt sind, in ländlichen Regionen leben oder keine wohnortnahe Apotheke finden, werden dadurch in ihrer Versorgung behindert.

Das Risiko ist groß, dass viele wieder auf illegale und gefährliche Bezugsquellen zurückgreifen – mit gesundheitlichen Schäden, die langfristig sogar neue Kosten für die Krankenkassen verursachen könnten.

Die AOK sollte hier eine ausgewogene Position einnehmen und sich ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Versicherten bewusst sein.

Es geht nicht um Ideologie oder Symbolpolitik, sondern um reale Patientenversorgung, Gesundheitsschutz und Schadensminimierung.

Wer Patientenschutz ernst nimmt, muss legale, sichere und verantwortungsvolle Zugangswege stärken – und nicht diejenigen bestrafen, die sie nutzen.

Man macht es den Konsumenten von medizinischen Cannabis immer schwerer. Ärzte trauen sich nicht, obwohl es eine plausibel Diagnose gibt, Cannabis zu verschreiben.

Der Gebrauch von Tabak mit Cannabis verschärft die Sucht um ein Vielfaches. Ich kam erst von Marihuana los, nachdem ich das Nikotin weggelassen habe. Nehme jetzt beide Suchtstoffe nicht mehr.

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