Kassenärzte pochen auf Kurskorrektur der Bundesregierung
Mit teils heftiger Kritik lehnen die Vertragsärzte die derzeitigen Reformvorhaben der schwarz-roten Bundesregierung ab. Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) forderte heute verlässliche Rahmenbedingungen sowie den Verzicht auf aus ihrer Sicht riskante Kompetenzverschiebungen. Viele Reformideen würden „auf dem Rücken der Niedergelassenen“ umgesetzt, sagte der Vorstandsvorsitzend der KBV, Andreas Gassen. Der GKV-Spitzenverband appellierte an Bund und Länder, an den geplanten Einsparungen für die Krankenkassen von mindestens zwei Milliarden Euro 2026 festzuhalten.
Auch 2024 hätten Praxen Leistungen im Wert von 2,7 Milliarden Euro nicht vergütet bekommen, sagte Gassen. Selbst nach der Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgungen seit Oktober 2025 blieben „immer noch 2,3 Milliarden Euro, die die Krankenkassen gespart haben“. Viele Vertragsärzte seien es „leid, dauernd mit der Moralkeule dazu gezwungen zu werden, in Millionenhöhe umsonst Leistungen zu erbringen“. Dies widerspreche nicht nur der Berufsordnung, sondern führe auch zu wachsender Verbitterung und verunsichere den Nachwuchs.
Deutliche Worte fand auch die Vorsitzende der Vertreterversammlung, Petra Reis-Berkowicz. Sie kritisierte, dass die Politik den ambulanten Sektor zum Hauptproblem erkläre. „Wir sind 16 Prozent der Ausgaben. Dort, wo wirklich Geld mit Händen herausgeschmissen wird, wird es nicht einmal thematisiert“, sagte sie mit Blick auf versicherungsfremde Leistungen und die aus ihrer Sicht überdimensionierte Kliniklandschaft. Statt ernsthafter Strukturreformen würden Politiker „jeden Tag eine andere Sau durchs Dorf treiben“. Die Widersprüchlichkeit in der politischen Linie, so Reis-Berkowicz, „hängt mir langsam hier“.
Vorstandsmitglied Sibylle Steiner wandte sich gegen den geplanten Verantwortungszuwachs für Apotheken. Der Entwurf für das Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz schaffe „eine gefährliche Verschiebung von Kompetenzen“. Ärztliche Diagnostik, Indikationsstellung und Therapie seien nicht delegierbare Kernaufgaben. Die KBV forderte, Reformen bei Notfallversorgung, Patientensteuerung und Krankenhausstrukturen müssten endlich Substanz gewinnen.
Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes appellierte an Bund und Länder, das Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat zum Befugniserweiterungs- und Entbürokratisierungsgesetz in der Pflege zügig abzuschließen und am Entlastungsvolumen von mindestens zwei Milliarden Euro festzuhalten. „Wir erwarten kurzfristig eine politische Lösung, die die Beitragszahlenden im Jahr 2026 wirksam vor noch höheren Beiträgen schützt“, so das Selbstverwaltergremium. Der Bundesrat hatte das Gesetz im November abgelehnt und den Vermittlungsausschuss angerufen. Ein Sitzungstermin steht noch nicht fest. (fb)
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