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Forscher: Neues Wissen kommt zu langsam in Praxis an

25.09.2024 2:30 Min. Lesedauer

Das Deutsche Netzwerk Versorgungsforschung (DNVF) kritisiert die schleppende Umsetzung von Forschungsergebnissen im Gesundheitswesen. „Bisher dauert es oft deutlich zu lange, wirksame Maßnahmen aus der Forschung effizient in den Versorgungsalltag zu bringen – und gleichzeitig wenig nutzbringende abzubauen“, sagte der DNVF-Vorstandsvorsitzende Wolfgang Hoffmann zum Auftakt des Kongresses für Versorgungsforschung in Potsdam. „Wir haben Zeit verschwendet, ein lernendes Gesundheitssystem aufzubauen.“ Jetzt stehe das System mangels Geld und Fachkräften an vielen Stellen auf der Kippe. Die Politik müsse Streit aushalten und Veränderungen gegen das Beharrungsvermögen durchsetzen, forderte Hoffmann.

„Innovation kann auch heißen, wir machen Dinge nicht“, sagte Thomas Kühlein von der Uniklinik Erlangen. Als Beispiele für aus seiner Sicht „erhebliche Überdiagnostik“ nannte er Hautkrebsfrüherkennung und Mammographiescreening. Zudem sei es „skandalös“, dass Patienten keine Termine bekämen, weil in Arztpraxen viele „individuelle Gesundheitsleistungen“ erbracht würden, die nachweislich keinen Nutzen hätten. „Das blockiert die richtige Versorgung. Das ist gerade in einer Situation, in der uns die Fachkräfte ausgehen, untragbar“, so der Allgemeinmediziner. Er habe kein Verständnis dafür, dass die Grundsätze evidenzbasierter Medizin immer noch kein Bestandteil des Medizinstudiums seien.

Mehr Zeit für das Erproben neuer Versorgungsformen wünschte sich die Versorgungsforscherin Juliane Köberlein-Neu. So seien etwa die auf vier Jahre angelegten Innovationsfonds-Projekte des Gemeinsamen Bundesausschusses zu kurz. Auch das Implementieren von Ergebnissen lasse sich im Versorgungsalltag nicht nebenbei erledigen. Als Beispiel für einen erfolgreichen Brückenschlag zwischen Forschung und Praxis nannte sie das Vermeiden von Klinikeinweisungen bei Pflegeheimbewohnern. Erste Studien belegten, dass die 2019 eingeführten Regeln für bessere Kooperation zwischen Ärzten, Pflege und Therapeuten zu besserer Gesundheit bei den Pflegebedürftigen führten.

Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz ermöglicht den Versorgungsforschern zumindest rechtlich den Zugang zu versorgungsnahen Daten – insbesondere denen der Krankenkassen. Den bisher nicht vorhandenen Datenfluss technisch zu ermöglichen, sei jedoch „ein riesendickes Brett“, sagte DNVF-Chef Hoffmann. Selbst bei den vorhandenen Krebsregisterdaten sei es wegen unterschiedlicher Landesgesetze „im Moment nicht leicht bis unmöglich, bundesweite Daten für die onkologische Spitzenforschung rauszuziehen“. Da sei es ein gutes Zeichen, dass die neue Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider dem Thema Gesundheitsdaten Priorität einräumen wolle. (toro)

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