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Hecken befürchtet Überlastung von Haus- und Fachärzten

27.06.2025 3 Min. Lesedauer

Ein unausgereiftes Primärarztsystem könnte die medizinische Versorgung in Deutschland weiter belasten. Davor warnt der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), Josef Hecken. Stattdessen forderte er auf einer Diskussionsveranstaltung des Hauptstadtkongresses eine umfassende Strukturreform. Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, plädierte für ein Ende des ungeregelten Zugangs zur ärztlichen Versorgung und warb für Dänemark als Vorbild.

„Einfach zu sagen, wir schicken jeden zum Hausarzt, wird zum größten Flop aller Zeiten“, sagte Hecken. „Wenn ich das System kaputt machen will, schicke ich die Leute zum Hausarzt, der nichts anderes tun kann, als eine folgenlose Überweisung auszustellen – weil auch die Fachärzte überlastet sind.“ Deshalb sei eine gezielte Steuerung der Patientenströme nötig. Zunächst müsse geklärt werden, wer wen in welchen Behandlungspfad lenken soll. Hierfür seien Primärversorgungszentren erforderlich, in die auch Fachärzte und nichtärztliche Fachkräfte wie Physician Assistants eingebunden werden. Letztere könnten eigenständig Aufgaben, beispielsweise Ersteinschätzungen, übernehmen.
 
Als Vorbild nannte Hecken den Hausarztvertrag der AOK Baden-Württemberg. Dieses Modell sichere verlässliche Versorgungsstrukturen. So werde honoriert, wenn Fachärzte bestimmte Terminfenster für Patienten im Hausarztvertrag freihalten. Der GBA-Chef kritisierte zudem die Bundesregierung, nach deren Vorstellungen durch Zugangshürden über die Hausärzte bis 2028 rund zwei Milliarden Euro eingespart werden könnten. „Geld sparen wir damit nicht“, betonte Hecken. „Aber wir sparen Personalressourcen – und die brauchen wir angesichts einer Gesellschaft mit zunehmender Multimorbidität.“

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Ärztepräsident Reinhard verwies auf die durchschnittlich 9,6 Arztkontakte pro Kopf im Jahr – deutlich mehr als der OECD-Durchschnitt von 6,0. „Jeder Patient beschäftigt im Durchschnitt 1,4 Hausärzte – das heißt: Fast jeder zweite hat einen zweiten Hausarzt“, sagte Reinhardt. Er warb unter anderem für das dänische Modell mit zwei Versicherungstarifen. Wer freien Arztzugang wolle, müsse dann einen teureren Tarif wählen. Wer sich für die Primärversorgung entscheide, profitiere von einem günstigeren Beitrag. 
 
Auch die Gesundheitsökonomin Leonie Sundmacher von der TUM School of Medicine and Health betonte die Bedeutung internationaler Vorbilder. „Wir sind umzingelt von Primärversorgungssystemen – Deutschland kann sich an vielen Ländern orientieren“, sagte sie. In Staaten wie Italien, Spanien und den Niederlanden sei die Registrierung freiwillig, dennoch liege die Teilnahmequote bei mehr als 90 Prozent. Frankreich habe kürzlich einen „radikal anderen Weg“ eingeschlagen: „Wer dort ohne vorherigen Besuch eines Primärversorgungszentrums direkt zum Facharzt geht“, so Sundmacher, „der muss 60 Prozent der Behandlungskosten selbst tragen.“ (fb)

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