Klinikreform: Diabetes-Gesellschaft kritisiert Schieflage
Mit „wachsender Sorge“ sieht die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) die Stoßrichtung der geplanten großen Klinikreform. Die Apparate-, Prozeduren- und Fallpauschalen-Medizin werde weiter gefördert, die „sprechende und zuwendende Medizin“ komme dagegen kaum vor, kritisierte DDG-Präsident Andreas Fritsche heute.
Auch ein Austausch zwischen Fachgesellschaften und Bundesgesundheitsministerium finde kaum statt. Stattdessen würden Ökonomen die Reform vom Schreibtisch aus planen. Von der Ende April anberaumten Verbändeanhörung erhofft sich Fritsche wenig. Bei über 100 geladenen Teilnehmern sei klar, „dass da überhaupt nichts dabei rauskommt“. Ähnlich hatte sich zuvor die Deutsche Krankenhausgesellschaft geäußert.
Auch in Deutschland wächst die Krankheitslast durch Diabetes. Jedes Jahr kämen 550.000 neu diagnostizierte Patienten dazu, sagte DDG-Vorstandsmitglied Baptist Gallwitz. Das entspreche der Einwohnerzahl einer Großstadt wie Hannover. Insgesamt litten 8,9 Millionen Bürger an der Volkskrankheit, 90 Prozent davon an Diabetes Typ 2. „Hinzu kommt eine hohe Dunkelziffer von ein bis zwei Millionen, die bereits einen Diabetes mellitus Typ 2 haben, jedoch von ihrer Diagnose noch nichts wissen.“ Die Gefahren und Folgeschäden der Erkrankung würden weiter unterschätzt, warnte Gallwitz. Diabetiker erkrankten häufiger an Krebs und lebten statistisch vier bis sechs Jahre kürzer. Jeder fünfte Todesfall hänge direkt mit Diabetes zusammen.
Fritsche monierte eine massive Schieflage bei den Klinikreformplänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). In der Debatte werde zu viel über „Geld, Geld und nochmals Geld“ gesprochen. Die Patienten dürften aber bei der Reform nicht „unter die Räder kommen“. Die Reformpläne ließen befürchten, dass die strukturierte Versorgung von Diabetikern nicht flächendeckend in allen Kliniken sichergestellt sei. Es helfe Betroffenen wenig, wenn Häuser zwar für Schlaganfälle oder Herzinfarkte Spitzenmedizin vorhielten, aber etwa eine Unterzuckerung übersähen oder mit einem Schlaganfall verwechselten. Diabetologie sei vor allem „sprechende Medizin“. „Wir appellieren an die Politik, der „sprechenden Medizin“ endlich den Stellenwert einzuräumen, den sie verdient“, forderte der Tübinger Diabetesforscher. Dies spare am Ende auch Geld – „und nicht das hundertste MRT“.
Unter dem Motto „Diabetes. Umwelt. Leben“ findet vom 8. bis 11. Mai in Berlin der 58. Diabetes Kongress der DDG statt. Themen sind unter anderem Fasten und Bewegung, aber auch neue Therapieoptionen und -wege. (cm)