Overwiening warnt vor „Zweiklassen-Pharmazie“
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda) stellt der Regierungskoalition ein desaströses Zwischenzeugnis aus. „Die Versorgung dünnt immer mehr aus und ist durch eine Schließungswelle ebenso geprägt wie durch unerträgliche Lieferengpässe“, kritisierte Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening heute zum Auftakt des Deutschen Apothekertages in München. Die Apothekerschaft sei der Seismograf der Arzneimittelversorgung. „Daher wäre es sinnvoll, wenn das Bundesgesundheitsministerium einen echten Dialog mit uns aufnimmt, um die Versorgung wieder zu stabilisieren“, forderte Overwiening.
Die Ampel müsse bis zur Bundestagswahl in gut einem Jahr die Apotheken vor Ort finanziell stärken, damit diese die Menschen weiter sicher, wohnortnah und kompetent versorgen und ihre Beschäftigten angemessen bezahlen könnten. Neben der Erhöhung des sogenannten Fixhonorars seien auch Zuschüsse für Leistungen wie Not- und Botendienste wichtig. Zudem bräuchten Apotheker mit Blick auf Lieferengpässe bei Medikamenten mehr Entscheidungskompetenzen. „Impfungen und pharmazeutische Dienstleistungen sollten nur der Einstieg in eine zukunftsfähige Apotheke sein“, betonte Overwiening. Sie sprach sich dafür aus, die heilberuflichen Kompetenzen der Apotheker sowie deren „Menschennähe“ und „Niedrigschwelligkeit“ deutlich stärker in die Versorgung einzubinden.
Dafür müssten aber Apotheken echte Apotheken bleiben, betonte Overwiening. „Die von Minister Lauterbach vorgeschlagenen Apotheken ohne Apotheker nur mit PTA und Videobildschirm schwächen den Verbraucherschutz. Sie reduzieren Qualität und kürzen Leistungen“, monierte sie. Das Ergebnis sei eine „Zweiklassen-Pharmazie“. Der Gesetzentwurf für die Apothekenreform verbessere die Versorgung nicht, sondern sei ein „Apothekenschwächungsgesetz“ und dürfe in der vorliegenden Fassung keinesfalls von der Bundesregierung auf den Weg gebracht werden.
Auch das seit einem Jahr geltende Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) hat laut Overwiening die Lage nicht verbessert: „Der Minister hat sich von Kliniken über Cannabis, Pflege ganz aktuell und Prävention bis zur Digitalisierung sehr viel vorgenommen, aber es ist kaum etwas zu Ende gedacht.“ So sieht es auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Das ALBVVG wirke „kein bisschen“. Die Lage sei vor der kurz bevorstehenden Herbst-Winter-Saison prekär. Aktuell weise das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 500 Lieferengpässe aus. (bhu)
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