Interview Prävention

Hilfe bei psychischen Krisen: „Mit einer Ich-Botschaft die Mauer durchbrechen“

10.09.2023 Thorsten Severin 2 Min. Lesedauer

Rund 40 Prozent aller Menschen erleiden im Laufe des Lebens eine relevante psychische Störung. Die Palette reicht von Depressionen und Angststörungen über Suchtprobleme bis hin zu Psychosen. Da ist es sehr wahrscheinlich, mit einer betroffenen Person in Kontakt zu kommen. Der Mannheimer Psychiater Professor Michael Deuschle erläutert im Interview, was der Einzelne dann tun kann.

Foto: Eine Frau hält in ihren Händen zwei Symbole – eines zeigt einen lachenden, das andere einen weinenden Smiley.

Herr Professor Deuschle, wie kann man anderen Menschen bei psychischen Gesundheitsproblemen beistehen?

Prof. Dr. Michael Deuschle: Wenn man das Gefühl hat, dass jemand ein psychisches Problem hat, ist das Allerwichtigste: Sprich es an! Am besten klappt es mit einer Ich-Botschaft, die Mauer zu durchbrechen. Zum Beispiel: „Ich mache mir Sorgen um Dich, weil Du so niedergeschlagen wirkst.“ Die betroffene Person sollte zum Besuch eines Facharztes, einer Ambulanz oder Beratungsstelle ermuntert werden. Bei Suizidalität, besteht also die Gefahr von Lebensüberdruss und Lebensmüdigkeit, brauchen Betroffene sofort psychiatrische Hilfe. Bagatellisierungen sind im Gespräch kontraproduktiv, etwa nach dem Motto: „Das ist doch alles nicht so schlimm“, „Du hast doch eine tolle Familie" oder „Objektiv geht es Dir doch super“. Stattdessen gilt es, offen und aufmerksam zu kommunizieren, Verständnis zu entwickeln und mit Rat zur Seite zu stehen.

Foto: Porträtbild von Prof. Dr. Michael Deuche
Professor Michael Deuschle ist Leitender Oberarzt am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim.

Viele Menschen fürchten, beim Anderen Widerstand auszulösen oder sich ungerechtfertigter Weise in fremde Sachen einzumischen, wenn sie Probleme
ansprechen.

Deutschle: Diese Angst ist unbegründet. Die meisten Menschen in einer Krise sind froh, angesprochen zu werden. Menschen in psychischer Not machen oft die Erfahrung, dass andere sich distanzieren. Betroffene wünschen sich jedoch in aller Regel Akzeptanz, Zuspruch und das Reden über ihre Probleme.

Was sind Anzeichen für seelische Störungen, auf die es zu achten gilt?

Deuschle: Das hängt von der Art psychischer Gesundheitsprobleme ab. Bei Depressionen zeigen sich andere Symptome als bei Substanzmissbrauch oder -abhängigkeit oder einer Psychose. Allgemein ist Obacht geboten, wenn sich jemand in seinem Denken, seinem Verhalten, seinem Fühlen oder seiner Stimmung verändert und zum Beispiel permanent freudlos ist. Auf psychische Gesundheitsprobleme deutet auch hin, wenn Menschen sich sozial zurückziehen. Die Natur hat es so eingerichtet, dass wir alle mal bekümmert oder ängstlich sind. Als Faustregel für eine Intervention gilt daher, wenn die Auffälligkeiten länger als zwei Wochen anhalten.

Mitwirkende des Beitrags

Beitrag kommentieren

Alle Felder sind Pflichtfelder.

Datenschutzhinweis

Ihr Beitrag wird vor der Veröffentlichung von der Redaktion auf anstößige Inhalte überprüft. Wir verarbeiten und nutzen Ihren Namen und Ihren Kommentar ausschließlich für die Anzeige Ihres Beitrags. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht, sondern lediglich für eventuelle Rückfragen an Sie im Rahmen der Freischaltung Ihres Kommentars verwendet. Die E-Mail-Adresse wird nach 60 Tagen gelöscht und maximal vier Wochen später aus dem Backup entfernt.

Allgemeine Informationen zur Datenverarbeitung und zu Ihren Betroffenenrechten und Beschwerdemöglichkeiten finden Sie unter https://www.aok.de/pp/datenschutzrechte. Bei Fragen wenden Sie sich an den AOK-Bundesverband, Rosenthaler Str. 31, 10178 Berlin oder an unseren Datenschutzbeauftragten über das Kontaktformular.