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Pflegebudget: Gemischte Bilanz für die Selbstkostendeckung in der Pflege

26.08.2025 Anja Schnake 3 Min. Lesedauer

Fünf Jahre nach Einführung der Selbstkostendeckung für die Pflege im Krankenhaus sind die Kosten eklatant gestiegen, dennoch ist die angekündigte Verbesserung der Pflege bisher nicht messbar. Stattdessen treten die Fehlanreize immer deutlicher zutage.

Foto: Fünf Menschen in Krankenhaus-/Pflegekleidung aus der Vogelperspektive.
Abweichungen vom Plan: Nicht immer führen Pflegekräfte pflegespezifische Aufgaben aus.

Seit April 2025 gehören Reinigungsaufgaben und Bettenbeziehen für die Pflegerinnen und Pfleger des Helios-Klinikums Salzgitter wieder zum Job. Das Krankenhaus hat seine Servicekräfte entlassen und die Aufgaben seinen Fachkräften in der Pflege übertragen. Auch Kolleginnen und Kollegen, die die Essensabfrage unterstützten, und der Patientenbegleitdienst seien abgeschafft worden, berichtete die Salzgitter-Zeitung im Frühjahr 2025. Helios ist kein Einzelfall – über ähnliche Praktiken klagten die Konzernbetriebsräte anderer Klinikträger bereits Ende 2024. Hintergrund ist eine Neuregelung im Bereich der Vergütung: Servicekräfte dürfen seit Anfang 2025 nicht mehr über das sogenannte Pflegebudget finanziert werden. Neben solchen Tendenzen zur Deprofessionalisierung des Berufs beobachten Experten nicht nur eklatante Kostensteigerungen, sondern auch Fehlanreize bei Personaleinsatz und -qualifizierung. Über die Abschaffung des Pflegebudgets wird derzeit öffentlich diskutiert – zu Recht, sagt Roland Strasheim, Klinikmanager bei der Unternehmensberatung HC&S in Düsseldorf.

Das Budget wirkt sich aus

Die vollständige Refinanzierung der Personalausgaben für Pflege ab 2020 sollte in den Kliniken die Pflege am Bett stärken. Tatsächlich erhöhte sich der Personalbestand laut aktuellem Krankenhaus Rating Report von 2019 bis 2023 um 13,5 Prozent. Die Kosten stiegen dabei von 21,7 auf mehr als 28,1 Milliarden Euro (plus 29,7 Prozent) – infolge von Tarifsteigerungen und außertariflichen Sonderzahlungen. Nach Ansicht der Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Karin Staffler, war das Budget ein Erfolg: „Es sollte gezielt dafür sorgen, dass wieder mehr Pflegepersonal eingestellt und damit die Versorgung verbessert wird. Die Einführung des Pflegebudgets war also ein wichtiger Schritt, um die Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen zu verbessern, indem mehr Personal eingestellt wurde.

Doch hat sich die Versorgung verbessert? Zwar gibt es mehr examinierte Pflegekräfte auf den Stationen, noch stärker aber wuchs die Personaldecke im Bereich der gering qualifizierten Pflegeberufe. Viele Kliniken überführten zudem ihre bis dato im Schreib- oder Funktionsdienst beschäftigten Medizinischen Fachangestellten ins Pflegebudget. Andere, zu gering qualifizierte Beschäftigte wurden in Blitzverfahren zu Pflegehelfern ausgebildet, sodass das Budget ihre Kosten trägt. Wie die Häuser das Personal einsetzen, bleibt offen. Das Problem mit dem Pflegebudget ist, dass für die externe Wirtschaftsprüfung im Einzelfall nur schwer feststellbar ist, inwieweit der rechtliche Rahmen ausgeschöpft oder klar überschritten wurde“, sagt Strasheim. Hinzu kommt: Die hohe Attraktivität der Kliniken für Angehörige von Pflegeberufen macht es anderen Einrichtungen immer schwerer, Personal aufzubauen.

„Langfristig kommen wir im Gesundheitswesen nur mit tiefgreifenden, sektorenübergreifenden Strukturreformen voran. Andernfalls werden wir spätestens ab dem Jahr 2030 ein Gesundheitsdesaster erleben.“

Roland Strasheim

Klinikmanager bei der Unternehmensberatung HC&S in Düsseldorf

Die Probleme bleiben

Im Umgang mit dem Thema gehen die Meinungen auseinander. Wahlfreiheit mache den Beruf attraktiv, am Ende entschieden die Arbeitsbedingungen darüber, für welchen Arbeitgeber die Pflegenden sich entscheiden, so Staffler: Sicherlich haben Krankenhäuser aufgrund ihrer Größe hier mehr Möglichkeiten, beispielsweise auch durch Springerpools oder betriebliche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung.Deshalb unterstützt die Bevollmächtigte Coaching-Programme vor Ort. Unternehmensberater Strasheim dagegen glaubt nicht mehr an kleinteilige Lösungen für einzelne Standorte: Langfristig kommen wir im Gesundheitswesen nur mit tiefgreifenden, sektorenübergreifenden Strukturreformen voran. Andernfalls werden wir spätestens ab dem Jahr 2030 ein Gesundheitsdesaster erleben.

 

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