Fit für die Erste Hilfe?
Zu wenige Menschen sind in Erster Hilfe richtig ausgebildet. Gehören Kurse zur Laienreanimation in den Schulunterricht? Brauchen wir eine Pflicht zur regelmäßigen Auffrischung der Kenntnisse, damit jeder in einer Notsituation helfen kann? G+G hat vier Expertinnen und Experten gefragt.

Jeder Mensch kann Leben retten

Univ.-Prof. Dr. med. Dr. h.c. Bernd W. Böttiger, Bundesarzt und Präsidiumsmitglied Deutsches Rotes Kreuz, Vorstandsvorsitzender Deutscher Rat für Wiederbelebung (GRC)
„Bei einem plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand kann jede und jeder ein Leben retten. Alles, was man braucht, sind zwei Hände. Es kommt auf jede Sekunde an. Das Gehirn stirbt bereits nach drei bis fünf Minuten. Der Rettungsdienst kommt meist viel später. Man muss nur ununterbrochen drücken, bis der Rettungsdienst da ist. So kann der Mensch gut überleben. Wie das geht? Prüfen – Rufen – Drücken – Prüfen: Ist der Mensch ansprechbar und atmet sicher normal? Wenn nicht: Den Notruf 112 wählen, und dann drücken: am besten den Brustkorb vorne frei machen, dann in der Mitte des Brustkorbs mit ausgestreckten Armen und den Schultern über dem Druckpunkt fünf bis sechs Zentimeter tief und fest drücken, dann entlasten und so weiter – 100 bis 120 mal pro Minute. So fließt das Blut wieder zum Gehirn. Der plötzliche Herz-Kreislauf-Stillstand ist bei uns die dritthäufigste Todesursache. Jedes Jahr sterben immer noch mehr als 120.000 Menschen daran, Zehntausende könnten gut überleben."
Reanimationsunterricht in die Schulen bringen

Dorothee Feller, Ministerin für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen
„Wir setzen hier in Nordrhein-Westfalen ein klares Zeichen: Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern von Stiftungen, Ärztekammern, Hilfsorganisationen, ärztlichen Partnerinnen und Partnern und medizinischen Fachgesellschaften werden wir ab dem Schuljahr 2026/27 Reanimationsunterricht in der Sekundarstufe I verpflichtend einführen. Jede Schülerin und jeder Schüler soll in Klasse 7, 8 oder 9 mindestens einmal eine 90-minütige Schulung zur Laienreanimation erhalten. Zudem ermutigen wir Förderschulen und private Ersatzschulen, Reanimationsunterricht durchzuführen. Ich bin sehr froh über diese gemeinsam getragene Initiative, weitere Akteure sind jederzeit willkommen. Nach dem Ansatz „Train the teacher“ werden wir Lehrkräfte als Multiplikatoren unter anderem im Rahmen der staatlichen Lehrkräftefortbildung schulen. Selbstverständlich aber ist es für Partner auch in Zukunft möglich, Schülerinnen und Schüler in Abstimmung mit den jeweiligen Schulen in Erster Hilfe zu schulen."
Frühzeitige Gesundheitserziehung für mehr Ersthelfer

Prof. Dr. Florian Hoffmann, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e.V.
„Jeder in der Bevölkerung sollte unbedingt wissen, wie er oder sie im Notfall direkt und am besten hilft. Ruhig bleiben und Hilfe rufen – das können schon die Allerkleinsten in Krippe und Kindergarten lernen. Erste Hilfe und einfache Wiederbelebungsmaßnahmen sollten Kinder bereits in der Schule lernen. Einmal im Schuljahr zwei Unterrichtsstunden würden schon viel verändern, weil man es dann im Erwachsenenalter nicht mehr vergisst, souverän agieren, und damit Menschenleben retten kann. Schnelle, beherzte Hilfe durch Umstehende erhöht die Überlebenschancen dramatisch – und gerade Kinder und Jugendliche sind in vielen Notfällen nah am Geschehen. Ihr rascher Einsatz kann die entscheidende Brücke zur professionellen Versorgung bauen. Wenn wir richtig schlau wären, dann würden wir es nicht bei zwei Unterrichtsstunden belassen, sondern in eine frühzeitige Gesundheitserziehung als eigenständiges Schulfach investieren. Wir werden zukünftig mit weniger Fachpersonal noch viel mehr auf die Ersthelfer vor Ort angewiesen sein."
Mögliche Pflicht zur Auffrischung

Dr. Tanja Mansfeld, Sachgebietsleitung Ausbildung im gesundheitlichen Bevölkerungsschutz des Deutschen Roten Kreuzes (DRK)
„Ein Viertel der Deutschen fühlt sich laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des DRK nicht in der Lage, in einer Notsituation Erste Hilfe zu leisten. Über 40 Prozent der Befragten gaben an, dass ihr letzter Erste-Hilfe-Kurs über 15 Jahre zurückliegt. Das Problem ist, dass die meisten Menschen erst dann einen Kurs machen, wenn sie jemanden pflegen oder eine Notsituation erlebt haben, in der sie nicht wussten, wie sie richtig helfen können. Durch mehr Wissen zu Erster Hilfe könnten jedes Jahr mehr als zehntausend Menschen überleben; insofern stellt sich auch die Frage nach einer Pflicht zur Auffrischung. Wir empfehlen alle zwei Jahre einen Erste-Hilfe-Kurs zu besuchen, da die Kenntnisse ohne regelmäßige Anwendung schnell in Vergessenheit geraten. Das DRK setzt sich dafür ein, ab der 7. Klasse jährlich zwei Unterrichtsstunden in Wiederbelebung in allen Bundesländern einzuführen. Dies wäre ein wichtiger Ansatzpunkt, um das Wissen über Erste Hilfe bereits in jungen Jahren fest zu verankern."
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