Solidarprinzip stärken
Jacobs' Weg: Bei den anstehenden Reformen der gesetzlichen Krankenversicherung dürfen die zentralen Strukturprinzipien nicht in Frage gestellt werden. Das würde ihre Akzeptanz gefährden.


In der Debatte über geeignete Maßnahmen zur Lösung der gravierenden Finanzprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist häufig zu hören, dass die GKV gar kein Einnahmenproblem, sondern vor allem ein Ausgabenproblem habe. Sofern diese Aussage darauf verweisen soll, dass eine umfassende Gesundheitsversorgung mit den vorhandenen Ressourcen eigentlich gewährleistet sein müsste, ist zumindest ihre Absicht nachvollziehbar. Einfach nur zusätzliches Geld in ineffiziente Strukturen zu stecken, hätte mit einer zukunftsfesten Gestaltung der GKV in der Tat wenig zu tun.
Grundsätzlich ist die Aussage jedoch unzutreffend, denn die GKV hat sehr wohl gehörige Einnahmenprobleme. Das gilt zum einen für die unzureichende Erstattung versicherungsfremder Leistungen durch Steuermittel – etwa zu geringe Beiträge für Beziehende von Bürgergeld. Das gilt zum anderen aber auch für die seit Jahrzehnten anhaltende Wachstumsschwäche der beitragspflichtigen Einnahmen der GKV-Mitglieder. Ihretwegen können auf Dauer nicht einmal Ausgabenzuwächse in Höhe der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts zusatzbeitragsneutral finanziert werden. Ohne eine breitere Basis der solidarischen Beitragsfinanzierung wird sich daran nichts ändern, und Steuern können dies auch nicht nachhaltig kompensieren.
„Selbstbeteiligungen nach Einkommen passen nicht zum Solidarprinzip.“
Ehemaliger Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO)
Anstatt einer Stärkung des Finanzierungsteils des GKV-Solidarprinzips – Beiträge nach der ökonomischen Leistungsfähigkeit – könnte aber auch eine Schwächung seines leistungsseitigen Gegenstücks drohen, wonach Leistungen allein nach dem medizinischen Bedarf gewährt werden. So haben der Gesundheitsökonom Boris Augurzky und der Mediziner Christian Karagiannidis die Einführung einer einkommensabhängigen Selbstbeteiligung der Patienten in Höhe von bis zu einem Prozent ihres beitragspflichtigen Einkommens vorgeschlagen. Ganz abgesehen von Zweifeln an der unbürokratischen Umsetzbarkeit würde hierdurch die noch immer hohe Akzeptanz der GKV in der Bevölkerung mutmaßlich massiv beschädigt. Deshalb wäre dies nicht nur bei unverändertem Fortbestand der offenen Flanke der GKV zur privaten Krankenversicherung ein Irrweg.
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