Debatte: Kinderkriegen ist keine Krankheit
Bei der Geburt sind Frauen in ein System eingebunden, das auf Krankheit ausgelegt ist, beklagt Ulrike Geppert-Orthofer. Sie sieht das Potenzial der Hebammen nicht ausgeschöpft.


Deutschen Hebammenverbandes.
Das Kinderkriegen ist eine der schönsten und prägendsten Erfahrungen im Leben. Schwangere, Gebärende sowie Mütter und ihre Kinder benötigen besondere Aufmerksamkeit, haben aber als gesunde Menschen andere Bedürfnisse als kranke Menschen. In Deutschland jedoch werden sie in ein System eingebunden, das auf Krankheit ausgelegt ist.
Die Folge: Eine Überversorgung gesunder Frauen mit technischen Eingriffen und eine Unterversorgung in sozialer und beratender Hinsicht. Diese Fehlversorgung verursacht hohe Kosten, ohne die Gesundheit von Mutter und Kind messbar zu verbessern. Die derzeitige Forderung, bei jeder Geburt müsse eine Pädiaterin oder ein Pädiater anwesend sein, wird daran nichts ändern. Das ist weder evidenzbasiert noch ressourcenoptimiert. Eine Geburtshilfe, die auf Vertrauen in physiologische Abläufe und präzise Risikostratifizierung setzt, sichert die besten Outcomes – ohne Übermedikation oder unnötige Eingriffe.
„Die Frühgeburtlichkeit ist in Deutschland deutlich höher als in Skandinavien.“
Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes
Der Vergleich mit Skandinavien zeigt, wie es besser geht. Während mütterliche und neonatale Mortalität sowohl in Skandinavien als auch in Deutschland sehr niedrig sind, ist die Frühgeburtlichkeit in Deutschland deutlich höher. Ein wesentlicher Unterschied der beiden Systeme ist die Betreuung durch die Hebamme und nicht die routinemäßige Anwesenheit eines Kinderarztes bei jeder Geburt. Die erste Ansprechpartnerin in der Schwangerschaft ist die Hebamme, 90 Prozent der Geburten in Skandinavien sind hebammengeleitet und die Kaiserschnittrate liegt bei 18 Prozent (Deutschland: 33 Prozent). Eine solche Systemumstellung könnte auch in Deutschland erfolgreich sein, wenn wir das Vertrauen in die physiologischen Prozesse der Geburt und die Kompetenz der Hebammen stärken. Hebammen sind die einzige Berufsgruppe, die spezifisch für die Begleitung von Schwangerschaft und Geburt, mit einem klaren Fokus auf die gesunden Bedürfnisse der Frauen und Kinder, ausgebildet ist und zu deren Kompetenz es gehört, frühzeitig Abweichungen vom Normalen zu erkennen. Das volle Potenzial der Hebammen ist in Deutschland bei weitem noch nicht ausgeschöpft.
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