Alkohol höher besteuern?
In Deutschland sterben jährlich etwa 15.000 Menschen an den Folgen von Alkohol. Dennoch sind alkoholische Getränke fast nirgendwo so günstig und leicht verfügbar wie hierzulande. Könnten höhere Steuern den Konsum drosseln?

Politisches Gesamtkonzept für Prävention gefordert

Dr. Peter Raiser, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e. V.:
„Deutschland hat ein Alkoholproblem. Der im internationalen Vergleich hohe Alkoholkonsum hat enorme Folgen: Er belastet neben betroffenen Menschen selbst auch ihre Familien, das soziale Umfeld und die gesamte Gesellschaft. Die gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen von Alkoholkonsum sind enorm. Wir brauchen ein politisches Gesamtkonzept für die Prävention – mit Maßnahmen der Aufklärung sowie regulierenden Maßnahmen der Verhältnisprävention. Hier stehen effiziente und effektive Instrumente zur Verfügung, die in Deutschland jedoch kaum genutzt werden. Der Zusammenhang von niedrigen Preisen, hohem Konsum und Konsumfolgen ist wissenschaftlich gut untersucht. Es ist auch erwiesen, dass eine Anhebung der Preise durch höhere Steuern eine vorbeugende Wirkung hat. Ein weiterer Vorteil: Steuereinnahmen können zusätzlich für Aufklärung eingesetzt werden. Höhere Steuern auf alkoholische Getränke reduzieren Leid und Erkrankung und verbessern die Gesundheit der Bevölkerung."
Höhere Besteuerung allein greift zu kurz

Simone Borchardt, Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion:
„Die gesundheitlichen und sozialen Folgen von Alkoholmissbrauch sind unbestritten. Doch eine höhere Besteuerung allein greift zu kurz. Statt pauschaler Preiserhöhungen setzen wir auf bewährte Maßnahmen. Prävention, Aufklärung und frühzeitige Hilfeangebote zeigen Wirkung: Der Alkoholkonsum in Deutschland geht seit Jahren zurück. Das ist ein Erfolg, den wir nicht verspielen dürfen. Gleichzeitig müssen wir ehrlicher darüber sprechen, welche Kosten durch riskanten Alkoholkonsum entstehen – für unser Gesundheitssystem, für die Gesellschaft und für die Betroffenen selbst. Diese Belastungen müssen transparenter und in der politischen Debatte stärker reflektiert werden. Klar ist: Wir dürfen in unseren Anstrengungen nicht nachlassen. Verantwortung stärken, Aufklärung fördern – das bleibt der richtige Weg."
Erfolgsstrategie von Tabaksteuererhöhung auf Alkohol übertragen

Dr. Jakob Manthey, Arbeitsgruppen leiter am Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg
„Jährlich sterben in Deutschland mehr als 100.000 Menschen an den Folgen von Alkohol- und Tabakkonsum. Hinzu kommen zahlreiche vermeidbare Erkrankungen, die das Gesundheitssystem erheblich belasten. Durch wiederholte Steuererhöhungen auf Tabakprodukte wurden Zigaretten teurer, der Fiskus erzielte erhebliche Mehreinnahmen, und der Tabakkonsum ging zurück. Diese Erfolgsstrategie ließe sich auf Alkohol übertragen, der in keinem anderen europäischen Land so erschwinglich ist wie in Deutschland. Seit 1993 wurde die Biersteuer nicht mehr erhöht, für Wein werden gar keine Verbrauchssteuern erhoben. Aufgrund dieser Untätigkeit haben Verbrauchssteuern derzeit kaum Einfluss auf das Konsumverhalten und lassen die Steuereinnahmen inflationsbereinigt sinken – und das in Zeiten knapper Kassen. Durch die Anhebung von Alkoholsteuern lässt sich der Alkoholkonsum am effektivsten senken, die Gesundheit schützen und die Staatseinnahmen steigern – eine echte Win-win-win-Situation."
Fünfthäufigste Hauptdiagnose bei vollstationären Krankenhausaufenthalten

Jürgen Naundorff, Mitglied der Geschäftsleitung Blaues Kreuz in Deutschland e. V.:
„Er war für mich wie ein Bruder, zwei Jahre älter, mein jüngster Onkel. Wir hatten eine gute Kindheit, sonntags meist gemeinsam. Dann wurde er alkoholkrank und keine 60 Jahre alt. Sein Schicksal und das vieler Menschen fließen in die jährliche Statistik ein. Emotionslos. In Form einer Zahl: 47.500 (im Jahr 2022). So viele Menschen verstarben an den direkten und indirekten Folgen von Alkoholkonsum. Alkoholvergiftung. Sie, noch nicht volljährig, musste notärztlich versorgt werden. Ein Schock für die ganze Familie. Ihre Behandlung gehörte zu den „Big Five“ 2023: Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol waren mit 232.737 Behandlungsfällen die fünfthäufigste Hauptdiagnose bei vollstationären Krankenhausaufenthalten in Deutschland. Bei Männern landete diese Diagnose sogar auf Platz 3. Alkohol höher besteuern? Ja! Alkohol ist ein Zellgift, eine Droge, gefährdet die Gesundheit, belastet Beziehungen, zerstört Leben. Zu billig! Damit auch zu attraktiv für junge Menschen!"
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