Verspannt von der Arbeit
Erschöpft, gereizt, gestresst: Viele Erwerbstätige führen gesundheitliche Beschwerden auf ihren Job zurück – und wünschen sich unter anderem Entspannungskurse und Rückenschulen. Dies belegt eine aktuelle Auswertung von Beschäftigtenbefragungen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).
Krankheitsbedingte Fehlzeiten stellen bekanntlich eine erhebliche Kostenbelastung für die Volkswirtschaft dar. Viele Unternehmen aber wissen nicht, wo sie zur Bekämpfung des Krankenstandes ansetzen sollen, da sie zu wenig Informationen darüber haben, welche Krankheiten vorliegen und was mögliche Ursachen für die Erkrankungen sein könnten. Vor diesem Hintergrund hat der Bedarf an Mitarbeiterbefragungen in Unternehmen als Instrument des betrieblichen Gesundheitsmanagements in den vergangenen Jahren zugenommen.
Mitarbeitenden zugehört
Mitarbeiterbefragungen gehören zu einem der meist benutzten Instrumente der Organisationsführung und -entwicklung und können mit verschiedenen Zielsetzungen durchgeführt werden. Sie lassen sich sowohl zur Diagnostik (Schwachstellenanalyse) und Planung als auch zur Evaluation durchgeführter Interventionen verwenden.
Das Potenzial von Mitarbeiterbefragungen wird allerdings nur dann ausgeschöpft, wenn es in ein betriebliches Gesundheitsmanagement eingebunden ist. Krankenkassen wie die AOK bieten den Unternehmen zur Fehlzeitendiagnose deshalb unter anderem Befragungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an – meist kombiniert mit betriebsbezogenen Analysen zum Krankenstand, Gesundheitszirkeln und zur Arbeitssituation. Anschließend entwickeln die AOK-Mitarbeitenden vor Ort gemeinsam mit dem Unternehmen auf die betrieblichen Bedürfnisse abgestimmte und qualitätsgesicherte Gesundheitsangebote, um arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu identifizieren und abzubauen. Diese Angebote helfen den Unternehmen dabei, die Gesundheitssituation ihrer Belegschaften zu verbessern und damit die Krankenstände zu senken.
Der vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) zusammen mit Expertinnen und Experten der AOK entwickelte schriftliche Fragenkatalog misst mit über 100 standardisierten und geschlossenen Fragen verschiedene zentrale Indikatoren von Gesundheit und Krankheit am Arbeitsplatz aus der Perspektive der Mitarbeitenden. Hieraus können Betriebe einen eigenen unternehmensspezifischen Fragebogen zusammenstellen.
Die Grundlage der aktuellen Datenanalyse bilden anonymisierte Ergebnisse aus Mitarbeiterbefragungen, die im Rahmen des AOK-Service „Gesunde Unternehmen“ in den Jahren 2011 bis 2023 durchgeführt worden sind. Auch wenn die Daten nicht repräsentativ sind – dafür wäre eine Zufallsstichprobe Voraussetzung –, lassen die Antworten von inzwischen insgesamt 84.289 Mitarbeitenden vielfältige Rückschlüsse auf deren Arbeitsbedingungen und Gesundheitsbelastungen zu. 95 Prozent der Befragten arbeiten in einem Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten. Am häufigsten vertreten sind das verarbeitende Gewerbe mit 41 Prozent, das Gesundheits- und Sozialwesen mit 29 Prozent und die Öffentliche Verwaltung mit 15 Prozent.
Job macht müde
Mithilfe des WIdO-Fragenkatalogs lässt sich die Häufigkeit von insgesamt 22 gesundheitlichen Beschwerden abfragen. An der Spitze der Beschwerden, unter denen die Befragten nach eigenen Angaben „häufig“ oder „immer“ leiden, stehen Verspannungen und Rückenschmerzen, gefolgt von psychischen Beschwerden wie allgemeine Erschöpfung, Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Lustlosigkeit.
Auffällig ist das Ausmaß, in dem Beschäftigte Zusammenhänge zwischen ihren Beschwerden und dem Arbeitsplatz sehen. Insbesondere bei Verspannungen und Rückenschmerzen sowie bei Stresssymptomen wie Lustlosigkeit, Reizbarkeit, Nervosität, Unruhe und allgemeine Müdigkeit spielen aus Sicht der Befragten arbeitsbedingte Einflüsse eine große Rolle. Die Mehrheit der immer oder häufig von diesen Beschwerden Betroffenen sieht einen Zusammenhang mit der Arbeit.
Zugleich sind deutliche alters- und geschlechtsspezifische Unterschiede zu beobachten. Erwartungsgemäß nehmen körperliche Beschwerden wie Verspannungen, Rücken- und Gelenkschmerzen mit dem Alter zu. Dagegen sind Kopfschmerzen für jüngere Befragte (22 Prozent) häufiger ein Problem als für Ältere (zwölf Prozent). Frauen berichten durchweg öfter als Männer, dass sie häufig oder immer unter den hier ausgewerteten zehn Beschwerden leiden. Der größte Unterschied zwischen den Geschlechtern zeigt sich bei den Verspannungen. Während fast jede zweite Frau darüber klagt (47 Prozent), berichtet nur jeder vierte Mann, häufig oder immer unter diesen Beschwerden zu leiden (25 Prozent). Verspannungen und Rückenschmerzen werden von Frauen nicht nur häufiger genannt. Sie sehen auch öfter als Männer einen Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz. Alle anderen Beschwerden werden dagegen von den Männern seltener genannt, dafür aber öfter mit dem Arbeitsplatz in Verbindung gebracht.
Getrennt nach Branchen sind muskuloskelettale Beschwerden im Gesundheits- und Sozialwesen am häufigsten vertreten (Verspannungen: 46 Prozent; Rückenschmerzen: 40 Prozent). Frauen sind auch hier deutlich mehr belastet (48 Prozent; 39 Prozent) als ihre männlichen Kollegen (25 Protent; 26 Prozent).
Betriebsklima bedeutsam
Der Zusammenhang zwischen Arbeitsplatz und Beschwerden zeigt sich auch darin, dass die Mehrheit der Beschäftigten davon ausgeht, dass Veränderungen der Arbeitsbedingungen ihre Beschwerden verringern könnten. Auf die Frage „Was schlagen Sie zur Verbesserung Ihrer gesundheitlichen Situation am Arbeitsplatz vor?“ geben die Befragten im Schnitt drei Verbesserungsvorschläge an. Lediglich sieben Prozent der Befragten sind der Meinung, dass hier keine Verbesserungen nötig sind.
Am häufigsten machen die Befragten Angaben zum Betriebsklima und zur Führung. Sie wünschen sich eine „Verbesserung des Betriebsklimas“ (36 Prozent) sowie „mehr Einsatz der Vorgesetzten für die Mitarbeitenden“ (35 Prozent). An dritter Stelle steht der Wunsch nach Gesundheitskursen (knapp 30 Prozent). Hieran haben Frauen ein größeres Interesse als Männer (57 zu 46 Prozent).
Die Mehrheit der Befragten macht konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Gesundheit am Arbeitsplatz. Bei der Frage nach betrieblichen Gesundheitsangeboten favorisieren die Beschäftigten über alle Altersgruppen und Geschlechter hinweg arbeitsplatzbezogene Rückenschulungen und Angebote zur Stressbewältigung beziehungsweise Entspannung. Frauen machen hier durchweg häufiger Angaben als Männer.
Die größten geschlechtsspezifischen Unterschiede sind bei den Entspannungskursen zu sehen:
73 Prozent der Frauen und 60 Prozent der Männer sind daran interessiert. Bei Angeboten zu Kommunikation und Führung ist das Verhältnis umgekehrt: 56 Prozent der Männer und 49 Prozent der Frauen sprechen sich dafür aus. Ferner favorisieren die befragten Beschäftigten Angebote zu Gymnastik und Bewegung am Arbeitsplatz sowie Programme zur Gewichtsregulierung. Im Vergleich dazu ist das Interesse an betrieblichen Arbeitsgruppen zum Gesundheitsschutz mit zwölf Prozent gering. Dies mag daran liegen, dass nicht jeder Beschäftigte eine konkrete Vorstellung davon hat.
Dagegen interessieren sich viele der Befragten für Angebote im Bereich Kommunikation und Führung – insbesondere die Altersgruppe zwischen 30 und 40 Jahren (50 Prozent), vermutlich da Mitarbeitende in diesem Alter vermehrt in Führungspositionen aufsteigen oder dies anstreben.
Win-Win-Situation für alle
Insgesamt vermittelt die Auswertung der Befragungen der Mitarbeitenden ein gutes Bild davon, wie Beschäftigte die Arbeitsbedingungen im Betrieb beurteilen. Daraus ergeben sich vielfältige Ansätze für Unternehmen, die gesundheitliche Situation ihrer Mitarbeitenden nachhaltig zu verbessern. Das lohnt sich sowohl aus wirtschaftlicher Sicht für die Betriebe als auch individuell für jeden Beschäftigten.
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