Artikel Versorgung

Impulse für die Krankenhausreform

22.05.2024 Peter Willenborg 6 Min. Lesedauer

Der Umbau der Kliniklandschaft muss sich an der Qualität der Behandlung orientieren. Daten und Fakten dazu liefert der aktuelle Krankenhaus-Report aus dem Wissenschaftlichen Institut der AOK.

Blick auf leere Klinikbetten vor einem Fenster in einem Krankenhauszimmer
In deutschen Kliniken wird nicht mehr jedes Bett gebraucht – die Fallzahlen sind seit 2019 gesunken.

Seit einigen Monaten ringen Bund und Länder um eine große Krankenhausreform. Der Krankenhaus-Report 2024 beleuchtet verschiedene Aspekte der Strukturen und der Finanzierung in der stationären Versorgung und gibt damit Impulse für die Reformdiskussion.

Der Report zeigt auf, wo die Defizite in der Behandlungsqualität liegen, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit der Krankenhausreform angehen will. Die Notwendigkeit einer qualitätsorientierten Bündelung von Behandlungen machte bei der Vorstellung des Reports Christian Günster, Leiter der Abteilung Versorgungsforschung im Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) am Beispiel der Brustkrebs- und der Herzinfarkt-Behandlung deutlich.

Probleme lassen sich planerisch lösen

Eine aktuelle Auswertung zeige, dass im Jahr 2022 knapp fünf Prozent der Herzinfarkt-Fälle in Kliniken behandelt wurden, die nicht über die medizinisch notwendige Ausstattung mit einem Herzkatheterlabor verfügten. Es handele sich um ein „andauerndes Problem“, so Günster. Ein positiver Trend zur Behandlung in den „richtigen“ Kliniken mit adäquater Ausstattung sei zwar zu erkennen, aber das Problem habe 2022 immer noch rund 9.400 Herzinfarkt-Patientinnen und -Patienten betroffen.

Es könne „eindeutig planerisch gelöst“ werden, sagte WIdO-Experte Günster und verwies auf das Beispiel Hamburg. Hier seien im Jahr 2022 nach entsprechenden Vorgaben im Landes-Krankenhausplan nahezu alle Herzinfarkte in Kliniken mit Herzkatheterlabor behandelt worden, während im Saarland jeder neunte Fall nicht adäquat versorgt worden sei.

Mindestmenge beschleunigt die Konzentration

Grafik zur Herzinfarkt-Behandlung online
Angaben der Kliniken in strukturierten Qualitätsberichten für 2022; Quelle: qualitaetsmonitor.de

Ähnlich beharrlich seien Qualitätsdefizite bei der Brustkrebs-Behandlung. Nach der Auswertung für den Krankenhaus-Report wurden 2022 etwa 13 Prozent der Frauen mit Brustkrebs in Kliniken operiert, die nicht über eine Zertifizierung der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) als Brustkrebs-Zentrum verfügten. Von dem Problem seien mehr als 9.000 Patientinnen betroffen gewesen. Das Innovationsfonds-Projekt „WiZen“ hatte 2022 einen Überlebensvorteil von 20 Prozent für Patientinnen mit Brustkrebs gezeigt, die in von der DKG zertifizierten Zentren behandelt werden. Auch hier sei im Laufe der Jahre eine gewisse Konzentration erkennbar, die durch die Einführung einer Mindestmenge in diesem Jahr beschleunigt werde, berichtete Christian Günster. Doch bei anderen Krebsarten sei der Anteil der Zentrumsbehandlungen noch viel geringer. „Wenn wir im bisherigen Tempo weitermachen, würde es zwanzig Jahre dauern, bis alle Patientinnen und Patienten mit Krebs in zertifizierten Zentren behandelt werden“, so Günster.

Leistungsgruppen verbindlich definieren

AOK-Vorständin Carola Reimann mahnte in diesem Zusammenhang eine schnelle und verbindliche Definition der Leistungsgruppen an, die als wichtiger Baustein der Reform die qualitätsorientierte Konzentration von Krankenhaus-Leistungen voranbringen sollen. Die Patientinnen und Patienten müssten sich „darauf verlassen können, dass sie im Bedarfsfall bestmöglich behandelt werden“, so Vorständin Reimann. Mit Qualitätskriterien für Leistungsgruppen beschäftigt sich ein ganzes Unter-Kapitel im Krankenhaus-Report.

Pandemie hat Ambulantisierung gefördert

Dass die Reform auch aus wirtschaftlichen Gründen dringend erforderlich ist, zeigen aktuelle Auswertungen des WIdO zur Fallzahl-Entwicklung, die Professor Jochen Schmitt von der Hochschulmedizin Dresden vorstellte. So wurden in den deutschen Kliniken 2023 knapp 14 Prozent weniger somatische Fälle behandelt als 2019, also dem Jahr vor der Pandemie. Einen anhaltenden Einbruch gibt es mit minus 20 Prozent gegenüber 2019 insbesondere bei den ambulant-sensitiven Diagnosen, die nicht zwingend im Krankenhaus behandelt werden müssten. „Hier hat die Pandemie offenbar die gebotene stärkere Ambulantisierung von Leistungen bereits befördert“, betonte Schmitt, der Mitglied der Regierungskommission zur Krankenhausreform und des Sachverständigenrates Gesundheit und Pflege ist.

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