Interview Pflege

„Effizienz sieht anders aus"

22.01.2024 Otmar Müller 4 Min. Lesedauer

Gerriet Schröder bedient bei der AOK Sachsen-Anhalt die Selbsthilfeförderung durch Kranken- und Pflegekasse aus einer Hand. Er beklagt vor allem bei der Förderung gemäß SGB XI bürokratische Strukturen und fordert Nachbesserungen.

Foto: Eine junge Frau sitzt mit einem älteren Mann auf dem Sofa und hält ein Buch in der Hand. Sie schauen sich aufmerksam an.

Herr Schröder, warum gibt es zwei Förderwege für die Selbsthilfe für pflegende Angehörige?

Gerriet Schröder: Für die Förderung der gesundheitlichen Selbsthilfe sind grundsätzlich die Krankenkassen zuständig. Wir haben einen im Fünften Sozialgesetzbuch formulierten gesetzlichen Auftrag, die Selbsthilfe zu fördern. Selbsthilfegruppen oder -organisationen können bei uns Anträge auf pauschale oder auf Projektförderung stellen. Erfüllen die Förderanträge alle Formalien, zahlen wir das Geld direkt aus. Selbsthilfeangebote speziell für pflegende Angehörige haben aber ebenfalls einen gesetzlichen Anspruch auf Förderung. Dieser ist im Elften Sozialgesetzbuch formuliert, also im SGB XI. Deshalb sind für diesen Förderweg die Pflegekassen Hand in Hand mit den Bundesländern zuständig. Als der neue Anspruch im SGB XI hinzukam, haben wir Synergieeffekte erwartet, wenn wir beide Förderwege aus einer Hand bedienen.

Wie sehen Ihre Erfahrungen in den beiden Bereichen aus?

Schröder: 
Die Selbsthilfeförderung nach SGB V läuft seit vielen Jahren völlig problemlos. Wir erhalten jedes Jahr ungefähr 850 Anträge, prüfen sie und zahlen dann sehr schnell die beantragten Gelder direkt aus. Da die AOK seit über 30 Jahren Selbsthilfeaktive fördert, gibt es einen sehr engen Kontakt zur Selbsthilfe. Wir beraten Kontaktstellen oder regionale Gruppen vor Ort, stellen Räumlichkeiten zur Verfügung und kennen die Projekte, die wir fördern. Bei der Förderung von Angeboten für pflegende Angehörige sieht das komplett anders aus. Hier hat der Gesetzgeber einen bürokratischen Rahmen vorgegeben, der eine gute und effektive Bearbeitung der Anträge fast unmöglich macht – Effizienz sieht für mich anders aus.

„Gute Bearbeitung der Anträge ist fast unmöglich.“

Gerriet Schröder

Leiter der Abteilung Prävention bei der AOK Sachsen-Anhalt

Foto: Porträt von Gerriet Schröder, Leiter der Abteilung Prävention bei der AOK Sachsen-Anhalt
Gerriet Schröder leitet bei der AOK Sachsen-Anhalt die Abteilung Prävention.

Woran liegt das?

Schröder: Die Förderanträge aus der Selbsthilfe müssen bei einer zentralen Landesbehörde eingereicht werden, der Sozialagentur des Landes Sachsen-Anhalt. Prinzipiell kann eine Sozialagentur eine Förderzusage aber erst erteilen, wenn sie weiß, wie viel Geld sie dafür vom Land zur Verfügung gestellt bekommt – die Länder müssen sich mit einem Viertel an der Gesamtfördersumme beteiligen, den Rest zahlen die Pflegekassen. Erst wenn die Landeshaushaltsplanung abgeschlossen ist, können Anträge also an die Pflegekassen weitergegeben werden. Die Pflegekassen müssen dann anschließend noch untereinander Einvernehmen herstellen, welche Projekte gefördert werden können. Ist dieser Prozess abgeschlossen, reichen wir die Anträge an das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) in Bonn weiter. Diese Behörde ist dann für die Auszahlung zuständig.

Wieso werden zur Verfügung stehende Fördergelder nicht in vollem Umfang abgerufen? 

Schröder: Unsere Erfahrung ist, dass zwischen Antrag und Geldauszahlung ein ganzes Jahr vergehen kann. Das macht für viele Gruppen kaum Sinn, weshalb sie dann oft gar keinen Antrag mehr stellen. Die Politik hat mit diesem Konstrukt den  pflegenden Angehörigen einen echten Bärendienst erwiesen, hier muss wirklich nachgebessert werden.

Foto: Ein junger Mann schiebt einen älteren Mann im Rollstuhl und zeigt auf etwas.

G+G-Spezial 1/2024

Selbsthilfe für pflegende Angehörige

Format: PDF | 2 MB

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