Zukunftseuphorie ist sozialer Treibstoff für Veränderungen
Kriege, Krisen, Klimawandel – die Welt steht Kopf, doch die Gesellschaft tut sich mit notwendigen Veränderungen schwer. Der Transformationsforscher Stefan Selke erklärt, weshalb es wichtig ist, „überzeugende Zukunftserzählungen“ zu entwickeln, bevor Lösungen diskutiert werden.


Herr Professor Selke – der Juli 2023 war der heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Der Klimawandel polarisiert wie kaum ein anderes Thema. Wie lassen sich dennoch möglichst viele Menschen hin zu Veränderung bewegen?
Prof. Dr. Stefan Selke: Aufbruch gelingt, wenn möglichst viele Menschen eine ähnliche Situationsdefinition entwickeln. Voraussetzung dafür ist allerdings eine positive Haltung der Zukunft gegenüber sowie die Einsicht, diese selbst mitgestalten zu können. Bevor also „Lösungen“ für den Klimawandel diskutiert werden, sollten zunächst stimmige und überzeugende Zukunftserzählungen entwickelt werden. Im Grund ist dies ein zentrales Menschheitsprojekt, das Anstrengungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen, also in der Bildung, Politik, Kultur, Wirtschaft, erfordert. Zukunftsgestaltung braucht dabei viel mehr als nur technische Lösungen. Die emotionale Dimension von Zukunft - ich nenne es "die Produktion von Zukunftseuphorie" - ist sogar noch wichtiger. Denn Zukunftseuphorie ist der soziale Treibstoff für Veränderungen - und zudem ein bewährtes Mittel, um Unterschiede zwischen gesellschaftlichen Gruppen und Kulturen auszugleichen.
Was genau erforscht ein Transformationsforscher?
Prof. Dr. Selke: Transformationsforschende analysieren erstens die vielfältigen Ursachen und Folgen von Veränderungen auf individueller, kollektiver und planetarischer Ebene, sowie zahlreiche Wechselwirkungen. Je nach fachlichem Hintergrund tragen sie zweitens dazu bei, progressive Zukunftsbilder zu entwickeln, die helfen, Menschen für Veränderungen zu motivieren. Dies bedeutet dann oftmals auch die Aufgabe liebgewonnener Privilegien.
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