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EU-Ticker Mai 2025

30.05.2025 AOK-Bundesverband 8 Min. Lesedauer

Das Europaparlament tritt demnächst in die Haushaltsberatungen ein. Der Gesundheitsausschuss will das Budget für das Programm EU4Health künftig fest in den mehrjährigen Finanzrahmen der EU einbinden. Weitere Themen sind die Bevorratung wichtiger Medikamente, das weltweite Pandemie-Abkommen und ein neuer Vertrag für Grippe-impfstoffe.

Europa-Fahne im Anschnitt, fünf goldene Steren auf tiefblauem Grund

Parlament fordert verlässlichen Gesundheitshaushalt

Der Gesundheitsausschuss des Europaparlamentes (Santé) setzt sich dafür ein, das Budget für das Gesundheitsprogramm EU4Health künftig als festen Bestandteil in den mehrjährigen Finanzrahmen der EU (MFR) einzubinden. Bisher wird das als Reaktion auf die Corona-Krise eingerichtete Gesundheitsprogramm aus dem mit 750 Milliarden Euro ausgestatteten Pandemie-Sonderbudget „Next Generation EU“ finanziert. Dieses Sonderprogramm läuft jedoch Ende 2027 aus, und noch ist nicht klar, ob die 27 EU-Staaten zu finanziellem Ersatz im nächsten MFR bereit sind. Der EU4Health-Etat umfasste ursprünglich 5,3 Milliarden Euro. Anfang 2024 hatten die Mitgliedstaaten bereits 4,4 Milliarden zugunsten der Ukraine-Unterstützung abgezogen.

Der CDU-Europaabgeordnete Oliver Schenk (EVP-Fraktion) warnte im Newsletter „G+G-Update“ vor Kürzungen im EU-Gesundheitsetat. Das sei „ein falsches Signal – gerade nach den Erfahrungen der Pandemie“. „Zwar konnten einige Mittel im parlamentarischen Verfahren gesichert werden, doch die Spielräume bleiben eng“, sagte Santé-Mitglied Schenk. Das schwäche die Fähigkeit, grenzüberschreitend auf Gesundheitskrisen zu reagieren. „Gesundheit muss daher im EU-Haushalt oberste Priorität haben – nur so lassen sich Resilienz, Chancengleichheit und nachhaltige Lösungen für alle sichern“, betonte der Gesundheitspolitiker.

Der nächste MFR von 2028 bis 2034 müsse ein flexibleres Reagieren auf „die wachsende Zahl von Krisen und Herausforderungen“ ermöglichen, heißt es in einer am 7. Mai verabschiedeten Parlamentsresolution. Damit die EU ihre zunehmenden Aufgaben bewältigen könne, müssten sich die 27 Mitgliedsländer von der „selbst auferlegten Grenze von einem Prozent des Bruttonationaleinkommens zur Finanzierung der Gemeinschaft lösen. Der MFR ist jeweils auf sieben Jahre angelegt und legt Obergrenzen für die einzelnen EU-Aufgabenbereiche fest. Zusätzlich gibt es einen jährlichen Haushaltsplan. Der laufende Finanzrahmen von 2021 bis Ende 2027 umfasst rund 1,211 Billionen Euro. Im Juli will die EU-Kommission ihren Vorschlag für den nächsten MFR vorlegen.

Kassen befürworten Pflichtvorrat für wichtige Medikamente

So langsam wird es unübersichtlich: Neben der ausstehenden Reform der gesamten EU-Arzneimittelgesetzgebung und den Vorschlägen von EU-Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung arbeitet die EU-Kommission parallel an einer Bevorratungsstrategie für „versorgungskritische Arzneimittel“. Das Vorhaben überschneidet sich mit den Várhelyi-Plänen, ist aber Teil der bereits Ende März vorgestellten Pläne zur Strategie zur Krisenvorsorge der Union. Konkretes dazu will die Kommission am 25. Juni veröffentlichen.

Die deutschen gesetzlichen Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… befürworten in diesem Zusammenhang eine Pflicht für in der EU tätige Pharmaunternehmen, Vorräte für bestimmte Fertigarzneimittel anzulegen. Das solle aber nur Medikamente betreffen, „die eine zentrale Bedeutung in der Therapie schwerwiegender Erkrankungen haben und nicht ersetzt werden können“, heißt es in der Mitte Mai veröffentlichten Stellungnahme der Europavertretung der deutschen Sozialversicherungen (DSV) in Brüssel. Vorräte für Fertigarzneimittel seien dem Vorhalten von Vorprodukten und Wirkstoffen „grundsätzlich überlegen“. So helfe etwa eine Wirkstoff-Reserve nicht, „wenn eine Produktionsstätte ausfällt oder ein Hilfsstoff oder Packmittel nicht verfügbar ist“.

Aus Sicht der DSV sind Hersteller-Vorräte wirtschaftlicher, besser im Blick zu behalten und erlauben „im Ernstfall eine schnelle und überregionale Verteilung über bestehende Versorgungsstrukturen“, so die DSV. „Eine Bevorratung durch Apotheken oder Krankenhäuser wäre deutlich aufwendiger und teurer und könnte im überregionalen Bedarfsfall nur begrenzt und verzögert abgerufen werden“, sagte DSV-Direktorin Ilka Wölfle dem Newsletter G+G-Update.

Entscheidend für die Versorgungssicherheit ist aus Sicht der DSV „eine Verbesserung der Transparenz und Datenlage zu Beständen auf allen Handelsstufen“. Deutschland sieht die Europavertretung in dieser Frage gut aufgestellt. Hierzulande gebe es „bereits Regelungen zur Bevorratung auf nahezu allen Handelsstufen, um abgestuft auf temporäre Unterbrechungen der Belieferung vorbereitet zu sein“, sagte Wölfle. Die EU müsse bei ihren Neuregelungen bestehende nationale Regelungen und Versorgungsstrukturen berücksichtigen.

Unterdessen haben sich die EU-Staaten immer noch nicht auf eine gemeinsame Position zu den seit zwei Jahren vorliegenden Vorschlägen der EU-Kommission für die Reform der EU-Arzneimittelgesetzgebung verständigt. Das Europaparlament hatte seine Position zum „Pharma-Paket“ bereits im April 2024 verabschiedet. Polen strebt eine Einigung im Ministerrat noch vor Ablauf seiner EU-Ratspräsidentschaft Ende Juni an. Die nächste offizielle Sitzung des Rates der EU-Gesundheitsminister (Epsco) findet am 19. Juni statt. Für Deutschland nimmt daran erstmals die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) teil.

WHO-Mitglieder einigen sich auf Pandemie-Abkommen

Die Weltgesundheitsversammlung WHA hat am 20. Mai in Genf das internationale Pandemieabkommen verabschiedet. Das oberste Beschlussgremium der Weltgesundheitsorganisation Die WHO ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die als Koordinationsbehörde der… WHO setzte damit einen Schlussstrich unter rund drei Jahre schwierige Verhandlungen. Nach den großen Problemen im gemeinsamen Umgang mit der Corona-Pandemie soll der Vertrag künftig für eine bessere internationale Zusammenarbeit bei Gesundheitskrisen sorgen. Das betrifft vor allem die Überwachung von Gesundheitsbedrohungen, Forschungskooperation und den gleichberechtigten und schnellen Zugang zu Impfstoffen, Therapeutika und Diagnostika.

Umstritten waren dabei vor allem der Umgang mit Arzneimittelpatenten und die Regeln für den Austausch von Impfstoffen und Medizinprodukten. Die vor allem von ärmeren Ländern angestrebten „Zwangslizenzen“ schafften es nicht ins Abkommen. Auf Bestreben der reicheren Industrieländer, darunter auch Deutschland, und der EU beinhaltet das Abkommen nun lediglich einen freiwilligen Technologietransfer. Pharmafirmen sollen ihr Wissen schnell weitergeben und nach Möglichkeit zwanzig Prozent aus ihrem Vorrat an Impfstoffen und Medikamenten für ärmere Länder zur Verfügung stellen – davon zehn Prozent als Spende.

Viele Details sind noch offen und sollen bis zur Weltgesundheitsversammlung im Mai 2026 geklärt werden. Das betrifft auch den sogenannten Vorteilsausgleich. „Hier geht es darum, dass Länder Arzneimittelhersteller mit Krankheitserreger-Proben versorgen, um umgekehrt einen Zugang zu Impfstoffen und Medikamenten zu bekommen“, erläutert die Europavertretung der Deutschen Sozialversicherungen (DSV). Problematisch sei in diesem Zusammenhang auch der Ausstieg der USA aus der WHO zum 1. Januar 2026. „Da nicht davon auszugehen ist, dass die USA den Vertrag ratifizieren, wird diese Regelung wohl auch nicht für US-amerikanische Produzenten gelten. Damit entstehen große Lücken in den Reserven der WHO“, heißt es in der DSV-Einschätzung.

WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus betonte in Genf, dass das Abkommen nicht in die nationale Souveränität der 190 Mitgliedsstaaten eingreife. Mögliche Reisebeschränkungen, Impfvorschriften oder Einschränkungen des öffentlichen Lebens bleiben damit uneingeschränkt Ländersache. Zudem gelten die Regeln des Abkommens nur in den WHO-Mitgliedstaaten, die den Vertrag jetzt ratifizieren.

Gesundheitsweise kritisieren „Geheimpreise“

Der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege Kann die häusliche Pflege nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden, besteht Anspruch auf… (SVR) spricht sich in seinem Jahresgutachten 2025 für eine stärkere EU-Zusammenarbeit im Arzneimittelbereich aus. Beim Bemühen um eine bezahlbare Arzneimittelversorgung spiele auch die Transparenz und Vergleichbarkeit der Erstattungspreise in den EU-Staaten eine wichtige Rolle, heißt es in der am 20. Mai an Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) übergebenen Expertise. Darin machen die sieben Gesundheitsweisen Vorschläge für eine Reform des deutschen Preisbildungssystems für neue, teure Arzneimittel Nach der Definition des Arzneimittelgesetzes (AMG) sind Arzneimittel insbesondere Stoffe und… .

Der SVR kritisiert in diesem Zusammenhang die im deutschen Medizinforschungsgesetz (MFG) verankerten „Geheimpreise“. Danach können die Pharmaunternehmen unter bestimmten Bedingungen mit den Krankenkassen vertrauliche Preise für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen vereinbaren. „Die Regelungen des MFG laufen langjährigen Bemühungen auf europäischer beziehungsweise internationaler Ebene entgegen, bei der Arzneimittelbepreisung mehr Transparenz für die Bürger*innen zur Nachvollziehbarkeit des Einsatzes ihrer Sozialversicherungsbeiträge zu erreichen“, heißt es im Gutachten. Der Preisvergleich und die Preisreferenzierung würden „dadurch erschwert, dass in den meisten Staaten Rabatte auf die öffentlich einsehbaren Listenpreise gewährt werden, deren Höhe geheim ist“, heißt es im Gutachten.

Der SVR empfiehlt der EU zudem, die Verhandlungsmacht der einzelnen Mitgliedsländer gegenüber weltweit agierenden Pharmaunternehmen „durch die gemeinsame Beschaffung ausgewählter Arzneimittel“ zu stärken. Die Experten begrüßen die Fortschritte bei „der effizienten Generierung und dem Austausch von Wissen“ und empfehlen den „konsequenten Ausbau der Forschungs(daten)infrastruktur auf nationaler und europäischer Ebene“ und eine stärkere zwischen nationalen und europäischen Krankheitsregistern. Der Ausbau der Zusammenarbeit und der Aufbau eines geneinsamen EU-Gesundheitsdatenraumes könne insbesondere die klinische Forschung im Bereich der Behandlung seltener Erkrankungen verbessern.

Neuer EU-Beschaffungsvertrag für Grippe-Impfstoff

Im Fall einer Grippe-Pandemie hat die EU sich den Zugriff auf rund 27,4 Millionen Impfstoff-Dosen gesichert. An der Beschaffungsvereinbarung sind nach Angaben der EU-Kommission 17 EU-Staaten beteiligt, darunter auch Deutschland. Das von der EU-Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (Hera) ausgehandelte Abkommen mit britischen Pharmaunternehmen Seqirus beinhaltet die Versorgung mit dem Impfstoff Foclivia.

Liefervoraussetzung ist laut Kommission, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO oder die EU offiziell eine Grippe-Pandemie feststellen. Dies sei dann der Fall, „wenn sich ein neuer Typ (Stamm) des Grippevirus leicht von Mensch zu Mensch ausbreiten kann, weil die Menschen keine Immunität dagegen haben“, erläuterte die EU-Kommissarin für Krisenvorsorge und Krisenmanagement, Hadja Lahbib. Voraussetzung für eine Pandemie ist laut WHO-Definition die sehr seltene weltweite Ausbreitung eines Virus. Die saisonale Influenza erfüllt diese Kriterien nicht.

Der EU-Rahmenvertrag gilt laut Kommission für einen Zeitraum von 48 Monaten und kann zweimal um jeweils zwölf Monate verlängert werden. Bereits 2019 hatte die EU einen Beschaffungsvertrag mit Seqirus geschlossen. Bei einem Nachfolgevertrag 2022 war das britische Pharmaunternehmen GSK zum Zuge gekommen.