Reform

Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG)

In Kraft getreten: 01.01.2017 5 Min. Lesedauer

Ziel des Gesetzes ist die Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen. Insbesondere sollen die sektorenübergreifende Behandlung in der psychiatrischen Versorgung gefördert sowie die Transparenz und die Leistungsorientierung der Vergütung verbessert werden.

Auswirkungen auf Versicherte

  • Eine freiwillige Mitgliedschaft zur gesetzlichen Krankenversicherung endet künftig auch ohne Austrittserklärung nach sechs Monaten, wenn das Kassenmitglied unbekannt verzogen ist und keine Beiträge mehr zahlt (bisher: Weiterversicherung zum Höchstbetrag mit entsprechender Anhäufung von Beitragsschulden).

Auswirkungen auf Ärzte/ambulante Pflege

  • Die Behandlung in einer psychosomatischen Ambulanz kann nur auf Überweisung erfolgen. Diese darf nicht mehr allein von Fachärzten für psychosomatische Medizin und Psychiatrie ausgestellt werden, sondern auch von Ärzten mit einer äquivalenten Weiterbildung, beispielsweise Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie oder Ärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie.
  • Für die ambulante Soziotherapie wird eine Schiedsregelung eingeführt. Können sich ein Leistungserbringer und die regionalen Kostenträger nicht auf Vertragsinhalte einigen, wird der Vertragsinhalt von einer Schiedsperson erstellt, den die Vertragspartner gemeinsam benennen. Ambulante Soziotherapie ist eine Leistung für Versicherte, die aufgrund einer psychischen Erkrankung ärztlich verordnete Leistungen nicht selbstständig in Anspruch nehmen können.
  • Ambulante Leistungserbringer, die im Rahmen von Modellvorhaben Patienten mit einer pädophilen Sexualstörung eine freiwillige Therapie anbieten, erhalten eine gezielte Förderung. Der GKV-Spitzenverband finanziert solche Modellvorhaben ab 2017 mit fünf Millionen Euro jährlich und evaluiert die Projekte im Rahmen einer wissenschaftlichen Begleitung.

Auswirkungen auf Krankenhäuser/stationäre Pflege

  • Ab 1. Januar 2018 gilt in der Psychiatrie und Psychosomatik ein neues Entgeltsystem. Kliniken verhandeln mit den Kassen auf Ortsebene ihr individuelles Budget. Die bislang im Psych-Entgeltgesetz von 2012 vorgesehene Angleichung der krankenhausindividuellen Preise an ein landeseinheitliches Preisniveau (Konvergenz) entfällt.
  • Psychiatrische und psychosomatische stationäre Einrichtungen können auf freiwilliger Grundlage bereits seit 2013 Anwendungserfahrungen mit dem neuen Entgeltsystem machen. Die Optionsphase wurde um ein Jahr bis einschließlich 2017 verlängert. Ab 2018 ist das neue Entgeltsystem verpflichtend, zunächst noch bis einschließlich 2019 budgetneutral.
  • Regionale und strukturelle Besonderheiten können bei individuellen Budgetverhandlungen durch tages-, fall- oder zeitraumbezogene Entgelte oder krankenhausindividuelle Zuschläge berücksichtigt werden. Besonderheiten bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen müssen künftig besser berücksichtigt werden.
  • Die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der GKV-Spitzenverband und der Verband der privaten Krankenversicherung werden verpflichtet, bis zum 1. Januar 2019 einen nach Fachgebieten ausdifferenzierten, leistungsbezogenen Krankenhausvergleich zu entwickeln. So erhalten die Vertragspartner für ihre Budgetverhandlungen ab 2020 eine belastbare Orientierung über bislang vorhandene Preisunterschiede zwischen den Kliniken, bereinigt um strukturelle oder regionale Besonderheiten.
  • Psychiatrische Krankenhäuser mit einer selbstständigen psychosomatischen Abteilung können künftig Patienten Behandlungsleistungen in einer psychosomatischen Ambulanz anbieten (bisher: nur Allgemeinkrankenhäuser mit psychosomatischer Abteilung und psychosomatische Kliniken).
  • Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) erhält den Auftrag, unter Mithilfe der medizinischen Fachgesellschaften bis 30. September 2019 verbindliche Mindestpersonalvorgaben festzulegen, die zu einer besseren Versorgung in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken beitragen sollen (bislang gab es mit der Psychiatrie-Personalverordnung nur unverbindliche Empfehlungen zur Personalausstattung).
  • Entstehende Mehrkosten durch Mindestpersonalvorgaben des GBA sind krankenhausindividuell bei der Verhandlung des Budgets zu berücksichtigen.
  • Die GBA-Mindestpersonalvorgaben gelten für alle stationären Einrichtungen ab dem 1. Januar 2020. Erfüllt eine Einrichtung ab 2020 die Personalvorgaben dauerhaft nicht, müssen die Vertragsparteien individuell verhandeln, inwieweit das Budget abzusenken ist. Kosten für nachträgliche Personalneueinstellungen sind bei den Budgetverhandlungen des nächsten Verhandlungszeitraumes wieder zu berücksichtigen.
  • Bis Ende 2019 gelten übergangsweise weiterhin die Vorgaben der Psychatrie-Personalverordnung. Bereits ab 2017 müssen alle stationären Einrichtungen den Kostenträgern jährlich einen Personalnachweis für das Vorjahr erbringen. Zeigt sich dabei krankenhausindividuell eine Unterschreitung der Vorgaben, ist eine Nachbesetzung der fehlenden Stellen von den Kassen in voller Höhe zu finanzieren. Eine Unterschreitung der Psych-PV-Vorgaben führt in dieser Phase nicht zu einer Absenkung des künftigen Budgets, sofern die für das Personal vereinbarten Mittel nicht zweckentfremdet wurden.
  • Die Einzelheiten zur konkreten Ausgestaltung des Personalnachweises in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken haben die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der GKV-Spitzenverband bis zum 31. März 2017 zu vereinbaren.
  • Deutsche Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband müssen ab März 2017 einmal jährlich den Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) überarbeiten. Sie benennen dabei Prozeduren, die zu streichen sind, weil sie für das Vergütungssystem nicht erforderlich sind, und schlagen gegebenenfalls neue Prozeduren vor, die besser geeignet sind.
  • Um die sektorenübergreifende Versorgung zu stärken, wird eine psychiatrische Akut-Behandlung im häuslichen Umfeld als neue Krankenhausleistung eingeführt. Diese ist der vollstationären Behandlung in jeder Hinsicht gleichgestellt und darf nur von stationären Einrichtungen angeboten werden. Die sogenannte ?stationsäquivalente psychiatrische Behandlung? ermöglicht es psychiatrischen Krankenhäusern, aber auch Allgemeinkliniken mit selbstständiger psychiatrischer Fachabteilung, Patienten im häuslichen Umfeld zu behandeln.
  • Einrichtungen, die eine stationsäquivalente psychiatrische Behandlung anbieten wollen, müssen dafür mobile, multiprofessionell besetzte Behandlungsteams erstellen beziehungsweise koordinieren. Dafür können sie auch ambulante Leistungserbringer oder andere Krankenhäuser mit Teilen der Behandlung beauftragen. Bei Vorliegen einer stationären Behandlungsbedürftigkeit (Krankenhauseinweisung ist Pflicht) entscheidet die Klinik unter Berücksichtigung der Patientenbelange, ob die neue Behandlungsform infrage kommt. Teilnehmende Kliniken müssen eine 24-stündige Rufbereitschaft gewährleisten und sicherstellen, dass Patienten jederzeit aufgenommen werden können.
  • Die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der GKV-Spitzenverband und der Verband der privaten Krankenversicherung erhalten den Auftrag, bis Ende Februar 2017 eine Leistungsbeschreibung der stationsäquivalenten psychiatrische Behandlung zu formulieren. Diese dient als Basis für die Verschlüsselung der Leistung im Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS). Die Vergütung der Leistung verläuft ab 2018 zunächst krankenhausindividuell; sobald valide Daten vorliegen, werden auf Bundesebene kalkulierte Entgelte festgelegt.
  • Die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der GKV-Spitzenverband und der Verband der privaten Krankenversicherung erhalten den Auftrag, bis zum 30. Juni 2017 die Anforderungen an Qualität und Dokumentation der stationsäquivalenten psychiatrischen Behandlung zu erstellen.
  • Die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der GKV-Spitzenverband und der Verband der privaten Krankenversicherung erhalten den Auftrag, bis Ende 2021 dem Bundesgesundheitsministerium über die Auswirkungen der stationsäquivalenten psychiatrischen Behandlung auf die Versorgung der Patienten und die sich daraus ergebenden finanziellen Folgen zu berichten.
  • Der Fixkostendegressionsabschlag auf Landesebene wird für 2017 und 2018 auf 35 Prozent festgelegt. Die Obergrenze für einen erhöhten Abschlag auf der Ortsebene wird für 2017 und 2018 auf 50 Prozent festgelegt.
  • Bei der Berechnung des Pflegezuschlags wird künftig ausgabenneutral auch Pflegepersonal berücksichtigt, das ohne direktes Beschäftigungsverhältnis in einem Krankenhaus tätig ist.
  • Die Frist für den Gemeinsamen Bundesausschuss zur Vorlage eines gestuften Systems von stationären Notfallstrukturen wird um ein Jahr bis Ende 2017 verlängert.
  • Deutsche Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband müssen bis 30. Juni 2017 eine verbindliche bundeseinheitliche Definition des Krankenhausstandortes sowie Einzelheiten für ein von ihnen zu führendes Krankenhausverzeichnis vereinbaren.

Auswirkungen auf Krankenkassen

  • Der Aktienanteil an Anlagen, mit denen die gesetzlichen Krankenkassen ihre betriebsinternen Altersrückstellungen absichern, wird von zehn auf 20 Prozent erhöht.

Auswirkungen auf Finanzierung

  • Nach Angaben der Bundesregierung entstehen der gesetzlichen Krankenversicherung 2017 durch das Gesetz Mehrkosten von rund 36 Millionen Euro. Ab 2018 belaufen sie sich auf jährlich 60 Millionen Euro.
  • Rückwirkend zum 1. August 2014 wird festgelegt, dass Änderungen bei den Zuweisungen für Krankengeld und Auslandsversicherte aus dem Risikostrukturausgleich (RSA) durch das GKV-Finanzierungs- und Qualitätsweiterentwicklungsgesetz (GKV-FQWG) bereits ab dem RSA-Jahresausgleich für das Jahr 2013 zu berücksichtigen waren.
  • Die Einnahmen des Gesundheitsfonds werden 2017 durch die Entnahme von 1,5 Milliarden Euro aus der Liquiditätsreserve erhöht, um vorübergehende Mehrbelastungen in der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren.

Beitragssatz

14,6 % (+ evtl. Zusatzbeitrag Seit 2009 erhalten die gesetzlichen Krankenkassen zur Deckung ihrer Ausgaben Zuweisungen aus dem… )