Reform

Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG)

In Kraft getreten: 01.01.2019 7 Min. Lesedauer

Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) will die Bundesregierung erste Schritte bei der Behebung des Fachkräftemangels in der Kranken- und Altenpflege einleiten. Kern des Programm sind 13.000 neue Stellen in der Altenpflege.

Auswirkungen auf Versicherte

  • Pflegende Angehörige erhalten einen eigenständigen Anspruch auf stationäre Leistungen zur Rehabilitation, auch wenn vom medizinischen Standpunkt her eine ambulante Versorgung ausreichend wäre.
  • Für pflegende Angehörige, die eine stationäre Rehamaßnahme beantragen, muss die Krankenkasse auf Wunsch auch die Kosten für die Mitaufnahme und Versorgung des Pflegebedürftigen in derselben Reha-Einrichtung übernehmen. Soll der Pflegebedürftige in einer anderen Einrichtung aufgenommen werden, ist die Krankenkasse verpflichtet, mit der Pflegekasse die Versorgung des Pflegebedürftigen für den Zeitraum der Rehamaßnahme zu koordinieren.
  • Benötigt ein Patient aus medizinischen Gründen bei einer stationären Krankenhausbehandlung eine Begleitung, muss seine Krankenkasse die Kosten auch für eine Unterbringung außerhalb des Krankenhauses zu übernehmen, wenn die stationäre Mitaufnahme nicht möglich ist. Die Kosten hierfür dürfen nicht die Kosten der stationären Mitaufnahme übersteigen.
  • Pflege-Selbsthilfegruppen bekommen mehr Fördermittel. Zur Förderung neuer und zum Ausbau bestehender lokaler Gruppen sowie entsprechender Organisationen auf Bundesebene stellt die Pflegeversicherung jährlich 15 Cent pro Versichertem bereit (bisher: zehn Cent pro Versichertem). Das entspricht rund zwölf Millionen Euro jährlich (bisher: acht Millionen).
  • Für Pflegebedürftige ab Pflegegrad 3 und Menschen mit Behinderungen wird das Verfahren zur Kostenübernahme von Taxifahrten zu einer ambulanten Behandlung vereinfacht. Sie gelten künftig mit der ärztlichen Verordnung als genehmigt.

Auswirkungen auf Ärzte/ambulante Pflege

  • Wegezeiten in der ambulanten Alten- und Krankenpflege im ländlichen Raum sollen besser honoriert werden. GKV-Spitzenverband und die Spitzenorganisationen der Pflege müssen bis zum 30. Juni 2019 einen unbürokratisch zu gewährenden Wegekostenzuschlag festlegen, der den zusätzlichen Aufwand angemessen abbildet.
  • Tariflöhne in der häuslichen Krankenpflege dürfen von den Krankenkassen nicht mehr als unwirtschaftlich abgelehnt werden.
  • Ambulante Pflegeeinrichtungen können zur Gewinnung von zusätzlichem Pflegepersonal mit der Personalvertretung Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf beschließen (Förderzeitraum: 2019 bis 2024). Dafür werden aus Mitteln des Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung jährlich bis zu 100 Millionen Euro bereitgestellt. Gefördert werden hier bis zu 50 Prozent der Kosten, maximal 7.500 Euro jährlich je Pflegeeinrichtung.
  • Von 2019 bis 2021 fördert die Pflegeversicherung in ambulanten Pflegeeinrichtungen Maßnahmen zur Digitalisierung, mit denen sich die Arbeit der Pflegekräfte vereinfachen lässt. Dies betrifft etwa die Pflegedokumentation, Leistungsabrechnung oder die Dienst- und Tourenplanung. Die Pflegekassen finanzieren 40 Prozent der Kosten, maximal 12.000 Euro pro Maßnahme.

Auswirkungen auf Krankenhäuser/stationäre Pflege

  • Das mit dem Krankenhausstrukturgesetz 2016 für drei Jahre eingeführte Pflegestellen-Förderprogramm wird verlängert und ausgebaut. Für die zusätzlichen Mittel gilt keine Budgetobergrenze (bisher: 0,15 Prozent des Krankenhausbudgets). Jede zusätzliche Vollzeit- und aufgestockte Teilzeit-Pflegestelle in der direkten Patientenversorgung in einem Krankenhaus wird ab 1. Januar 2019 von den Krankenkassen vollständig refinanziert (bisher: zehn Prozent Eigenanteil der Krankenhäuser). Die zusätzlichen Mittel sind zweckgebunden zu verwenden, die Kliniken müssen hierüber einen Nachweis erbringen. Nicht für zusätzliches Pflegepersonal verwendete Mittel sind zurückzuzahlen.
  • Die Mittel des noch laufenden Pflegestellen-Förderprogramms verbleiben in voller Höhe den einzelnen Krankenhäusern. Auf die bislang vorgesehene Mittelüberführung in den Pflegezuschlag zum Jahr 2019 wird verzichtet.
  • Aus dem Pflegezuschlag werden ab 2020 rund 200 Millionen Euro in die Landesbasisfallwerte überführt, um in den Kliniken auch andere Personalkosten als die Pflegepersonalkosten abzudecken.
  • Für bedarfsnotwendige kleine Krankenhäuser in ländlichen Gebieten werden aus dem Pflegezuschlag ab 2020 insgesamt rund 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um die Versorgung im ländlichen Raum zu verbessern.
  • Die Krankenhausvergütung wird ab 2020 aufgesplittet in eine Kombination aus Fallpauschalen (DRG) und Pflegepersonalkostenvergütung. Die bisherigen DRG-Berechnungen werden also künftig um die Pflegepersonalkosten bereinigt.
  • Aufwendungen für den krankenhausindividuellen Pflegepersonalbedarf in der unmittelbaren Patientenversorgung werden künftig über ein neu einzuführendes Pflegebudget finanziert. Kliniken und Krankenkassen vereinbaren ab 2020 auf lokaler Ebene das Pflegebudget auf Basis der von den Krankenhäusern geplanten und nachgewiesenen Pflegepersonalausstattung und der krankenhausindividuellen Kosten.
  • Im Rahmen des Pflegebudgets werden in Kliniken auch Maßnahmen finanziert, die zu einer Entlastung des Pflegepersonals in der Patientenversorgung führen (etwa Essensausgabe oder Wäschedienst vom Pflegepersonal auf andere Personalgruppen übertragen). Die durch diese Maßnahmen eingesparten Pflegepersonalkosten werden mit bis zu drei Prozent des Budgets erhöhend im Pflegebudget berücksichtigt.
  • Um finanzielle Einbußen der Krankenhäuser bei der Umstellung auf das Pflegebudget abzufedern, werden mögliche Budgetverluste für die Krankenhäuser im Jahr 2020 auf zwei Prozent und im Jahr 2021 auf vier Prozent begrenzt.
  • Ab 2020 soll für jedes Krankenhaus das Verhältnis zwischen der Zahl der Pflegekräfte und dem anfallenden Pflegeaufwand errechnet und veröffentlicht werden. Unterschreitet ein Krankenhaus die Pflegepersonaluntergrenze, drohen Honorarkürzungen oder eine Verringerung der Fallzahl.
  • Ab 1. Januar 2019 werden Ausbildungsvergütungen von Auszubildenden in der Kinderkrankenpflege, der Krankenpflege sowie in der Krankenpflegehilfe im ersten Ausbildungsjahr vollständig von den Krankenkassen refinanziert, ab dem zweiten Jahr bleibt es bei der anteiligen Finanzierung (bislang: anteilige Finanzierung während der gesamten Ausbildungsdauer). Für den Anstieg der Ausbildungsbudgets gilt keine Obergrenze.
  • Krankenhäuser können zur Gewinnung von zusätzlichem Pflegepersonal mit der Personalvertretung Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf vereinbaren (Förderzeitraum: 2019 bis 2024). Für die beantragenden Kliniken übernehmen die Krankenkassen im Rahmen einer individuellen Budgeterhöhung um maximal 0,12 Prozent die Hälfte der erforderlichen Aufwendungen.
  • Die Höhe des Fixkostendegressionsabschlags wird zur Vereinheitlichung der Mengensteuerung gesetzlich auf 35 Prozent festgeschrieben. Damit sollen aufwendige Verhandlungen auf der Landes- und Ortsebene vermieden und unnötige Bürokratie abgebaut werden.
  • Krankenhausgesellschaft und Krankenkassen müssen gemeinsam bis 31. August 2019 die bestehenden Pflegepersonaluntergrenzen für bereits definierte pflegesensitive Bereiche in den Kliniken weiterentwickeln und für die hinzukommenden Bereiche Neurologie und Herzchirurgie erstmals Pflegepersonaluntergrenzen festzulegen. Zudem haben sie bis zum 1. Januar 2020 weitere pflegesensitive Bereiche festzulegen, für die dann ab 2021 Pflegepersonaluntergrenzen gelten. Sanktionen für die Nichteinhaltung der Grenzen werden von der Selbstverwaltung für das Budgetjahr 2020 festgelegt.
  • Der mit dem Krankenhaus-Strukturgesetz (KHSG) 2015 eingeführte Krankenhaus-Strukturfonds wird ab 2019 für vier Jahre fortgesetzt. Die Finanzierung von bis zu einer Milliarde Euro jährlich erfolgt wie bisher aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds (500 Millionen jährlich) und aus Mitteln der Länder. Der Anteil der Ländermittel an den Projekten muss mindestens 25 Prozent betragen (bisher: 50 Prozent). Fünf Prozent der Mittel sind für länderübergreifende Projekte vorgesehen.
  • Ziel des Krankenhaus-Strukturfonds ist vor allem der Abbau von stationären Überkapazitäten, die Konzentration von stationären Versorgungsangeboten mit besonderer medizinischer Kompetenz für seltene oder schwerwiegende Erkrankungen, der Aufbau zentralisierter Notfallstrukturen sowie die Umwandlung von Krankenhäusern in nicht akutstationäre örtliche Versorgungseinrichtungen wie etwa Gesundheitszentren. Auch palliative Versorgungsstrukturen (Hospize) sollen über den Fonds gefördert werden. Daneben können mit den Mitteln des Krankenhaus-Strukturfonds auch telemedizinische Netzwerke sowie Vorhaben zur Verbesserung der IT-Sicherheit von Krankenhäusern und zur Schaffung von Ausbildungskapazitäten für Pflegeberufe gefördert werden.
  • Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) wird verpflichtet, bis Ende 2019 konkrete Definitionen zur Finanzierung von Zentren und Schwerpunktkliniken zu treffen. Kassen und Krankenhausgesellschaft konnten darüber in der Vergangenheit keine Einigung erzielen.
  • Vollstationäre Altenpflegeeinrichtungen (inkl. Kurzzeitpflege) erhalten im Rahmen eines Sofortprogrammes auf Antrag einen Vergütungszuschlag für zusätzliche Pflegefachkräfte. Einrichtungen bis zu 40 Bewohnern erhalten Mittel für eine halbe, mit 41 bis 80 Bewohnern für eine volle Pflegestelle. Einrichtungen mit 81 bis 120 Bewohnern bekommen eineinhalb und mit mehr als 120 Bewohnern zwei Pflegestellen zusätzlich finanziert. Es muss sich dabei um Pflegepersonal handeln, das über das von der Pflegeeinrichtung nach der bestehenden Pflegesatzvereinbarung vorzuhaltende Personal hinausgeht. Gelingt es einer Einrichtung nicht, die Stellen mit Pflegefachkräften zu besetzen, kann nach vier Monaten ausnahmsweise auch auf eine Pflegehilfskraft, die sich zur Pflegefachkraft ausbilden lässt, zurückgegriffen werden. Eine finanzielle Belastung der Pflegebedürftigen in den Pflegeeinrichtungen ist mit dem Sofortprogramm nicht verbunden.
  • Ein 2016 mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz beschlossenes und mittlerweile von der Selbstverwaltung entwickeltes neues System der Qualitätsprüfung und -darstellung in der vollstationären Pflege wird zum 1. Oktober 2019 verpflichtend eingeführt.
  • Pflegeeinrichtungen werden verpflichtet, Kooperationsverträge mit geeigneten vertrags(zahn)ärztlichen Leistungserbringern zu schließen (bisher: Soll-Regelung). Sie haben eine verantwortliche Pflegefachkraft für die Kooperation mit Ärzten und Zahnärzten zu benennen.
  • Kassen(zahn)ärztliche Vereinigungen werden verpflichtet, bei Vorliegen eines Antrags einer stationären Pflegeeinrichtung zur Vermittlung eines ärztlichen oder zahnärztlichen Kooperationsvertrages einen entsprechenden Vertrag innerhalb einer Frist von drei Monaten zu vermitteln.
  • Die Evaluation zahnärztlicher Kooperationsverträge ist künftig verpflichtend (bisher: nur ärztliche Kooperationsverträge mussten evaluiert werden).
  • Darüber hinaus werden für eine bessere Zusammenarbeit von niedergelassenen (Zahn-)Ärzten und Pflegeheimen Sprechstunden und Fallkonferenzen per Video als telemedizinische Leistung umfangreich ermöglicht.
  • Stationäre Pflegeeinrichtungen können zur Gewinnung von zusätzlichem Pflegepersonal mit der Personalvertretung Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf beschließen. (Förderzeitraum: 2019 bis 2024). Gefördert werden bis zu 50 Prozent der Kosten, maximal 7.500 Euro jährlich je Pflegeeinrichtung.
  • Von 2019 bis 2021 fördert die Pflegeversicherung in stationären Pflegeeinrichtungen Maßnahmen zur Digitalisierung, mit denen sich die Arbeit der Pflegekräfte vereinfachen lässt. Die Pflegekassen finanzieren 40 Prozent der Kosten, maximal 12.000 Euro pro Maßnahme.

Auswirkungen auf Krankenkassen

  • Die Krankenkassen werden verpflichtet, die Kosten für die Unterbringung einer Begleitperson zu übernehmen, wenn der Patient bei stationärer Behandlung auf Begleitung angewiesen ist. Ist eine stationäre Mitaufnahme nicht möglich, hat die Krankenkasse die Kosten auch für eine Unterbringung außerhalb des Krankenhauses zu übernehmen.
  • Die Krankenkassen werden verpflichtet, Kliniken auf Anfrage mitzuteilen, inwieweit ein bei ihnen versicherter Patient pflegebedürftig ist. Hintergrund ist die bereits seit 2018 bestehende Möglichkeit, für den erhöhten Pflegeaufwand bei pflegebedürftigen Patienten eine zusätzliche Vergütung von den Kostenträgern zu erhalten.
  • Der GKV-Spitzenverband, der Verband der Privaten Krankenversicherung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft haben bis zum 31. Januar 2019 eine bundeseinheitliche Definition der auszugliedernden Pflegepersonalkosten zu vereinbaren. Sie müssen dem Bundesgesundheitsministerium zum 31. August 2021 einen Zwischenbericht und zum 31. August 2025 einen abschließenden Bericht über die Auswirkungen des neuen Pflegebudgets vorlegen.
  • Rückwirkend ab dem 1. Januar 2018 finanzieren die Krankenkassen auch künftige Tarifsteigerungen für die Pflegekräfte in Krankenhäusern vollständig (bislang: hälftige Refinanzierung der Tarifsteigerungen). Die zusätzlichen Finanzmittel dürfen nicht zweckentfremdet verwendet werden, die Kliniken müssen entsprechende Nachweise erbringen.
  • Die Krankenkassen müssen den Mindestausgabewert für Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen auf 3,15 je Versicherten erhöhen (bisher: 2,15 Euro je Versicherten).
  • Die Verjährungsfristen für Erstattungsansprüche der Krankenkassen gegenüber den Kliniken bei fehlerhaften Krankenhausabrechnungen werden auf zwei Jahre verkürzt (bislang: vier Jahre). Kliniken können ihre Ansprüche gegenüber Kassen weiterhin rückwirkend für vier Jahre geltend machen.

Auswirkungen auf Finanzierung

  • Auf die Krankenkassen kommen durch das Gesetz in den nächsten vier Jahren Mehrausgaben von rund 8,3 Milliarden Euro zu.
  • Die Pflegeversicherung wird bis 2022 mit rund 900 Millionen Euro belastet. Davon sind 640 Millionen Euro für die rund 13.000 neuen Pflegestellen in Pflegeheimen vorgesehen. Die private Pflegeversicherung beteiligt sich hieran anteilig mit pauschal 44 Millionen Euro im Jahr.

Beitragssatz

14,6 % (+ evtl. Zusatzbeitrag Seit 2009 erhalten die gesetzlichen Krankenkassen zur Deckung ihrer Ausgaben Zuweisungen aus dem… )