Reform

Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG)

In Kraft getreten: 11.04.2017 4 Min. Lesedauer

Mit dem Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) wird das System der Preisfindung im Heilmittelbereich weiter flexibilisiert. Ziel ist, zu gewährleisten, dass die vereinbarten Vergütungen die Anforderungen an die Leistungserbringer angemessen abbilden und die vorhandenen Versorgungsstrukturen gesichert und weiterentwickelt werden.

Auswirkungen auf Versicherte

  • Selbstständige bekommen künftig Krankengeld und Mutterschaftsgeld beitragsfrei ausgezahlt (bisher: Beitragsfreiheit erstreckte sich nur auf das Arbeitseinkommen, nicht auf andere erzielte Einnahmearten, zum Beispiel Miet- und Pachteinnahmen).

Auswirkungen auf Ärzte/ambulante Pflege

  • Leistungserbringer der Hilfsmittelversorgung bekommen eine Beratungspflicht. Sie müssen die Versicherten informieren, welche zuzahlungsfreien Hilfsmittel und Sachleistungen für sie geeignet sind und wie hoch die Mehrkosten sind, wenn sie sich für eine höherwertige Versorgung entscheiden. Dabei ist die Beratung schriftlich zu dokumentieren und durch den Versicherten zu bestätigen. Die Leistungserbringer müssen die mit den Versicherten vereinbarten Mehrkosten im Rahmen der Abrechnung mit den Krankenkassen angeben und den Dokumentationsbogen vorlegen. Die Vertragspartner können Ausnahmen festlegen, bei denen auf die schriftliche Dokumentation verzichtet werden kann.
  • Zur Stärkung der Heilmittelversorgung soll die Vergütung von Physio- und Ergotherapeuten, Podologen und Logopäden nicht mehr an die Entwicklung der Veränderungsrate (Summe der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung) gekoppelt werden. Diese Regel gilt zunächst befristet von 2017 bis 2019.
  • Kommt es bei Vergütungsverhandlungen zu keiner Einigung zwischen Krankenkassen und Heilmittelerbringer-Verbänden, muss das dann anstehende Schiedsverfahren innerhalb von drei Monaten beendet werden (bisher: keine Frist). Die Vertragspartner können sich wie bisher auf eine unabhängige Schiedsperson für das jeweilige Schiedsverfahren einigen oder künftig die gemeinsam gewählte Schiedsperson für einen Zeitraum von vier Jahren festlegen. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine gemeinsame Schiedsperson, bestimmt die zuständige Aufsichtsbehörde innerhalb eines Monats eine Schiedsperson. Widersprüche und Klagen dagegen haben keine aufschiebende Wirkung.
  • Damit steigende Vergütungen in der Heilmittelversorgung auch den angestellten Therapeuten zugutekommen, sollen bei künftigen Vergütungsverhandlungen zwischen Krankenkassen und Verbänden der Heilmittelerbringer tatsächlich gezahlte Tariflöhne entsprechend besser berücksichtigt werden.
  • Im Rahmen von zwei Modellvorhaben wird zurzeit die sogenannte Blankoverordnung erprobt, bei der Heilmittelerbringer unter bestimmten Bedingungen Auswahl, Dauer und Frequenz der Therapie selbst festlegen dürfen. Um zu entscheiden, ob diese Versorgungsform für die Regelversorgung geeignet ist, werden nun alle Krankenkassen verpflichtet, in jedem Bundesland Modellvorhaben durchzuführen. Dabei sind auch länderübergreifende Projekte sind möglich. Grundlage der Blankoverordnung in den Modellprojekten bleibt weiterhin die Verordnung eines Arztes. Die Modellvorhaben zur Blankoverordnung sind auf maximal drei Jahre befristet und müssen wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden.
  • Vergabe und Dokumentation von bestimmten Diagnosen gegen Entgelt stellen ein vertragsärztliches Fehlverhalten dar. Sektorenübergreifende Verträge zur besonderen Versorgung sowie Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung dürfen daher keinerlei Vertragsabsprachen beinhalten, deren Ziel es ist, dass die Ärzte gegen eine zusätzliche Vergütung ihre Diagnosen dahingehend optimieren, dass die Kasse höhere Mittelzuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erhält. Analog dazu sind auch Betreuungsstrukturverträge illegal, wenn ihr wesentlicher Zweck die Bezahlung bestimmter Diagnosen ist. Bestehende Verträge sind entsprechend zu korrigieren oder nötigenfalls zu beenden.
  • Die vom Arzt an die zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KV) übermittelte Diagnose darf nur in berechtigten Ausnahmefällen, beispielsweise bei technischen Übermittlungsfehlern, nachträglich korrigiert werden. Auch eine nachträgliche Ergänzung von Diagnosedaten ist nicht zulässig. Die KV hat die erhaltenen Daten unverändert an die Krankenkasse zu übermitteln.
  • Krankenkassen dürfen Vertragsärzte und Psychotherapeuten nur in den gesetzlich geregelten Fällen, etwa zu Fragen der Wirtschaftlichkeit, beraten. Das ärztliche Kodieren von Diagnosen darf durch die Kasse nicht beeinflusst werden, auch nicht über eine Praxissoftware.
  • Die Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden, die im Rahmen der häuslichen Krankenpflege geregelt ist, können neben ambulanten Pflegediensten künftig auch Einrichtungen wie etwa Wundzentren übernehmen, die auf die Versorgung solcher Wunden spezialisiert sind.
  • Der GKV-Spitzenverband und die Verbände der Pflegedienste erhalten den Auftrag, gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche Versorgung mit häuslicher Krankenpflege abzugeben. Ziel dieser Empfehlungen ist es, eine einheitliche und flächendeckende spezialisierte Wundversorgung, beispielsweise auch in Wundzentren, sicherzustellen.
  • Die bundesweit rund 30 Präqualifizierungsstellen haben die Aufgabe, Apotheken, Sanitätshäuser, orthopädietechnische Betriebe und andere Anbieter von Hilfsmitteln die Eignung als Vertragspartner der gesetzlichen Krankenversicherung zu bescheinigen. Künftig müssen sich alle Präqualifizierungsstellen im Fünfjahresrhythmus einem Akkreditierungsverfahren unterziehen. Akkreditierung und Überwachung der Präqualifizierungsstellen erfolgen künftig durch die Deutsche Akkreditierungsstelle (DakkS). Das Bundesministerium für Gesundheit erhält die Fachaufsicht über die DakkS.
  • Ärzte, die entweder eine eigene Praxis haben oder als Angestellte mindestens 15 Wochenstunden arbeiten, können für eine zusätzliche notärztliche Tätigkeit im Rettungsdienst von den Beiträgen zur Sozialversicherung für diese Tätigkeit befreit werden.

Auswirkungen auf Krankenhäuser/stationäre Pflege

  • Der Grundsatz „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ wird für Hochschulambulanzen bei der Anwendung von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden umgekehrt in „Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt“. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die der Gemeinsame Bundesausschuss nicht abschließend bewertet hat, dürfen in Hochschulambulanzen also künftig angewandt werden, wenn sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert sind.

Auswirkungen auf Krankenkassen

  • Kassen werden verpflichtet, Versicherte mit Anspruch auf Leistungen der Künstlersozialkasse bei zweimonatigem Beitragsrückstand zu informieren, dass sie im Fall einer Hilfebedürftigkeit die Übernahme der Beiträge beim Sozialleistungsträger beantragen können.

Auswirkungen auf Finanzierung

  • Durch die Maßnahmen zur verbesserten Heil- und Hilfsmittelversorgung entsteht der gesetzlichen Krankenversicherung voraussichtlich eine jährliche Mehrbelastung im unteren bis mittleren dreistelligen Millionenbereich.
  • Die Regelung zur Refinanzierung des finanziellen Aufwandes der Patientenbeteiligung führt zu einer Mehrbelastung von schätzungsweise insgesamt 50 000 Euro pro Jahr.

Beitragssatz

14,6 % (+ evtl. Zusatzbeitrag Seit 2009 erhalten die gesetzlichen Krankenkassen zur Deckung ihrer Ausgaben Zuweisungen aus dem… )