Public Health Index

Tabak, Alkohol, ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel: Der Public Health Index (PHI) zeigt erstmals, wie europäische Länder gegen die größten Risikofaktoren vorgehen. Die Ergebnisse zeigen, wo Deutschland im europäischen Vergleich bei Gesundheitsschutz steht und wo es besser werden kann.

Der Public Health Index (PHI) misst erstmals, wie europäische Länder wissenschaftlich empfohlene Maßnahmen zur Förderung gesunder Lebensweisen umsetzen. Im Mittelpunkt stehen die Handlungsfelder Tabak, Alkohol, Ernährung und Bewegung. Das sind die zentralen Risikofaktoren für chronische Erkrankungen wie Krebs, Typ-2-Diabetes oder Herz-Kreislauf-Leiden. Der Index vergleicht dafür die Präventionspolitiken von 18 Ländern aus Zentral- und Nordeuropa. Der PHI zeigt nicht nur, wo Deutschland im europäischen Vergleich Stärken und Schwächen hat. Er macht auch sichtbar, welche internationalen Best-Practice-Ansätze der Politik hierzulande Orientierung bieten können. Entwickelt wurde der Index vom AOK-Bundesverband und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) gemeinsam mit einem interdisziplinären Forschungsteam.

Public Health Index 2025

Gesundheitsschutz im europäischen Vergleich

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Deutschlands Präventionspolitik hinkt im europäischen Vergleich hinterher

Im Public Health Index schneidet Deutschland deutlich unterdurchschnittlich ab. In drei von vier Bereichen – Tabak, Alkohol und Ernährung – landet die Bundesrepublik auf den hinteren Rängen, nur im Feld Bewegung reicht es für das untere Mittelfeld. Auffällig ist, dass Deutschland bei strukturellen Maßnahmen des Kinder- und Jugendschutzes wie Werbebeschränkungen oder Ausweitung rauchfreier Zonen sowie bei der gesundheitsorientierten Besteuerung wenig ambitioniert ist. Diese Zurückhaltung wiegt schwer, denn diese Maßnahmen sind wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge besonders wirksam und im PHI teilweise höher gewichtet. Dass ausgerechnet bei besonders wirksamen Bereichen große Lücken bestehen, erklärt maßgeblich das schwache Gesamtergebnis.

Es gibt Lücken bei Tabak-, Alkohol- und Ernährungspolitik

Der Blick auf Europa macht deutlich, dass es auch anders geht. Länder wie Großbritannien, Finnland oder Irland setzen viele der wissenschaftlich empfohlenen Maßnahmen konsequent um und führen das Ranking an. Sie machen Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum unattraktiver, schaffen gesündere Ernährungsumgebungen und fördern Bewegung in Schulen, Städten und Gemeinden. Insgesamt zeigt der PHI, wo in Europa Präventionspolitik besonders ambitioniert ist und welche Möglichkeiten in Deutschland noch ungenutzt bleiben. Die Analyse der vier Handlungsfelder macht deutlich, dass vor allem eine evidenzbasierte Anpassung der Tabak- und Alkoholpolitik sowie verbindliche Maßnahmen für eine gesündere Ernährung hierzulande große Wirkung entfalten können.

Deutschland bleibt in der Tabakpolitik weit zurück

Im Public Health Index belegt die Bundesrepublik im Handlungsfeld Tabak den vorletzten Rang. Die Tabakkontrollskala zeigt, dass Deutschland mit 43 von 100 Punkten nur minimale Fortschritte erzielt hat und in zentralen Bereichen deutlich hinter den Empfehlungen der WHO zurückbleibt. Die Tabaksteuer liegt unter dem von der WHO empfohlenen Niveau, Werbung ist am Verkaufsort weiterhin erlaubt und in vielen Bundesländern bestehen Ausnahmen beim Nichtraucherschutz. Selbst in den wenigen Feldern, in denen es Fortschritte gab – etwa bei rauchfreien Umgebungen – erreicht Deutschland nur etwa die Hälfte der möglichen Punktzahl. 

Andere Länder zeigen, dass eine konsequente Tabakpolitik wirkt

Irland und das Vereinigte Königreich führen die Tabakkontrollskala seit Jahren an, gefolgt von Frankreich und den Niederlanden. Sie setzen auf umfassenden Kinder- und Jugendschutz durch die Ausweitung rauchfreier Zonen, umfangreiche Beschränkungen der Werbung und auf neutrale Verpackungen – Maßnahmen, die nachweislich zu sinkenden Raucherquoten führen. Deutschland dagegen verzichtet bislang auf viele dieser wirksamen Instrumente. Die Folge: Während die Spitzenländer ihre Präventionspolitik strategisch weiterentwickeln und breite gesellschaftliche Unterstützung mobilisieren, bleibt Deutschland bei der Tabakpolitik unter den Schlusslichtern der verglichenen Länder. Der PHI zeigt damit klar, welches Potenzial ungenutzt bleibt und dass politische Entschlossenheit entscheidend dafür ist, Tabakkonsum wirksam zu senken.

Alkoholpolitik zählt in Deutschland zu den größten Schwachstellen

Im Handlungsfeld Alkohol erreicht die Bundesrepublik nur 9 von 40 möglichen Punkten und teilt sich mit Österreich den vorletzten Rang der 18 untersuchten Länder. Besonders deutlich wird das Defizit bei drei zentralen Hebeln: der Besteuerung, der Verfügbarkeit und der Werbung. Alkohol ist hierzulande nahezu jederzeit erhältlich, häufig beworben und im internationalen Vergleich sehr günstig. Nur im Bereich „Öffentliche Politik“, also beim Vorliegen einer Präventionsstrategie, gibt es die volle Punktzahl. Insgesamt bleibt die Alkoholpolitik hierzulande damit weit hinter europäischen Good practices zurück, in denen umfangreiche Maßnahmenpakete zur Senkung des Alkoholkonsums verabschiedet wurden.

Umfassende Maßnahmen senken den Alkoholkonsum

Norwegen, Finnland, Schweden sowie Litauen führen das Ranking an, weil sie Alkohol durch Maßnahmen des Kinder- und Jugendschutzes, höhere Preise und Eingrenzungen der Verfügbarkeit weniger attraktiv machen. Die Erfahrungen aus diesen Ländern dokumentieren die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen: Der Konsum sinkt, alkoholbedingte Erkrankungen und Todesfälle gehen zurück. Deutschland hingegen macht es seinen Bürgerinnen und Bürgern weiterhin besonders leicht, viel zu trinken – mit niedrigen Preisen, ständiger Verfügbarkeit und allgegenwärtiger Werbung. 

Bei Ernährungspolitik ist die Bundesrepublik kaum vorangekommen

Im Handlungsfeld Ernährung zählt die Bundesrepublik zu den Schlusslichtern, denn keine der sechs untersuchten Maßnahmen zur Förderung einer gesünderen Ernährung ist hierzulande flächendeckend umgesetzt. Es gibt weder verbindliche Qualitätsstandards für das Schulessen noch Vorgaben für Snack- und Getränkeangebote an Schulen, keine Abgabe auf stark gezuckerte Softdrinks und keine wirksamen Regelungen zum Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung für ungesunde Produkte. Deutschland lässt damit zentrale Instrumente ungenutzt, die in anderen europäischen Ländern bereits Anwendung finden.

Umfassende Ernährungspolitik erleichtert die gesunde Wahl

Das Vereinigte Königreich hat vier der sechs Maßnahmen eingeführt, darunter eine an den Zuckergehalt gekoppelte Abgabe für Softdrinks und Mindestandards für Schulverpflegung und sonstige Essensangebote an Schulen. Finnland, Frankreich, Lettland und Polen setzen jeweils drei der untersuchten Maßnahmen um und erreichen ebenfalls gute Werte. Vor allem verbindliche Standards für das Schulessen und eine Besteuerung von Softdrinks zeigen Studien zufolge eine deutliche Wirkung. Gleichzeitig bleibt die Wirksamkeit von Einzelmaßnahmen immer begrenzt, weshalb Fachorganisationen für einen umfassenden Maßnahmen-Mix plädieren. Von einem solchen umfassenden Maßnahmen-Mix ist Deutschland dem PHI zufolge noch weit entfernt.

Bei der Bewegungsförderung zeigt Deutschland ein gemischtes Bild

Ob Menschen im Alltag genug Gelegenheit haben, sich zu bewegen, hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab – und genau diese bewertet der PHI im Handlungsfeld Bewegung. Dabei geht es um Fragen wie: Gibt es eine bewegungsfreundliche Infrastruktur und sichere Rad- und Fußwege? Werden Bewegungsangebote in Schulen, Kitas und Betrieben systematisch gefördert? Unterstützen Kampagnen und Beratungsangebote einen aktiven Lebensstil? Deutschland erfüllt viele dieser formalen Kriterien: Nationale Bewegungsempfehlungen liegen vor, das Bewegungsverhalten wird regelmäßig erhoben, und der Aktionsplan „IN FORM“ bündelt Projekte in Kommunen, Schulen und Betrieben. Auch gesellschaftliche Initiativen wie die Bundesjugendspiele oder lokale Gesundheitsprogramme zählen positiv. Doch an entscheidenden Stellen bleibt das Bild lückenhaft. Eine umfassende Strategie zum Zufußgehen existiert erst seit 2025, beim Ausbau sicherer Wege entscheiden oft Länder oder Kommunen, sodass Aussagen dazu auf nationaler Ebene nicht möglich sind. Im Endergebnis landet Deutschland am Ende nur im Mittelfeld des europäischen Vergleichs.

Investition in bewegungsfreundliche Rahmenbedingungen lohnt sich

Dänemark und Norwegen führen das Ranking an, zwar mit sehr unterschiedlichen, aber erfolgreichen Ansätzen. Kopenhagen hat Rad- und Fußverkehr über Jahrzehnte zur politischen Priorität gemacht, und Norwegen verankert Bewegung im Alltag durch seine tief verwurzelte Friluftsliv-Kultur. Auffällig ist, dass einige eigentlich sehr aktive Länder wie Schweden oder Finnland im Ranking zurückfallen, weil sie ihre eigenen Politiken kritisch bewerten und hohe Maßstäbe anlegen. Gleichzeitig liegen die Staaten insgesamt eng beieinander – ein Hinweis darauf, dass viele grundlegende Maßnahmen bereits umgesetzt sind und künftige Fortschritte anspruchsvoller werden müssen. Die Ergebnisse zeigen: Um Bewegung in der Bevölkerung wirklich zu fördern, müssen viele Politikbereiche zusammenarbeiten. Denn Bewegung entsteht nicht nur durch Gesundheitsprogramme, sondern vor allem durch eine Umgebung, die das Gehen, Radfahren und aktive Unterwegssein im Alltag einfach und selbstverständlich macht.

In der Präventionspolitik bietet sich jetzt eine Chance

Deutschland ist bei der Präventionspolitik deutlich schlechter aufgestellt als viele andere europäische Länder – und das, obwohl der Druck auf das Gesundheits- und Sozialsystem weiter wächst. Der Public Health Index legt große ungenutzte Potenziale in den Bereichen Ernährung, Bewegung sowie bei der Eindämmung von Tabak- und Alkoholkonsum offen und bestätigt damit Ergebnisse anderer wissenschaftlicher Analysen. Eine Lancet-Studie macht dafür vor allem mangelnden politischen Willen, starken Lobbyeinfluss und eine zu geringe Nutzung wissenschaftlicher Evidenz verantwortlich – obwohl viele der wirksamsten Maßnahmen in der Bevölkerung breite Unterstützung finden. Gleichzeitig zeigt der Blick nach Europa, dass Länder mit hoher Krankheitslast wie Großbritannien oder Litauen gerade deshalb entschlossene Präventionsstrategien entwickeln und damit im PHI gut abgeschnitten haben. In Deutschland bleiben solche Maßnahmen trotz ähnlich großer Herausforderungen bislang aus. Für eine erfolgreiche Präventionspolitik braucht es daher vor allem ein parteiübergreifendes Bekenntnis für eine umfassende Präventionspolitik entlang der WHO-Empfehlungen. Demnach sollte das gesunde Verhalten durch unterstützende Umgebungen im Alltag leichter gemacht werden.

Die Methodik hinter dem Public Health Index

Der PHI vergleicht, wie konsequent 18 Länder in Zentral- und Nordeuropa Präventionsmaßnahmen in den Handlungsfeldern Tabak, Alkohol, Ernährung und Bewegung umsetzen. Im Handlungsfeld Tabak greift der PHI auf die aktuelle Fassung der Tabakkonstrollskala zurück, im Handlungsfeld Alkohol wird die BtG-M-Skala genutzt. In den Bereichen Ernährung und Bewegung existierten bislang keine vergleichbaren Ranglisten, weshalb dafür neue Indizes entwickelt wurden. Alle vier Felder gehen zu gleichen Teilen in den PHI ein: Ein Land erhält umso mehr Punkte, je mehr der empfohlenen Maßnahmen es tatsächlich umsetzt. Trotz einiger methodischer Grenzen zeigt der Index bereits deutlich, wie unterschiedlich Präventionspolitik in Europa ausgestaltet ist – und wo ungenutzte Potenziale liegen.

Weiterführende Informationen zur Methodik

Der Daten-Anhang zur Methodik enthält detaillierte Informationen zu den Bewertungen und den zugrunde liegenden Begründungen für die vier Indizes in den Handlungsfeldern Tabak, Alkohol, Ernährung und Bewegung.

Daten-Anhang zur Methodik des Public Health Index

Format: PDF | 1 MB

Das Expertenteam

Oliver Huizinga
AOK-Bundesverband
Dr. Sophie Rabe
AOK-Bundesverband
Prof. Dr. Ute Mons
DKFZ | Expertise Tabak
Dr. Katrin Schaller
DKFZ | Expertise Tabak
Dr. Carolin Kilian
Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg; University of Southern Denmark | Expertise Alkohol
Dr. Jakob Mantey
Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität | Expertise Alkohol
Prof. Dr. Peter von Philipsborn
Universität Bayreuth | Expertise Ernährung
Ass.-Prof. Dr. Peter Gelius
Universität Lausanne | Expertise Bewegung

Pressekonferenz

Vorstellung des neuen Public Health Index

Wo steht Deutschland beim Thema Prävention im internationalen Vergleich?