„Die ePA wird sich in den Praxen einspielen“
Ab dem 1. Oktober 2025 müssen alle Arztpraxen die „ePA für alle“ mit Dokumenten befüllen. Vier von fünf Menschen finden das gut, zeigt eine aktuelle forsa-Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbandes. Wie blicken Hausärztinnen und Hausärzte auf das Thema? Dr. Katharina Weinert, Vorständin des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes Brandenburg, über die Chancen – und die Herausforderungen, die für Arztpraxen mit der ePA verbunden sind.

Frau Dr. Weinert, wie haben Sie und Ihr Praxisteam den Einstieg in die elektronische Patientenakte erlebt?
Unser erster Kontakt mit der ePA in unserer Praxissoftware war im Frühjahr. Der Anfang war – wie so oft bei der Digitalisierung – etwas holprig: Insbesondere das Befüllen der Akte und das Lesen von Dokumenten in der Akte waren zunächst schwierig. Inzwischen funktioniert das Befüllen in den meisten Fällen gut. Wir merken aber, dass bislang noch wenige Befunde in die Akten gelangen – häufig sind die Hausarztpraxen die ersten, die derlei Dokumente einstellen.

Wer ist … Dr. Katharina Weinert?
Dr. Katharina Weinert ist Fachärztin für Allgemeinmedizin. Seit 2017 führt sie eine Hausarztpraxis in Fredersdorf‑Vogelsdorf, östlich von Berlin. Seit 2021 ist sie im Vorstand des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes Brandenburg, seit Juli dort als Vorsitzende.
Wo sehen Sie im Versorgungsalltag die größten Vorteile der ePA?
Perspektivisch können mitbehandelnde Fachärztinnen und Fachärzte wichtige Informationen, die Hausärztinnen und Hausärzte in die ePA einstellen, frühzeitig sehen: Wie sind die aktuellen Laborwerte, wie war das jüngste EKG? Auch den aktuellen Medikamentenplan stellen wir ein. Der Vorteil: Patientinnen und Patienten müssen diese Dokumente nicht mehr ausgedruckt mitnehmen. Das verbessert die Kommunikation zwischen den ärztlichen Disziplinen und kann so Doppeluntersuchungen vermeiden. Wichtig ist: Das Hochladen muss schnell gehen und darf in der Routine wenig Reibung erzeugen. Da sind die Hersteller der Praxissoftware gefordert.
Ein wichtiges Nadelöhr in der Versorgung ist der Übergang vom Krankenhaus in die Arztpraxis. Was erwarten Sie hier von der ePA?
Wenn Kliniken und Rettungsstellen die Arztbriefe ihrer Patientinnen und Patienten zeitnah in die ePA stellen würden, wäre das für die Patientensicherheit ein großer Fortschritt. Im Moment funktioniert das leider noch nicht. Für die ambulante Weiterbehandlung wäre ein zügiges, digitales Entlass-Management via ePA ein echter Gewinn.
Was sind die größten Herausforderungen für Hausarztpraxen in der Einführungsphase der ePA?
Vor allem der Zeitaufwand – sowohl für uns Ärztinnen und Ärzte als auch im Praxisteam. Wir müssen prüfen, welche Befunde für die Weiterbehandlung wirklich relevant sind. Je nach Praxissoftware dauern das Befüllen und Hochladen nur Sekunden bis wenige Minuten. Hinzu kommen rechtliche Unsicherheiten, die den Kolleginnen und Kollegen Sorgen bereiten. Sie fragen sich: Bin ich verpflichtet, in die ePA zu schauen, oder mache ich das nur anlassbezogen? Welche Dokumente darf, beziehungsweise, welche muss ich einstellen? Das größte Manko ist derzeit nochder Aufbau der ePA: Im Moment ist sie eine lose PDF‑Sammlung ohne gute Suchfunktion.
Eine Volltextsuche in der ePA soll laut einem kürzlich gefassten Beschluss der gematik im kommenden Jahr pilotiert und ab Anfang 2027 flächendeckend möglich sein. Wie bewerten Sie das?
Das ist absolut sinnvoll und sollte aus Sicht derjenigen, die die ePA tagtäglich nutzen werden so schnell wie möglich umgesetzt werden.
Viele erinnern sich an den holprigen Start des E‑Rezepts – heute sind die meisten Ärztinnen und Ärzte sehr zufrieden damit. Erwarten Sie eine ähnliche Lernkurve bei der ePA?
Ja. Ich denke, das wird sich im Laufe der Zeit in den Praxen einspielen. Die ePA bietet eine Reihe von Vorteilen, die auch von kritischen Kolleginnen und Kollegen nicht bestritten werden – etwa, dass Doppeluntersuchungen vermieden werden und ein schnellerer Informationsfluss stattfindet. Voraussetzung ist, dass die jeweilige Praxissoftware die ePA reibungslos unterstützt, indem das Befüllen im Alltag wirklich schnell und zuverlässig funktioniert. Intensiv und kontinuierlich muss auch an den IT-technischen Grundvoraussetzungen gearbeitet werden, denn die Sicherheit der Patientendaten sowie die stetige Verfügbarkeit der ePA sind die wichtigsten Faktoren für das Vertrauen in die ePA.
Unsere forsa-Umfrage zeigt, dass sich rund die Hälfte der Bevölkerung noch nicht ausreichend informiert fühlt über die ePA. Wer sollte welche Aufgaben übernehmen bei der Aufklärung der Patientinnen und Patienten?
Wir haben in unserem Wartezimmer und im Sprechzimmer Flyer unseres Verbandes zur ePA liegen; darüber können sich unsere Patientinnen und Patienten informieren. Direkte Fragen in der Sprechstunde sind eher selten. Am häufigsten fragen uns unsere Patientinnen und Patienten: Ist in meiner ePA schon etwas drin? Eine Aufklärung im Sinne von „Das sind die Vorteile, das sind die Nachteile“ können wir Ärztinnen und Ärzte angesichts unserer knappen zeitlichen Ressourcen nicht leisten. Da sehe ich die Hauptaufgabe der Aufklärung bei den Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… . Auch wenn es technisch irgendwo hakt in der ePA‑App, verweisen wir an die jeweilige Krankenkasse der Patientinnen und Patienten.
Verändert die ePA das Arzt-Patienten-Verhältnis?
Noch nicht spürbar – aber es gibt Befürchtungen: In der ePA stehen Diagnosen und auch Abrechnungsdaten. Das kann zu Fragen führen und die Beziehung zu Patientinnen und Patienten durchaus belasten, da sie die relevanten Hintergründe zu den aufgeführten medizinischen Maßnahmen nicht immer gleich selbstständig einordnen können. Dies wiederum kann Verunsicherung bei ihnen hervorrufen. Zudem werden teilweise auch Erwartungen geweckt, die nicht immer erfüllt werden können, da die ePA patientengesteuert ist - und im Zweifel nicht vollständig. Unterlagen können gelöscht oder Zugriffe gesperrt sein, wodurch nicht immer alle Informationen zugänglich sind. Damit kann die ePA die bestehenden ärztlichen Kommunikationswege nur ergänzen, nicht aber ersetzen.
Wenn Sie sich für die Weiterentwicklung der ePA etwas wünschen dürfen, was wäre das?
Dass die ePA keine lose PDF‑Sammlung mehr ist, sondern schnellstmöglich strukturierte Befunde bietet, die auch durchsuchbar sind. Denn in fünf oder zehn Jahren wird eine ePA sicherlich viele verschiedene Dokumente enthalten. Wichtig ist auch, dass die Krankenhäuser schnellstmöglich angeschlossen werden – für das Gelingen der ePA halte ich das für essenziell.
Vielen Dank für das Interview!
Um über die „ePA für alle“ aufzuklären, stellt die AOK Nordost auf der Seite aok.de/epa seit Mai 2024 zahlreiche Informationen und ein Erklärvideo zum Thema bereit. Die Seite wurde aus Berlin, Brandenburg und MV bislang rund 190.000 mal aufgerufen. Ab Oktober startet die AOK‑Gemeinschaft zudem online eine Kampagne zur „ePA für alle“.
Zu den rechtlichen Fragen rund um die ePA hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung ein FAQ bereitgestellt. Demnach besteht keine Pflicht für Ärztinnen und Ärzte, die ePA anlasslos einzusehen. Wenn Ärztinnen und Ärzte anlässlich einer Behandlung Dokumente in der ePA einsehen, sind diese allerdings bei der Behandlung zu berücksichtigen.