Artikel Versorgung

Notaufnahmen am Limit – Qualifikationsmängel verschärfen Situation

29.07.2025 Tina Stähler 3 Min. Lesedauer

Viele Notaufnahmen in Deutschland sind nicht nur überlastet, ihr ärztliches und pflegerisches Personal ist laut einer aktuellen Studie der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und der Deutschen Gesellschaft für Notfallmedizin (DGINA) auch nicht ausreichend in der Notfallversorgung ausgebildet. Zudem besteht bei der Patientensteuerung Verbesserungsbedarf. Hier sieht der AOK-Bundesverband Integrierte Notfallzentren als mögliche Lösung.

Der überdachte Eingang eines Krankenhauses: Auf dem Dach prangt in großen, roten Buchstaben das Wort "Notaufnahme". Im Hintergrund ist die Hauswand mit Fenstern zu sehen.
Eine kompetente Ersteinschätzung ist in der Notfallversorgung unerlässlich.

Die Notaufnahmen sind voll und nach wie vor fehlt es an gut ausgebildetem Personal. Zwar haben Fachgesellschaften bereits vor mehreren Jahren Standards für Notaufnahmen entwickelt, diese werden aber nicht flächendeckend umgesetzt. Das sind die Ergebnisse einer Umfrage der DIVI und DGINA zur personellen Ausstattung in deutschen Notaufnahmen. „Allem voran ist die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte mit Zusatzweiterbildung Klinische Akut- und Notfallmedizin noch viel zu gering, wie auch der Anteil der Pflegekräfte mit Fachweiterbildung Notfallpflege“, erläuterte DIVI-Präsident Florian Hoffmann bei der Vorstellung der Ergebnisse. Für die Erhebung haben DIVI und DGINA in einer anonymen Online-Umfrage die Leitungen von 1.008 Notaufnahmen in Deutschland befragt. Insgesamt beteiligten sich 176 Häuser aller Versorgungsstufen, von der Basis- bis zur umfassenden Notfallversorgung. Im Fokus standen Personalstruktur und -qualifikation, verfügbare diagnostische und therapeutische Verfahren, Qualitätsmanagement und bauliche Struktur.

Struktur- und Personalanforderungen nicht erfüllt

Auch bei der interdisziplinären Betreuung gibt es Nachholbedarf – es fehlt oftmals an Mitarbeitenden für Sozialdienst, Krisenintervention oder Case-Management. „Notfallmedizin endet nicht mit der Stabilisierung der Vitalfunktionen“, erklärte Torben Brod, Sprecher der DIVI-Sektion Strukturen in der Klinischen Akut- und Notfallmedizin und Mitautor der Studie. „Auch psychosoziale Unterstützung und die Koordination weiterer Versorgungswege sind elementar.“ Die Umfrage zeigt, dass Fachärztinnen und -ärzte in Notaufnahmen nur unzureichend vertreten sind – in rund der Hälfte der befragten Häuser sind sie nicht durchgehend im Einsatz. Als „besonders kritisch“ bezeichneten die Fachgesellschaften die Situation in Krankenhäusern der Basisnotfallversorgung. Dort waren Ärzte teilweise nur in 76 Prozent der Fälle permanent anwesend. In Kliniken höherer Versorgungsstufen zeigten sich ebenfalls Lücken: Rund 90 Prozent der Notaufnahmen verfügten zwar über eine fachlich qualifizierte Pflegeleitung. Jedoch wurde der empfohlene Stellenschlüssel – eine Vollzeitkraft pro 1.200 Patientenkontakte – nur in 40 bis 63 Prozent der Kliniken erreicht. „Die Zahlen zeigen: Es sind noch große Anstrengungen erforderlich, um die von uns geforderten Struktur- und Personalanforderungen in Notaufnahmen zeitnah erfüllen zu können“, sagte DIVI-Generalsekretär Uwe Janssens.

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Er bemängelte, dass die im Zuge der Krankenhausreform so häufig angesprochene und wichtige Patientensteuerung in vielen Fällen durch fehlendes und nicht ausreichend qualifiziertes Personal in Notaufnahmen nicht gewährleistet werden könne. „Bei der Ersteinschätzung von Notfallpatientinnen und -patienten zeigen sich strukturelle Engpässe – diese können zu verzögerter Behandlung bei vital bedrohlichen Krankheitsbildern und fehlender Priorisierung mit ineffektiven Abläufen führen.“

„Integrierte Notfallzentren sind eine gute Lösung für eine bessere Steuerung.“

Dr. Carola Reimann

Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes

Integrierte Notfallzentren als mögliche Lösung

Auch der AOK-Bundesverband hatte zuletzt gefordert, die Steuerung von tatsächlichen oder vermeintlichen Notfallpatienten auf den richtigen Behandlungspfad im Rahmen der geplanten Notfallreform dringend zu verbessern. Laut einer Forsa-Befragung im Auftrag des AOK-Bundesverbandes haben mindestens 41 Prozent der Menschen, die in den vergangenen fünf Jahren die Notaufnahme einer Klinik aufgesucht haben, dies ohne vorherige Ersteinschätzung durch eine kompetente Stelle selbst entschieden. „In vielen dieser Fälle wäre vermutlich eine kompetente Ersteinschätzung, beispielsweise durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ärztlichen Bereitschaftsdienstes unter der Telefonnummer 116 117, sinnvoller gewesen als der direkte Gang in die Notaufnahme“, betonte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes. Die Zahlen spiegelten die Unsicherheit der Menschen, welche Behandlung bei einem vermuteten Notfall für sie die beste Option sei. „Es wird Zeit, die für die Menschen verwirrende Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung im Notfall-Bereich endlich zu überwinden. Integrierte Notfallzentren, die von Krankenhausträgern und Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsam betrieben werden sollen, sind eine gute Lösung für eine bessere Steuerung“, so Reimann. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2023 in Krankenhäusern in Deutschland rund 12,4 Millionen ambulante Notfälle behandelt – der höchste Wert seit Beginn der Erfassung im Jahr 2018.

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